„Ich bin hier die Mutti“

Mit 63 Jahren noch Bundesfreiwilligendienst leisten? Im Alter erst recht, meint Zunilda Hüster und engagiert sich bei der Johanniter-Unfall-Hilfe in Trier. 16vor sprach mit der gebürtigen Südamerikanerin über Schicksalsschläge, soziales Engagement und ihren Glauben an Gott. Ein Portrait einer starken Frau, die viel zu geben hat.

TRIER. Zunilda Hüster spricht viel und gern über Jesus. Ein wenig erzählt sie von ihrer Kindheit in Paraguay, wo man viel herzlicher mit seinen Nachbarn umgehe als hierzulande. Oder von ihrem geplatzten Mädchentraum, Medizin zu studieren, um den Menschen in Afrika zu helfen. Aber dann auch gleich wieder von Jesus. „Unser Herr, Jesus Christus“, sagt sie dann und spricht den Namen dabei jedes Mal englisch aus, „sagt es uns doch: Geben ist seliger als Nehmen“. Es ist halb zehn Uhr morgens und der Einsatzwagen der Johanniter-Unfall-Hilfe ist gerade von seiner morgendlichen Fahrt durch Trier in die Dienststelle an der Loebstraße zurückgekehrt.

Wie jeden Morgen war auch Hüster dabei. Keine 1,50 Meter ist die gebürtige Südamerikanerin groß – eine zierliche Frau mit Kurzhaarschnitt. Doch das vergisst man leicht, wenn sie ihre zahlreichen Lebensweisheiten zum Besten gibt: „Ich sage immer: Die Dinge, die wir geben, sind die einzigen, die wirklich uns gehören.“

Zunilda Hüster gibt. Die 63-Jährige leistet seit April dieses Jahres, ein Jahr vor ihrer Pension, Bundesfreiwilligendienst bei der Johanniter-Unfall-Hilfe in Trier. Jeden Morgen steht sie um sieben Uhr bereit, um den Fahrdienst zu begleiten, der Menschen mit Behinderung aus der Region Trier zur Tagesförderstätte der Lebenshilfe in der Innenstadt bringt. Zwei Stunden dauert die Tour, die sie morgens und nachmittags begleitet. „Ich sorge dafür, dass sich alle im Bus wohlfühlen und helfe mit, damit wir sicher ankommen“, beschreibt sie ihr Aufgabenfeld. Ihre Augen leuchten auf, wenn sie von ihrer Arbeit spricht. Immer wieder schwärmt sie in höchsten Tönen von ihren Kollegen, die ihr alle so ans Herz gewachsen seien. Ihre pflegebedürftigen Schützlinge im Einsatzwagen nennt sie nur liebevoll „unsere Kinder“. „Hier bei den Johannitern fühle ich mich wohl“, resümiert Hüster glücklich, „hier habe ich eine Familie gefunden.“

Vor einem Jahr startete der BFD mit der schwierigen Aufgabe, die Lücke zu schließen, die der abgesetzte Zivildienst hinterließ. 30.000 Freiwillige engagieren sich derzeit bundesweit im sozialen Bereich, im Umweltschutz oder in der Kultur, im Sport und in der Integration. Eine Altersgrenze nach oben gibt es beim BFD nicht. Laut Familienministerin Kristina Schröder zeigen die Zahlen, „dass es generationsübergreifend eine hohe Bereitschaft zum Engagement in unserer Gesellschaft gibt“. Doch tatsächlich sind Frauen wie Zunilda Hüster die Ausnahme. 863 der BFDler in Rheinland-Pfalz sind unter 27 Jahre alt. Lediglich 68 Freiwillige sind 51 Jahre und älter, zehn davon sind über 65. Das sind Zahlen, die sich auch bei den Johannitern in Trier widerspiegeln. „Die anderen Freiwilligen sind im Schnitt erst 19“, erklärt Daniel Bialas, Leiter der Sozialen Dienste der Johanniter in Trier. „Zumeist stehen sie, wie zuvor die Zivildienstleistenden, zwischen Schulabschluss und Ausbildung oder Studium.“

Sie sei eben die Mutti hier, erklärt Hüster nicht ohne Stolz. In dieser Rolle fühlt sich die zweifache Mutter sichtlich wohl. „Wir älteren Frauen haben unsere Arbeit zu Hause getan, die Kinder sind aus dem Haus.“ Sie gestikuliert dabei wild, stets besorgt, man könnte ihr leicht gebrochenes Deutsch nicht verstehen. Diese Lebenserfahrung wolle sie nun weitergeben und zwar dort, wo sie wirklich gebraucht werde. Es sei ihr einfach ein Bedürfnis, sagt sie. Den Drang, Menschen zu helfen, hat die strenggläubige Christin schon ihr ganzes Leben lang verspürt. Nach dem Abitur studierte sie in ihrer Heimat Paraguay Medizin. Sie wollte als Ärztin nach Afrika gehen. „Aber es ist anders gekommen“: An der Universität lernte sie ihren Ehemann kennen, einen Trierer, mit dem sie 1982 nach Deutschland kam.

Vor ihrem freiwilligen Einsatz war Zunilda Hüster lange Zeit schwer krank. Sie musste ihren Beruf als Spanisch-Lehrerin aufgeben, als bei ihr Krebs diagnostiziert wurde. Fünf Jahre dauerte es, bis sie vollständig genesen war. Ihren unerschütterlichen Optimismus und ihren Glauben an Gott hat die sympathische Frau dabei nie verloren. Sie sagt, es sei „nicht ihre Krankheit“ gewesen, es sei alles eine Frage der Einstellung, und wir würden doch alle von einer höheren Macht geleitet. Das kann man natürlich auch anders sehen. Aber schließlich hilft ihr der Glauben – auch, um anderen zu helfen.

Ein Jahr dauert ihr Bundesfreiwilligendienst bei den Johannitern. Sie spiele schon mit dem Gedanken, noch ein Jahr dran zu hängen, verrät Hüster und lächelt dabei vor Vorfreude.

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