Rockmusik für die ganze Familie

Countrymusik ist en vogue in Deutschland. Zumindest das, was man hierzulande für Country hält. Mehr Cowboyhutträger als bei einem Konzert von „Truck Stop“ waren am Samstagabend bei „The BossHoss“ im Amphitheater. 3500 Besucher sorgten für eine volle Arena. Die sieben Cowboy-Imitatoren aus „Berlin, Mississippi“ (so stellten sie sich dem Publikum vor) boten eine ausgezeichnete Show. Ihre Musik ist allerdings ohne Ecken und Kanten – Gute-Laune-Mucke ohne Seele. Der Band geht es vor allem darum, sich gut zu verkaufen. Und das tun „The BossHoss“ in jeder Hinsicht.

TRIER. Boss Burns und Hoss Power verstehen ihr Handwerk. Vor allem das Klappern, das ja sprichwörtlich dazugehört. Sie kleiden sich wie die Söhne texanischer Rinderzüchter (Stetson, gerippte Unterhemden, Schlangenlederstiefel), versuchen, auch so zu reden (auf der Bühne wird nur Parodie-Amerikanisch gesprochen) und gebärden sich außerdem sehr maskulin. Wenn Boss Burns zum Takt der Musik seine Hüfte in Richtung Publikum stößt, blickt so manche Frau ihre Freundin ein bisschen verschämt an. Burns alias Alec Völkel ist ein guter Entertainer, und seine Posen sind so, dass man von jeder einzelnen eine ausdrucksstarke Plastik anfertigen könnte –  ein Fest für Fotografen. Von „The BossHoss“ kann man keine schlechten Bilder machen, zumal auch die Beleuchtung fantastisch ist.

Boss Burns und Hoss Power sind damit bekannt geworden, Hits verschiedener Genres so zu spielen, als säße man in einem Sattel. Auf dem zweiten Album erschienen schon eigene Stücke und auf dem vierten war kein einziger Cover-Song mehr dabei. Zwischen 2005 und 2011 haben die umtriebigen Berliner sechs CDs veröffentlicht. Musikalisch bewegt man sich zwischen Country, Rock ’n‘ Roll und Rockabilly – das Rhythmus-Pferdchen reitet oft im Schritt und ab und zu im Trab. Im Galopp nie.

Im Amphitheater stellen „The BossHoss“, die sich nach einem Song von „The Sonics“ benannt haben, ihr aktuelles Werk „Liberty of Action“ vor. Ziel war es offenbar, damit ein noch breiteres Publikum anzusprechen, denn das Album ist sehr poppig geraten (zum Beispiel das kitschige „The Answer“, die glatte Mainstream-Nummer „I keep on dancing“ und das schnulzige „Still crazy ‚bout Elvis“). Und spätestens hier wird es problematisch.

Mit echter Rockmusik hat das alles nichts zu tun. Darum stehen in den vorderen Reihen auch fast ausschließlich Frauen und am Bühnenrand Dutzende Kinder. „The BossHoss“ machen Gute-Laune-Mucke für die ganze Familie. Ihre Musik hat keine Ecken und Kanten, alles ist auf Verkauf getrimmt. Wenn man fast jedes Jahr ein Album auf den Markt bringt, kann man musikalisch auch keine großen Würfe erwarten.

Was hat die Band schon alles gemacht, um den Kontostand und den Bekanntheitsgrad zu erhöhen: Ein Werbe-Jingle für eine Eismarke aufgenommen („Like Ice in the Sunshine“), einen Soundtrack für die deutsche Komödie „FC Venus“, ein Album mit einem Orchester (normalerweise ein Rettungsring für Musiker, deren vorangegangenen CDs sich nicht mehr so gut verkauft haben) und gemeinsam mit dem Wohnwagen-Trucker Gunter Gabriel eine grauenhafte Cover-Version von David Bowies „Heroes“. Vorläufiger Höhepunkt der eigenen Kommerzialisierung war die Jury-Teilnahme an der Casting-Show „The Voice of Germany“.

„Wir versuchen einfach zu zeigen, dass man eine Casting-Show auch qualitativ hochwertig auf die Beine stellen kann“, versuchte sich Boss Burns in einem Interview für dieses No-Go für ernstzunehmende Musiker zu rechtfertigen. Dann disqualifizierte sich auch noch Hoss Power alias Sascha Vollmer mit folgender Aussage über die anderen Jury-Mitglieder: „Wenn wir uns mit denen nicht hätten auf der Bühne sehen lassen wollen, dann hätten wir trotzdem nicht zugesagt.“ Zu „denen“ gehörten Xavier Naidoo und Nena. Wenn für „The BossHoss“ nichts dabei ist, mit zwei der peinlichsten Persönlichkeiten der Musikszene zusammenzuarbeiten, dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Band auch mal im ZDF-Fernsehgarten auftritt. Ach, dort war sie schon? Was kann dann noch kommen? Ein gemeinsamer Gig mit Scooter? Gastrollen in „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“?

Schauspieltalent haben die Rockmusikerdarsteller von der Spree, die sich in Videos und auf Fotos gerne in alten Ami-Kisten oder auf schweren Choppern zeigen. Ihren Fans bieten sie eine rundum gelungene Show. Zum Beispiel werden nach der ersten Zugabe „Stallion Battalion“ über ein Dutzend Mädchen und Frauen aus dem Publikum gezogen, die dann beim folgenden „Shake and shout“ ebendies auf der Bühne tun dürfen.

Dass Frauen und Kinder Spaß an den Cowboy-Imitatoren haben, kann man nachvollziehen. Und dass „The BossHoss“ am Vorabend ausgerechnet auf der „True Metal Stage“ das Publikum beim Wacken-Open-Air begeisterten, nimmt ebenfalls nicht wunder – auf dem Metal-Festival spielten auch Mambo Kurt und Santiano. Überraschend beim Auftritt in Trier war jedoch die Anwesenheit zweier Mitglieder der „Hells Angels“. Nicht, dass Motorrad-Rocker für einen erlesenen Musikgeschmack bekannt wären, aber Mädchenrock von „BossHoss“?! Sind die beiden schweren Jungs für ihre Freundinnen mitgegangen? Hoffentlich hat sie beim Rein- und Rausgehen kein Bandido gesehen.

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