„Ich denke nicht, dass ich hinten liege“
In einem Wahlkampf, den viele auf zwei Kandidaten zugespitzt glauben, ist er der dritte: Fred Konrad, Kinderarzt und Mitglied des Landtags. Am Sonntag möchte er für die Grünen Oberbürgermeister von Trier werden. Seine Stärken: Langjährige Erfahrung als Politiker, als Mediziner die Fähigkeit, erst zuzuhören, dann schnell eine Lösung zu finden.
Nun ist es Mittag, eine Stunde so etwas wie Pause. Eine Frau fragt, wann seine Veranstaltung am Donnerstagabend beginnt. Nein, auswendig wisse er das zugegeben nicht, dafür seien es der Termine zu viele dieser Tage. Er schaut aber gerne nach, 19 Uhr, die Frau dankt. Als nächstes steigt ein Mann vom Fahrrad, er erzählt erst von einem Unfall, dann von den Knieproblemen, kurze ärztliche Empfehlung über den Tisch hinweg, ein Handschlag. Schon seit einigen Minuten steht Auflauf vor Konrad, doch als der 52-Jährige zum ersten Bissen kommt, können Reis und Gemüse nur kalt sein.
16vor: Herr Konrad, Ihre beiden Mitbewerber sind mittlerweile ganz gut darin, für ihre Ideen Werbung zu machen und für sich selbst Ausrufezeichen zu sein. Bei Ihnen fragen sich noch immer viele Trierer: Wer ist eigentlich dieser Fred Konrad?
Fred Konrad: Fred Konrad ist jemand, der Politik machen will, weil er Politik immer vom Bedürfnis des einzelnen Bürgers abhängig macht.
16vor: Bei einigen Bürgertreffen zu Ende des Wahlkampfs haben Sie gefehlt, weil Sie in Ruanda waren. Das dürfte nicht unbedingt einen ehrgeizigen Eindruck hinterlassen haben. Können Sie sich das leisten?
Konrad: Das ist mir in dem Fall egal, weil die Reise seit einem halben Jahr geplant war. Ich habe in einem Kinderheim für behinderte und nicht-behinderte Kinder die Mitarbeiter geschult und ihnen die verschiedenen Krankheiten erklärt, das war versprochen. Hätte meine Kandidatur davon abgehangen, hätte ich den Grünen nicht zugesagt.
16vor: Haben Sie keine Sorge, dass Ihnen genau die Zeit am Ende fehlen, weil Sie über mangelnde Bekanntheit stolpern?
Konrad: Nun, bekannter als durch die Aktion mit dem gesprayten Schriftzug kann man kaum werden (lacht). Nein, Spaß beiseite, wir gehen gezielt in die Stadtteile und veranstalten Bürgersprechstunden, um genau daran zu arbeiten. Ich denke aber auch, dass ich bei den Wählern, die sich bereits detailliert informiert haben, nicht hinten liege.
16vor: Sie sind als Mitglied des Landtags in Mainz politisch aktiv. Das muss doch reichen.
Konrad: In Mainz arbeite ich mit und an Landesgesetzen. Als Oberbürgermeister kann ich direkt vor Ort und im konkreten Fall beeinflussen, wie die Bedürfnisse von Menschen umgesetzt werden.
16vor: Wieso bewerben Sie sich in Trier und nicht etwa in Zweibrücken? Da haben Sie es doch bereits einmal probiert, außerdem wohnen Sie seit Jahren im Umkreis.
Konrad: Das stimmt. Verwaltungsstrukturen, die Zusammenarbeit mit Land und Bund, das ist aber überall gleich. Trier ist meine Heimatstadt, hier habe ich die notwendige regionale Kenntnis und ein gesundes Wissen darüber, was im Argen liegt, sei es im Sozialen oder beim Verkehr. In Schul- oder Mobilitätskonzepte habe ich mich eingearbeitet.
16vor: Auf einigen Ihrer Plakate steht „Zuhören und Abwägen“. Klingt, als wollten Sie als Oberbürgermeister erst einmal abwarten.
