„Hier schlägt das Herz Europas“

Fast auf den Tag genau vor einem Jahr beendete Annegret Kramp-Karrenbauer Knall auf Fall die Saarbrücker Jamaika-Koalition. Wenige Monate im Amt, war ihre Geduld mit der FDP am Ende. AKK, wie sie ihres nicht ganz leicht auszusprechenden Namens wegen auch genannt wird, setzte sich in Neuwahlen durch und hat nun Angela Merkel etwas voraus: Anders als die Kanzlerin saß sie außer mit SPD und FDP auch schon mit den Grünen an einem Kabinettstisch. Am Dienstagabend sprach Deutschlands jüngste Regierungschefin auf dem Neujahrsempfang der CDU Trier und Trier-Saarburg. Als leidenschaftliche Europäerin trat sie auf, und als Vertreterin des linken Parteiflügels. Das kam an bei Triers Christdemokraten, die sich bestens aufgestellt sehen für Bundestags- und Landratswahl. „Bernhard, du bist unser Kandidat“, erklärte CDU-Kreischef Arnold Schmitt an die Adresse Kaster. Der kündigte für den Politischen Aschermittwoch einen hochkarätigen Gast aus Berlin an.

TRIER. Annegret Kramp-Karrenbauer ist der Star des Abends, doch Allüren sind ihr fremd. Fast unscheinbar wirkt sie, ohne viel Aufhebens zu machen betritt sie den Saal des schmucken Schweicher Bürgerzentrums. Man könnte die zierliche Frau beinahe übersehen, wie sie – eskortiert von den lokalen CDU-Kreischefs Arnold Schmitt und Bernhard Kaster – in den Raum kommt. An Kramp-Karrenbauers Körpergröße allein kann es nicht liegen, da überragen ihre Vorgänger Oskar Lafontaine und Peter Müller sie nur um wenige Zentimeter, wenn überhaupt. Vielmehr zählt sie zu jener Sorte Politikerinnen, die mehr durch ihre unprätentiöse Art denn als Volkstribunen auffallen – und gerade deshalb von vielen Menschen geschätzt werden.

Vor etwas mehr als einem Jahr nahm außerhalb der Grenzen des Saarlands kaum jemand Notiz von der kurzzeitigen Wahl-Triererin. Immerhin ein Semester ihres Studiums an der hiesigen Universität habe sie in Ehrang gewohnt, berichtete sie am Dienstagabend den mehr als 300 Besuchern des CDU-Neujahrsempfangs. Das war selbst für Triers obersten Christdemokraten eine Neuigkeit. Sie solle dem Ehranger Ortsvorsteher Günther Merzkirch doch bitte ihre damalige Anschrift durchgeben, damit man an der Fassade des Hauses eine Plakette anbringen könne, scherzte Bernhard Kaster.

Traditionell richten die Christdemokraten aus Stadt und Landkreis ihren Neujahrsempfang gemeinsam aus. Dieses Mal traf man sich in Schweich, dessen Verbandsgemeinde-Bürgermeisterin Christiane Horsch aus gesundheitlichen Gründen verhindert war. Horsch, die einst Wirtschaftsdezernentin war, wird immer mal wieder genannt, wenn es um potenzielle Kandidaten für die im nächsten Jahr anstehende Trierer OB-Wahl geht. Diese Wahl spielte in den offiziellen Reden in Schweich indes noch keine Rolle, stehen doch in diesem Jahr zwei Urnengänge an, die für die Christdemokraten von größter Bedeutung sind: Mit Bernhard Kaster und Günther Schartz müssen sich 2013 die beiden letzten verbliebenen CDU-Größen in Stadt und Kreis dem Wählervotum stellen. Eventuell sogar am selben Tag, wenn die Landratswahl mit dem Termin für die Bundestagswahl zusammengelegt werden sollte. Dafür spräche einiges, auch aus Sicht der Union. Denn die könnte wohl auf Berliner Rückenwind zählen.

Doch allein auf die politische Großwetterlage will man sich nicht verlassen, wie Schmitt in seiner etwas lang geratenen Rede zum Auftakt des Empfangs deutlich machte. Der Landtagsabgeordnete stimmte auf den Wahlkampf ein. „Die CDU ist die treibende Kraft in der Region“, rief er selbstbewusst in den Saal, das gälte von der Energie- bis zur Verkehrspolitik. Schmitt kündigte eine Unterschriftenaktion an, so wolle man den Druck auf die rot-grüne Landesregierung in Sachen West- und Nordumfahrung erhöhen. Nachdem eine Online-Petition zum selben Thema in Mainz folgenlos verhallte, sollen es nun Unterschriftenlisten richten – „dann werden wir mal sehen, wie wichtig der neuen Ministerpräsidentin aus Trier Bürgerbeteiligung ist“. Mit dem Hinweis, die beiden Großprojekte seien im rot-grünen Koalitionsvertrag nicht vorgesehen, werde man sich nicht mehr abspeisen lassen. „Wir sind eine starke Mannschaft“, gab sich der CDU-Kreischef kämpferisch, Kaster und der wegen eines Termins in Mainz verhinderte Schartz seien „Leuchttürme der Region“.

