„Hatte Zeit, mich mental darauf vorzubereiten“

Der Jazzclub „Eurocore“ steht wie kaum ein anderer Trierer Verein für die Kooperation mit Künstlern aus der Großregion. Dies wird spätestens im vollständigen Namen deutlich: Jazzclub EuroCore im Saar-Lor-Lux-Trier Musik e.V. 1999 wurde der Verein gegründet, der sich durch seine europäische Ausrichtung und seine mit Spitzenmusikern besetzten Workshops schnell profilierte und etablierte. Allerdings war dessen 1. Vorsitzender Thomas Schmitt – wie seine Mitstreiter Günter Freber und Ehefrau Brigitte Flügel-Schmitt – auch schon bekannt in der Trierer Jazzszene. Seit bereits über drei Jahrzehnten organisiert er Konzerte. Damit wird jedoch Ende des Jahres Schluss sein. Die Mitglieder des Jazzclubs haben in der Jahreshauptversammlung am vergangenen Dienstag die Auflösung des Vereins beschlossen. Es fand sich niemand für die Nachfolge des Vorstands, der nicht mehr zur Wiederwahl zur Verfügung stand. 16vor sprach mit Thomas Schmitt über diese einschneidende Veränderung in der hiesigen Kulturlandschaft.

16vor: War das Ergebnis der Jahreshauptversammlung für Sie überraschend?

Thomas Schmitt: Nein, denn es hat sich schon in den Jahren vorher und den vielen Wochen der Entscheidung des Vorstands, zurücktreten zu wollen, gezeigt, dass wir aller Voraussicht nach niemanden finden würden, der diese Arbeit übernehmen möchte.

16vor: Wie haben Sie sich gefühlt, als feststand, dass der Jazzclub in wenigen Monaten Geschichte sein wird?

Schmitt: Ich hatte ja Zeit, mich „mental“ darauf vorzubereiten. Aber in den letzten Wochen habe ich doch häufiger als sonst an Personen und Ereignisse in der Vergangenheit denken müssen.

16vor: Sie waren in den vergangenen 14 Jahren die zumindest nach außen hin prägende Figur des Vereins. Hat das vielleicht potenzielle Nachfolger davon abgehalten, mehr Verantwortung zu übernehmen?

Schmitt: Das glaube ich nicht. Die Crux ist, dass unser Konzept darauf ausgerichtet ist, selbst gute Musik hören zu wollen, und die Kooperation in Saar-Lor-Lux-Trier und weit darüber hinaus zu fördern. Quelle der Motivation zur Vereinsarbeit sollte nicht sein, selbst spielen zu wollen und zu dürfen. Ich glaube nicht, dass ich jemals jemanden davon abgehalten habe, zu arbeiten und Verantwortung zu übernehmen.

Richtig ist, dass mein Demokratieverständnis abweicht von der Vorstellung, jemand zahlt ein paar Euro Monatsbeitrag, arbeitet nichts, will aber „demokratisch“ bestimmen, wo es langzugehen hat. Wer arbeitet und Verantwortung übernimmt, darf auch mitbestimmen. Die juristisch begründeten Formen der Mitbestimmung in einer Mitgliederversammlung würde ich nur so lange mitmachen, wie ich das Ergebnis vor meinen Überzeugungen verantworten kann.

16vor: An aktivem Nachwuchs mangelt es der Trierer Jazzszene nicht. Warum ist es offensichtlich schwierig, jemanden davon für die Vereinsarbeit zu gewinnen?

Schmitt: Das müssen Sie den Jazz-Club Trier e.V. fragen, denn der bietet ja die Motivation zur Vereinsarbeit. Dass jemand, der beim Orga-Kram hilft, wohl auch die besseren Karten haben sollte, wenn es darum geht, wer wann für den Verein auftreten kann. Ein Jazzclub bietet ja die nicht zu unterschätzende Möglichkeit eines Podiums.

16vor: Sie haben 35 Jahre lang Jazzkonzerte mit unterschiedlichen Schwerpunkten veranstaltet. Was macht Sie besonders stolz: Die Anzahl der Konzerte oder ein bestimmtes Projekt?

Schmitt: Stolz ist das falsche Wort. Ich bin sehr froh darüber, dass es uns gemeinsam gelungen ist, hohe handwerkliche, konzeptionelle und künstlerische Standards auf unterschiedlichen Ebenen in den Mittelpunkt unserer Arbeit zu stellen. Wir „bereuen“ nicht ein einziges Konzert.

16vor: Welche Ihrer über 1000 Veranstaltungen oder Begegnungen dabei sind besonders hängengeblieben?

Schmitt: Da gibt es ganz, ganz viele – aber eine schöne Geschichte ist immer die von Joe Zawinul und dem weißen Slibovitz, den wir gemeinsam getrunken haben. An diesem Konzertabend hat sich meine These bestätigt: Große Persönlichkeiten sind meist super Typen und machen auch fantastische Musik. Wir haben an diesem Abend besonders viel Spaß gehabt, gelacht und großartige Musik gehört. Die ganze Band war toll, aber Joe Zawinul ist nun mal eine Persönlichkeit gewesen, die ganze musikalische Epochen geprägt hat.

16vor: Und was war der enttäuschendste Moment für Sie? Das baldige Ende des Vereins?

Schmitt: Einen solchen einzigen Moment gibt es nicht. Aber wir haben viele, viele Niederlagen erlitten und Fehleinschätzungen begangen. Wenn ich darüber ans Erzählen käme und abwägen wollte, was denn da die persönlich härteste Niederlage war, dann wäre das Bücher füllend.

16vor: Wie werden Sie nach dem letzten Konzert des Vereins Ende des Jahres die freie Zeit nutzen?

Schmitt: Brigitte und ich werden hoffentlich die Zeit finden, gemeinsam das riesige Konzertangebot in unserer Großregion zu genießen – ganz egal welcher musikalischen Gattung. Und das, ohne im Hinterkopf die Kasse klingen zu hören. Beziehungsweise sie leider nicht klingen zu hören, und sich Gedanken machen zu müssen, wie wir das jetzt wieder hinkriegen. Wir wollen mehr reisen, historische Plätze sehen und empfinden, Museen besuchen, lesen, mit Menschen zusammenkommen – solchen, die wir noch gar nicht kennen, und natürlich mit Freunden…

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