Konrad: Nein, denn die Plakate machen nur eine Hälfte aus. Auf anderen steht „Entscheiden und Umsetzen“. Das sind die vier Schritte, die man braucht, um Projekte von der Idee bis zur Realisierung zu bringen. Hier liegt auch der Hauptunterschied zwischen mir und den anderen Kandidaten: Ich mache seit 20 Jahren Politik, suche Mehrheiten und setze mich dafür ein, dass Ideen konkret in Koalitionsvereinbarungen auftreten.
16vor: Im Moment steht der Stadtvorstand in der Kritik, weil eben nichts passiert. Wollen Sie dieses Problem strukturell lösen, etwa mit einem anderen Zuschnitt der Verwaltung?
Konrad: Die Arbeit verteile ich erst, wenn ich selbst mich eingearbeitet und die nächsten Ziele festgelegt habe. Die Situation gerade ist untragbar, ein Oberbürgermeister muss stärker durchgreifen und den Stadtvorstand führen. Der sollte wiederum den Oberbürgermeister unterstützen. Erfolg braucht gemeinsame Ziele und einen Oberbürgermeister, der dafür sorgt, dass Konzepte auch umgesetzt werden. Eine Entscheidung allein ist zu wenig getan.
16vor: Um überhaupt darüber entscheiden zu können, ob das Theater saniert oder neu gebaut werden soll, wurde ein entsprechendes Wirtschaftlichkeitsgutachten angefordert, ein Ergebnis steht aus. Ungeachtet dessen – wozu tendieren Sie persönlich?
Konrad: Eine Sanierung hätte den Vorteil, dass währenddessen Räume in der Stadt genutzt werden müssen. Wenn dann alles wieder an den Augustinerhof zurückzieht, sind diese Räume immer noch verfügbar, etwa für die freie Szene. Der Gedanke überzeugt mich. Ein Neubau hätte andererseits den Vorteil, dass auf lange Sicht Ruhe wäre. Letztlich braucht es ein Konzept, bei dem sich sowohl freie Kulturszene als auch Kulturträger einbringen.
16vor: Wie wollen Sie, einmal abgesehen von den Räumen, die freie Kulturszene fördern?
Konrad: Die wird bereits finanziell unterstützt. Das Problem ist, dass die Gelder punktuell und zeitlich begrenzt verteilt werden, was eine erhebliche Lebensunsicherheit für die Künstler mit sich bringt. Ich hoffe, dass durch die Diskussion über die Zukunft des Theaters die allgemeine Kulturszene eine klarere Struktur bekommt und man davon ausgehend gezielter – soll heißen: langfristiger – fördern kann.
„Die Diskussion um die Grundschulen hat Priorität“
16vor: Ein Reizthema in Trier sind die Grundschulen.
Konrad: Und das mit Recht. Wir haben derzeit zwei Turnhallen, die geschlossen sind, eine, die kurz davor steht, eine Schule, die nicht genutzt wird, eine Schule, die wir geschlossen haben, in der wir aber die Kinder unterbringen – gibt es einen Grund, irgendwas anderes mit einer höheren Priorität zu versehen? In der freien Wirtschaft wären die Verantwortlichen dafür nicht mehr verantwortlich.
16vor: Werden Sie sich für den Erhalt aller Grundschulen einsetzen?
Konrad: Nein, das wäre Unfug. Die Zahl der Kinder nimmt ab und wird weiter sinken, gleichzeitig fehlen etwa dem HGT aktuell Räume. Dass wir eine Diskussion um die Egbert-Schule haben und darüber, dass Grundschüler teils kilometerweit mit Bussen zum Unterricht gefahren werden müssen, das sind Einzelfragen, die innerhalb des Schulentwicklungsplans noch einmal auf den Prüfstand sollten.
16vor: Das heißt konkret für Egbert?
Konrad: Der Wunsch, die Schule im Stadtteil zu erhalten, ist bei vielen Bürgern sehr groß. Deshalb möchte ich mir die Schule ansehen.
16vor: Dass Trier mehr und vor allem bezahlbaren Wohnraum braucht – geschenkt. Wie aber wollen Sie den finanzieren?
Konrad: Zum einen über Fördergelder für Investoren und Wohnungsbauunternehmen vor Ort, die Sozialwohnungen bauen. Zum anderen will ich das Land einspannen. Um bestehende Liegenschaften in Wohnraum umzuwandeln, müssen wir sehen, dass wir Mittel der Städtebauförderung bekommen.
16vor: Nun hat die Stadt eigene Wohnungen.
