Hunderte Trierer Schüler steigen aufs Rad

Viel hätte nicht gefehlt, und die Europäische Woche der Mobilität 2012 wäre spurlos an Trier vorbeigezogen. Im Rathaus hatte man anders als in den Vorjahren auf eine eigene Aktion verzichtet, um so einen kleinen Beitrag zur Konsolidierung des Haushalts zu leisten, wie es heißt. Statt Politik und Verwaltung setzten am Mittwoch rund 500 Schüler von AVG und MPG ein deutliches Zeichen für eine klimaschonende, gesunde und kostengünstige Form der Fortbewegung – mit der wohl größten Fahrraddemonstration, die Trier bislang erlebt hat. Für viele Teilnehmer war es das erste Mal, dass sie mit dem Velo zur Schule fuhren, andere wissen die Vorzüge des Radfahrens schon länger zu schätzen. Bürgermeisterin Angelika Birk appellierte an Väter und Mütter, ihre Kinder nicht mit dem Auto bis vor die Schultür zu chauffieren: Auf dem Velo bekomme man von der Welt mehr mit, warb die Grüne.

TRIER. Um kurz nach Acht füllt sich der Parkplatz gegenüber der Abtei St. Matthias mit Dutzenden Fahrrädern. Immer mehr Jugendliche fahren mit ihrem Velo vor, auch Killian Pütz und Julian Schatz sind schon eingetroffen. Während der eine das unmotorisierte Zweirad bereits seit Jahren für seinen täglichen Weg zur Schule nutzt, nimmt der andere den Bus. Der Weg sei kürzer, zudem sei er auch schneller am Ziel, als mit dem Bus, schwärmt Killian Pütz von den Vorteilen des Radfahrens und fügt hinzu: „Außerdem bekommen wir die Busfahrkarte nicht bezahlt“. Dass sich seine tägliche Radtour zur Schule in vielerlei Hinsicht bezahlt macht, davon ist Pütz überzeugt. Vom Bildstock am Südbad führt seine Route über Heiligkreuz und Ostallee zum MPG, wo er die neunte Klasse besucht.

Schüler wie Killian Pütz sind ganz nach dem Geschmack von Matthias Stahl. Der Diplom-Geograph arbeitet für das Trierer Büro für Mobilitätsberatung und Moderation. Stahl hat sich in seiner Diplomarbeit mit dem Mobilitätsverhalten der Schüler an Auguste-Viktoria- und Max-Planck-Gymnasium auseinandergesetzt. Titel seiner Arbeit: „Nachhaltige Mobilität macht Schule! – Schulisches Mobilitätsmanagement als Strategie zur Förderung des bewussten Umgangs mit Mobilität – dargestellt am Beispiel des AVG und des MPG Trier“.  Schon seit 2010 sind beide Schulen im Bereich des schulischen Mobilitätsmanagements aktiv. Mit ihrem Konzept beteiligten sie sich am bundesweiten Aktionsprogramm „effizient-mobil“ und wurden prompt ausgezeichnet. Nun sind sie mit Unterstützung der Stiftung „Partner für Schulen in Trier und im Landkreis Trier-Saarburg“ der Sparkasse dabei, die im Konzept skizzierten Maßnahmen in einem neuen Projekt umzusetzen. Die Fahrradsternfahrt vom Mittwoch sollte ein erster Auftakt dieses Projekts werden.

Ein viel versprechender Auftakt war es allemal. „Trier hat in 2000 Jahren noch nie so viel Radlerinnen und Radler auf gemeinsamer Fahrt gesehen“, frohlockte Johannes Hill, der städtische Umweltberater.  Und nicht nur überzeugte Radfahrer beteiligten sich, sondern auch Schüler wie Julian Schatz. Zwar tritt der 14-Jährige ebenfalls gerne in die Pedale, doch wohnt er im Stadtteil Mariahof. Sein Schulweg verspricht eine schöne Abfahrt, doch „dann muss ich ja wieder hinauf“, bedauert Schatz. Die Bergetappe will er sich nicht zumuten, deshalb nimmt er den Bus. Doch mit Freunden ist er häufig auf zwei Rädern unterwegs im Stadtteil und auch im nahe gelegenen Mattheiser Wald. Tiffany Devone aus Feyen zählt ebenfalls noch nicht zu jenen, die ihren Weg zur Schule auf dem Velo zurücklegen. Am Mittwoch jedoch nutzte die AVG-Schülerin die Sternfahrt, um diese Option zu testen. Vielleicht folgt sie bald dem Beispiel von Katharina Willems, die jeden Tag zur Schule radelt: „Es macht einfach Spaß und ich habe frische Luft, nicht so wie im stickigen Bus“, berichtet die 12-Jährige.

Armin Huber und Bernhard Hügle zeigten sich begeistert von der Resonanz, und eines ist den Leitern und Lehrern der beiden Schulen und ihrem Berater Stahl am Mittwoch schon gelungen – sie haben die wohl größte Fahrraddemo auf die Beine gestellt, die Trier bislang erlebt hat. Von der Abtei in Trier-Süd und dem Verteilerkreis Nord machten sich zwei Konvois mit ingesamt rund 500 Radlern in Richtung AVG und MPG auf. Zuvor hatte man sich an mehreren Sammelpunkten getroffen und war gemeinsam zum Ausgangspunkt der Konvois geradelt. Rund 2.500 Kilometer hätten die Schüler sowie zahlreiche Lehrer und auch einige Eltern damit schon am Morgen zurückgelegt, bezifferte Huber, der zugleich forderte, dass das Signal in Rat und Verwaltung wahrgenommen werde. So müsse  die Stadt etwas unternehmen, um die Verkehrssituation rund um die Schulen zu entspannen. In diese Forderung stimmte auch Hügle ein: Man verlange im Schulumfeld bessere Bedingungen für Radfahrer, aber auch für Fußgänger. Doch der AVG-Leiter sieht auch die Mütter und Väter in der Verantwortung: In den vergangenen Jahren habe der „Schülerbringverkehr“ deutlich zugenommen, wobei die Sperrung der Flandernstraße für den Autoverkehr die Situation unmittelbar an der Schule etwas entspannt habe.

Stichwort „Elterntaxis“: Hier wollen alle Beteiligten ansetzen. Jutta Albrecht, Vorsitzende des MPG-Schulelternbeirats, nannte es ein „Ding der Unmöglichkeit“, dass Eltern ihre Kinder bis vor die Schultüre kutschierten – „das erzieht zur Unselbstständigkeit“, ist sie überzeugt. Bürgermeisterin Angelika Birk (B90/Die Grünen) erklärte an die Adresse der Schüler, dass es „ja schön bequem“ sei, von den Eltern chauffiert zu werden, „aber man bekommt nichts mit von der Welt“. Birk ermutigte die Jugendlichen deshalb, häufiger das Rad zu nutzen. Das würden viele auch tun, hat Matthias Stahl im Rahmen einer Befragung für seine Diplomarbeit ermittelt, doch wünschten sich die Schüler, dass Triers Radwege attraktiver und sicherer werden – und hier besteht bekanntlich noch einiger Nachholbedarf.

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