„Ich finde das durchaus dramatisch“

Einen Rahmen für eine „künstlerische Auseinandersetzung zu Fragen von Konsum, Kommerz und modernen Götzenbildern“ soll sie bieten, die Ausstellung „Reliquie – Fetisch in Kirche, Kunst und Konsum“. Doch nun ist fraglich, ob die kritische Begleitveranstaltung zur Heilig-Rock-Wallfahrt überhaupt stattfinden wird. Wenige Wochen vor Eröffnung fehlt dem Tuchfabrik Trier e.V. als Veranstalter rund ein Drittel des Budgets. Sowohl die Kulturstiftung der Sparkasse als auch die Kulturstiftung Trier wollen die Ausstellung nicht unterstützen. Angeblich stören sich beide Stiftungen an der Teilnahme der religionskritischen Giordano-Bruno-Stiftung, was auf Anfrage jedoch dementiert wird. GBS-Vorstandssprecher Michael Schmidt-Salomon spricht von einem „Skandal“. Sollte die Ausstellung nicht stattfinden, wäre Trier blamiert und rund 60 zeitgenössische Künstler müssten wieder ausgeladen werden.

TRIER. Die Präsentation des Ausstellungsprogramms versprach eine unterhaltsame Veranstaltung zu werden. Unter den Teilnehmern der Pressekonferenz fanden sich der langjährige Herausgeber der Kleinen anderen Trierer Zeitung (Katz) Helmut Schwickerath ebenso, wie der 16vor-Kolumnist Laas Koehler, der via Skype aus London zugeschaltet war, technisch bedingt nur die Hälfte verstand und leidlich versuchte, mit vor die Webcam gehaltenen Zetteln zu kommunizieren. Koehler ist einer der beiden Kuratoren der Ausstellung, neben Christina Biundo. Bis dato wissen beide noch nicht, ob „ihr“ Kultureignis überhaupt stattfinden wird. Denn kaum hatte Tufa-Geschäftsführerin Teneka Beckers eine „große und spannende, nationale wie internationale Ausstellung“ in Aussicht gestellt, da ließ Klaus Reeh die Katze aus dem Sack: „Erst in einer Woche wird feststehen, ob sie überhaupt stattfinden wird“.

Das Programm steht, mehr als 60 Künstler wollen sich beteiligen. Darunter bekannte Namen wie Jacques Tilly, Ralf König und Klaus Staeck, aber auch Janosch, Bazon Brock und Liu Guangyun. Teil der Ausstellung soll auch eine von Rainer Breuer konzipierte Gruppenausstellung mit dem Titel „Die Kathedrale“ sein. Nicht wenige Künstler haben eigens für diese Ausstellung Werke geschaffen, und weil manche auf ihr Honorar verzichten und andere kaum mehr als eine Erstattung der Materialkosten verlangen, nimmt sich das Budget für die immerhin neunwöchige Schau recht bescheiden aus: Mit 35.000 Euro will man auskommen, erklärte Reeh am Dienstag, und mit diesem Betrag werde man auch auskommen, versicherte er – wenn denn diese Summe zusammen komme. Doch der Vorsitzende des Tuchfabrik Trier e.V. und seine Mitstreiter erfuhren nun, dass sie fest eingeplante Zuschüsse nicht erhalten werden. Während die Ausstellung im Rahmen des Kultursommers Rheinland-Pfalz gefördert wird und Stadtwerke, Lotto-Stiftung sowie das Kulturmagazin Opus sponsern, versagen die Kulturstiftung der Sparkasse Trier und die Kulturstiftung Trier ihre Unterstützung.

Ein wesentlicher Grund für diese Entscheidung soll in der religions- und kirchenkritischen Giordano-Bruno-Stiftung liegen, die sich am Begleitprogramm zur Ausstellung beteiligen möchte. Unter dem Motto „Heilig’s Röckle“ sind unter anderem mehrere Vorträge sowie die Zeigung der „Heiligen Unterhose“ von Karl Marx geplant. Nur wenige Meter vom Geburtshaus des berühmtesten Sohns der Stadt, in einem Schaufenster, wird die etwas andere Reliquie ausgestellt. So weit, so harmlos – die Unterhose wurde auch 1996, bei der letzten Wallfahrt schon gezeigt. Und was die geplanten Vorträge anbelangt: Mit Referentinnen wie der langjährigen SPD-Finanzexpertin Ingrid Matthäus-Maier, die sich in ihrem Vortrag „Und trenne, was nicht zusammengehört!“ zur „überfälligen Trennung von Staat und Kirche“ äußern will, oder dem Autor Andreas Altmann, der in seinem grandiosen Buch „Das Scheißleben meines Vaters, das Scheißleben meiner Mutter und meine eigene Scheißjugend“ seine grausamen Kindheitserinnerungen als Sohn eines brutalen Rosenkranzhändlers im bayerischen Wallfahrtsort Altötting aufarbeitet, hält sich das Provokationspotenzial doch eher in Grenzen.