Konrad: Richtig, aber hier stauen seit 30 Jahren die Investitionen. Eine Wahlperiode allein reicht nie, um sagen zu können, dass die Wohnungen in Schuss sind. Natürlich müssen die dringendsten Bauschäden zeitnah behoben werden. Hierfür müssen wir mehr Geld einplanen, das wir auch unvorhergesehen vergeben können. Ob die Mieten dann allerdings auf jetzigem Stand bleiben, muss geprüft werden. Ich habe jedenfalls nicht vor, die Wohnungen zu privatisieren.
Moselaufstieg? Fehlinvestition!
16vor: Stichwort „Moselaufstieg“. Ihre Meinung dazu?
Konrad: Ich lehne es klar ab, Unsummen für Autobahnausbauten rund um Trier auszugeben, die den Verkehr in der Stadt kaum beruhigen. Wir haben genug Bundesstraßen mit vorrangigen Problemen, etwa die Zurmaienerstraße und die meisten Brückenköpfe. Wenn wir dem Bund nun erklären, dass wir alle Trierer Verkehrsprobleme mit Nordumfahrung und Moselaufstieg lösen, kriegen wir für die wirklich relevanten Fälle kein Geld mehr.
16vor: Der öffentliche Nahverkehr entlastet den Verkehr in der Innenstadt. Was halten Sie davon, Busfahrten zu vergünstigen?
Konrad: Nein, denn es geht nicht alles gleichzeitig. Die Preise nicht zu erhöhen, das ist das erste, als zweites müssen die Busse häufiger und länger fahren. Wenn dann Spielraum bleibt, denke ich zuerst an Pendler und Schüler mit Monats- oder Mehrfahrtentickets. Den größten Anteil am innerstädtischen Verkehr haben Menschen, die fast täglich von einem in einen anderen Stadtteil fahren. Für die das Busfahren attraktiver zu machen ist wichtiger, als Einmalfahrten für Leute zu vergünstigen, die das Angebot nur selten nutzen.
16vor: Auch das Radfahren in Trier ist nicht unbedingt attraktiv – es gibt nur wenige ausgezeichnete Wege und von diesen wenigen enden viele im Nichts, etwa die Ostallee runter.
Konrad: Keine Frage, das ist nicht konsequent zu Ende gedacht. Etwa auch, was die Ampelschaltungen betrifft. Natürlich beißt sich an mancher Stelle die Katze in den Schwanz: Da, wo für Autos locker eine Grünschaltung reicht, um von Ampel über Ampel zu kommen, brauchen Fahrradfahrer zwei, das heißt: warten. Fahrradschnellwege wären eine Alternative – vier Meter breit, in beiden Richtungen offen. Dafür haben wir die Voraussetzungen, anbieten würde sich das etwa an der Mosel entlang. Wo der Raum für ein Miteinander fehlt, muss man gegebenenfalls die Verkehrs- oder die Parkfläche für die Autos verringern. Zwei Reihen parkende Autos, zwei Spuren fahrende Autos, Fußgängerwege und Fahrradspuren, dazu reicht der Platz meist nicht. Es darf aber nicht immer zu Lasten der Fahrradfahrer gehen.
16vor: Gelder zu mobilisieren wird in den nächsten acht Jahren eine zentrale Aufgabe für den Wahlsieger sein. Eine Quelle ist da der Entschuldungsfonds des Landes.
Konrad: Richtig. Eine weitere ist der kommunale Finanzausgleich. Der Bund muss sich gleichzeitig an den Soziallasten beteiligen, am meisten Geld gibt die Stadt derzeit für Sozialleistungen wie Hilfe für behinderte Menschen, zur Pflege und zum Lebensunterhalt aus. Der Bund hat sich bereit erklärt, diese Kosten für die Grundsicherung zu 100 Prozent zu übernehmen, außerdem zu einem Drittel die Kosten zur Eingliederung behinderter Menschen. Das tut er nicht. Dabei wäre das die zentrale Entlastung des Haushalts.
16vor: Was glauben Sie, wie viel Prozent der Wähler stimmen am Sonntag für Sie?
Konrad: Genug, um in die Stichwahl zu kommen.
16vor: Gegen wen?
Konrad: (lacht) Das sieht man dann.
von Gianna Niewel