„Ich bin kein Komiker“

Im Grabe umdrehen wird sich Theo Lingen wegen der Trierer Inszenierung von "Theo Lingen - Komiker aus Versehen" nicht. Die Revue über das Leben des Schauspielers ist gelungen. Foto: Christian JörickeEinem breiten Publikum ist Theo Lingen mit seiner näselnden Stimme und seinem steifen Auftreten aus „Tanten“- und „Lümmel“-Filmen Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre bekannt. Dass der Schauspieler aber auch in ernsten Rollen wie Macheath in der „Dreigroschenoper“ und in Fritz Langs Krimiklassikern „M“ und „Das Testament des Dr. Mabuse“ glänzte, gehört schon zum Theaterkenner- und Cineastenwissen. Wie Lingen mit dem Image als Komiker umging, ist ein Schwerpunkt der Revue „Theo Lingen – Komiker aus Versehen“, die vor wenigen Tagen im Studio des Theaters Premiere feierte.

TRIER. Der Titel verrät schon alles: „Theo Lingen – Komiker aus Versehen“ – Lingen hatte sich offensichtlich nicht bewusst für diese Richtung entschieden. Schon sein Weg in die Schauspielerei war eher zufällig und hatte materielle Gründe. Bei Proben zu einer Schulaufführung wurde er entdeckt und 1922 „für Blutwurst und Butter“ am Residenztheater Hannover verpflichtet. „Es war also eine Bauchentscheidung“, stellt der junge Theo – gespielt vom schelmischen Matthias Stockinger – fest.

Schon in der vorgelesenen, biografischen Einführung von Michael Ophelders, der im Anschluss unter anderem den älteren Lingen verkörpert, wird die Diskrepanz zwischen den Rollen, mit denen der gebürtige Hannoveraner berühmt wurde, und dem Privatmann betont. „Ist Ihr Mann im Leben auch so komisch wie im Film?“, wurde seine Ehefrau Mariane Zoff in einem Interview gefragt, die darauf antwortete: „Er war so pedantisch und gewissenhaft, dass es nicht einmal ein Vergnügen war, mit ihm zu drehen.“

Mit Schlagern wie „Der Theodor im Fußballtor“ und „Bel Ami“ und auf Lingen getextete Songs vom ehemaligen Schauspielkollegen Ilja Richter sowie überspitzten Szenen bedeutender Stationen in dessen Karriere wird im Schnelldurchlauf – das ganze Stück dauert nur 75 Minuten – das Leben des Schauspielers erzählt. Am meisten Zeit nimmt man sich für die 20er und 30er Jahre.

Staubwedel unter der Nase - man ahnt, was gleich passieren muss. Für den jungen Theo Lingen (Matthias Stockinger) der Beginn einer Karriere als Komiker. Foto: Marco Piecuch/Theater TrierAn fünf Häusern war er bereits, ehe Lingen 1929 am Frankfurter Neuen Theater die Hauptrolle in der „Dreigroschenoper“ bekam. Zuvor hatte er dem Direktor Arthur Hellmer sein Leid über mangelnde Aufgaben geklagt. Durch den Erfolg als Macheath wurde er in Berlin für dieselbe Rolle engagiert. Ein Happy End mit 25 Jahren? Nicht ganz.

Im Jahr zuvor hatte er Marianne geheiratet, „die Liebe seines Lebens“. Die österreichische Schauspielerin und Opernsängerin war die erste Frau Bertold Brechts, mit dem sie ein gemeinsames Kind hatte. Lingens Popularität bei den Nazis – vor allem bei Joseph Goebbels (beängstigend gespielt von Sabine Brandauer) – wegen seiner nun überwiegend komischen Rollen (die Hälfte seiner über 200 Filme drehte er während der NS-Herrschaft) bewahrte nicht nur die nach damaligen Rassengesetzen als Halbjüdin geltende Frau vor der Verfolgung.

Für Propaganda-Filme ließ sich Lingen nicht einspannen – leicht ist ihm dieser Spagat aber nicht gefallen, und er haderte lange damit, das Land zu verlassen. Ende der 40er ging er nach Wien ans Burgtheater, wo er wieder Charakterrollen spielte. Vieles, was danach kam, vor allem die von ihm als „Limonadenfilme“ bezeichneten Klamotten, seien „nicht der Rede wert“ gewesen. Des Geldes wegen habe er in diesen Klamotten mitgewirkt.

„Waren Sie gerne Komiker?“, wurde Lingen im Alter einmal gefragt. „So lange ich keiner sein musste“, anwortete er darauf. Zuvor wurde er noch deutlicher, was diese Klassifizierung anging. „Ich bin kein Komiker.“

Seine Beliebheit bei den von ihm verachteten Nazis nutzte Theo Lingen (Michael Ophelders), um seine Familie und andere vor deren Verfolgung zu schützen. Foto: Marco Piecuch/Theater TrierDass die flotte Inszenierung von Werner Tritzschler als kurzweilig und gelungen bezeichnet werden kann, liegt am guten Zusammenspiel der vier Darsteller untereinander und mit dem sympathischen Pianisten Piotr Kaczmarczyk. Zwar haben Matthias Stockinger und Michael Ophelders bis auf den Mittelscheitel optisch nur wenig mit dem jungen und dem alten Theo Lingen gemein, mit ihrem vielschichtigen Spiel bemühen sie sich jedoch, einer authentischen Darstellung der Persönlichkeit des Schauspielers gerecht zu werden. Der Zuschauer bekommt ein Bild Lingens vermittelt, das nicht viel mit dem steifen, aber milden Oberstudiendirektor Dr. Gottlieb Taft der „Die Lümmel von der ersten Bank“-Reihe zu tun hat beziehungsweise weit darüber hinausgeht. Genäselt hat er auch nur in diesen Filmen.

Für die Komik in dem Theaterportrait sorgt vor allem Christian Miedreich. Mit ihm verfügt das Trierer Theater über ein komödiantisches Juwel. Seine Darstellung von Hellmer, Hitler und Gründgens sind einfach göttlich. Eigenarten der Persönlichkeiten parodiert Miedreich gestisch, mimisch und sprachlich derart differenziert, dass es nur so eine Art hat. Wären seine drei Kollegen nicht ebenfalls so überzeugend, würde er ihnen glatt die Schau stehlen.

Weitere Aufführungen im Oktober: Donnerstag, 24. Oktober, und Samstag, 26. Oktober, jeweils um 20 Uhr im Studio.

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