Im Saarland hat man es mehr mit Fördertürmen. Dass Kramp-Karrenbauer noch vor ihrem offiziellen Neujahrsempfang als Ministerpräsidentin nach Schweich kam, verstanden manche im Saal als Auszeichnung. Dabei verschlägt es einige ihrer bedeutenden Bundeslandsmänner regelmäßig in die Kleinstadt. Denn der ehemalige Regierungschef und heutige Verfassungsrichter Peter Müller sowie weitere Unionsleute sind Besitzer eines Schweicher Weinbergs. Wie es dazu kam? Als Kurt Beck sich einmal für eine Fusion des Saarlandes mit Rheinland-Pfalz ausgesprochen und dabei deutlich gemacht habe, dass die Landeshauptstadt dann in Mainz verbleiben müsse, hätten sich Müller und ein paar Freunde entschlossen, „Rheinland-Pfalz Stück für Stück aufzukaufen“, berichtete Kramp-Karrenbauer. Der Weinberg sei auch eine Antwort auf die Versuche des größeren Nachbarn, die Selbstständigkeit des Saarlands infrage zu stellen, erklärte sie zur Erheiterung ihrer Zuhörer.

Wer nun erwartet hatte, die Ministerpräsidentin würde ein Loblied auf die deutsche Kleinstaaterei singen, wurde indes enttäuscht. Vielmehr geriet ihre Rede zu einem leidenschaftlichen Plädoyer für die Zusammenarbeit über Grenzen hinweg. AKK erinnerte an die Gräfin von Saarbrücken, Elisabeth von Lothringen, ebenso, wie an Robert Schuman, den in Luxemburg geborenen späteren französischen Außenminister und Vater der „Montanunion“. Seit Jahrhunderten sei die Großregion das „Herzstück Europas“, und es sei auch kein Zufall, dass gerade aus diesem Teil des Kontinents bedeutende Europäer kamen. Sie verwies auch auf den einzigen noch lebenden Ehrenbürger Europas, Helmut Kohl. Es führe nicht weiter, „wenn das Saarland nur für sich alleine kämpft, oder die Region Trier, oder die Pfalz“, warnte Kramp-Karrenbauer. Gerade bei Infrastruktur-Projekten müsse man noch enger zusammenarbeiten und geschlossen auf den höheren politischen Ebenen auftreten. Denn „hier schlägt das Herz Europas!“

Die saarländische Ministerpräsidentin erklärte, sie komme sich manchmal vor „wie in einem westlichen Zonenrandgebiet“. Es könne nicht sein, dass man mit der Bahn von Saarbrücken nach Paris kaum zwei Stunden unterwegs sei, mit dem Zug über Trier aber mehr als drei Stunden benötige, beklagte sie. In Trier allerdings wäre man schon froh, wenn überhaupt noch ein Hochgeschwindigkeitszug hier hielte. Die Anbindung an das Schienennetz sei „klassische Ansiedlungspolitik“, bedeutende Firmen und Institutionen achteten sehr genau darauf, wie die Bahnverbindungen zu einem Standort seien. Dass man bei derartigen Themen über Regionen und Länder hinaus denken müsse, habe sich auch beim Thema Moselschleusen bewährt. Bekanntlich hatte das Bundesverkehrsministerium den schon begonnenen Ausbau der Schleuse Trier auf Eis gelegt. Die Folge war massiver Protest über Parteigrenzen hinweg, auch die eigenen Leute setzten den Minister unter Druck. AKK lobte die Zusammenarbeit mit Kaster, „durch eine intensive Bearbeitung des Kollegen Ramsauer“ sei es gelungen, dass die Moselschleuse Trier nun doch weitergebaut wird.

Einmal mehr präsentierte sich die Saarländerin auch als soziales Gewissen der CDU. Gerade „wir als christliche Demokraten dürfen nicht die Augen davor verschließen, dass es Menschen gibt, denen es noch nicht gut geht, nur weil es der Wirtschaft besser geht“. Dass es inzwischen Fleisch verarbeitende Betriebe gebe, in denen 80 Prozent der Mitarbeiter nicht angestellt, sondern als Scheinselbstständige tätig seien, sei eine Fehlentwicklung. Kramp-Karrenbauer verteidigte das Modell fester Lohnuntergrenzen, die nach den Vorstellungen der Union von einer Kommission aus Arbeitnehmern und Arbeitgebern festgelegt werden sollten. Wenn die Tarifpartner keine Lösung fänden, sei dies der einzig gangbare Weg. Zugleich plädierte die Ministerpräsidentin für die Einhaltung der Schuldengrenze. Gegen Ende ihrer Rede wurde AKK dann noch sehr grundsätzlich: Es solle ihr niemand kommen und behaupten, die Menschen würden Wahrheiten nicht vertragen. „Die Wähler wollen, dass wir ihnen reinen Wein einschenken“, so habe sie es auch vor der Neuwahl des saarländischen Landtags gehalten.

Kaster gab sich unterdessen mit Blick auf Bundestags- und Landratswahl optimistisch: „Auf unsere Kanzlerin und die CDU wird ganz Europa schauen“, und mit Günther Schartz habe man an der Spitze des Landkreises den richtigen Mann. Wobei es ein offenes Geheimnis ist, dass Schartz Ambitionen für höhere Ämter hegt. Im Schattenkabinett von Julia Klöckner für die Landtagswahl 2011 deckte er die Bereiche „Kommunale Entwicklung, Ländlicher Raum, Verkehr und Europa“ ab, doch der nächste Landtag wird erst 2016 gewählt. Kaster jedenfalls machte deutlich, dass er seine Rolle dauerhaft in Berlin sieht, auch wenn er den politischen Gegner am Dienstagabend weitgehend schonte. Er finde es „allerdings bemerkenswert, mit welchen Problemen sich eine Arbeiterpartei, die Partei eines August Bebel und Kurt Schumacher, gerade herumschlagen musste“, kommentierte er den sehr suboptimalen Start des SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück. Am Politischen Aschermittwoch wird Kaster auch in diesem Jahr wieder auf prominente Unterstützung zählen können. Nach Wolfgang Schäuble im vergangenen hat sich für dieses Jahr Bundesumweltminister Peter Altmaier angesagt. Mit den Saarländern hat die Trierer CDU es offenbar.

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