Kulturstiftungen widersprechen Darstellung

GBS-Vorstandssprecher Michael Schmidt-Salomon sprach am Dienstag bereits von einem „Skandal“, wobei er sich auf die Weigerung der beiden Stiftungen bezog, die Ausstellung zu unterstützen. Öffentliche Stiftungen müssten die „Pluralität von Kunst beachten“, verlangte er. Teneka Beckers unterstrich, dass beide Stiftungen die GBS nicht als Grund für die Ablehnung der Förderanträge genannt hätten. Allerdings habe das Bistum sein Missfallen über die Teilnahme der Stiftung deutlich gemacht. „Ich finde das durchaus dramatisch“, beschrieb derweil Reeh seine Gemütslage. Zugleich betonte er, dass sein Verein nun alles versuchen werde, „damit wir das durchziehen können“. Reeh rief zu Spenden auf, machte aber zugleich deutlich, dass sich die Gremien der Stiftungen gegenüber ihren Aufsichtsgremien verantworten müssten. Über die Arbeit der Kulturstiftung Trier wacht ein Stiftungsrat, an dessen Spitze der Oberbürgermeister steht, außerdem Vertreter von fünf Ratsfraktionen. Doch über die Vergabe der Mittel entscheidet der Vorstand, dem unter anderem ein amtierender und ehemaliger Sparkassendirektor sowie ein ehemaliger und amtierender Kulturdezernent angehören. Der aktuell amtierende Kulturdezernent nannte am Dienstag auf Anfrage die Entscheidung der Kulturstiftung, die Ausstellung nicht zu unterstützen, „schade“. Er werde in den kommenden Tagen Gespräche führen und hoffe, dass die Finanzierung sichergestellt werden könne. Sein Ziel sei es jedenfalls, dass die Veranstaltung durchgeführt werden könne, betonte Thomas Egger (FDP).

Harry Thiele, Vorsitzender der Stiftung, widersprach derweil auf Anfrage der Darstellung, der Zuschuss sei wegen der Teilnahme der Giordano-Bruno-Stiftung verweigert worden. Die GBS sei „gar kein Thema“ gewesen, so Thiele gegenüber 16vor. Man habe den Antrag „inhaltlich geprüft“ und die Ausstellung nicht als förderungswürdig erachtet. Ähnlich äußerte sich die Kulturstiftung der Sparkasse: Die Entscheidung habe „absolut nichts“ mit der Bruno-Stiftung zu tun, versichert man auch hier; schließlich beteilige diese sich ja nur am Begleitprogramm, so Willi Weyer auf Anfrage gegenüber 16vor. Der Sparkassen-Vorstandsassistent sprach von „grundsätzlichen Erwägungen“, die zur Ablehnung des Antrags geführt hätten. Man habe das Konzept geprüft und sich dann dagegen entschieden, es zu unterstützen. Konkreter wollte auch Weyer nicht werden, verwies aber darauf, dass man die Arbeit der Tufa regelmäßig unterstütze und es keinen Rechtsanspruch auf Zuschüsse gebe.

Darauf verwies am Dienstag auch Reeh, der nun hofft, dass sich genügend Unterstützer finden werden, die helfen, die Lücke im Budget zu schließen. Einen hat er schon gefunden: Helmut Schwickerath. Der kündigte an, dass eine Sonderausgabe der Katz in der Mache sei. Diese soll 5 Euro kosten, 2 Euro von jedem verkauften Heft werde er für die Ausstellung spenden, sicherte Schwickerath spontan zu.

Das hielt Kuratoin Christina Biundo nicht davon ab, die beteiligten Künstler am Dienstag über den Stand der Dinge zu informieren. Schließlich habe man auch eine Verantwortung den Künstlern gegenüber, denen man keine Hängepartie zumuten wolle. Reeh kündigte an, dass sich der Vorstand des Tufa-Vereins am kommenden Dienstag zusammensetzen wird. Dann werde eine definitive Entscheidung fallen, ob die Ausstellung stattfinden wird.

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