Grünen-Kandidatenkür mit Beinahe-Blamage

GrüneTrioKleinDie Trierer Grünen wollen ihr Rekordergebnis von 2009 bei der nächsten Kommunalwahl halten oder sogar noch übertreffen. Dieses Wahlziel gab am Samstag die Vorstandssprecherin der Partei aus. Wenige Minuten später wurde Petra Kewes mit fulminantem Ergebnis zur Spitzenkandidatin der Grünen für die am 25. Mai stattfindende Stadtratswahl gewählt. Doch was dann folgte, war ein sich über Stunden hinziehender Reigen von Kampfkandidaturen, in deren Verlauf sich ausgerechnet ein so profiliertes Ratsmitglied wie Anja Reinermann-Matatko nur mit Mühe und Not und nach etlichen Wahlgängen durchsetzen konnte. Gudrun Backes schaffte es erst gar nicht mehr auf einen der aussichtsreichen Plätze, dafür dürfte Ex-Vorstandssprecher Thorsten Kretzer der Einzug in den Stadtrat sicher sein.

TRIER. Im „Café Balduin“ traf man sich, Bürgermeisterin Angelika Birk versorgte Presse und Parteifreunde mit aufgespießten Obst-Stückchen, auf den Tischen stand feines Gebäck, es floss reichlich Kaffee und Tee. Mehr als 40 Parteimitglieder waren trotz des herrlichen Wetters gekommen. Angesichts der knapp 130 Besitzer eines Parteibuchs, die der Trierer Stadtverband aktuell zählt, eine erstaunlich gute Resonanz, die wohl vor allem dem wichtigsten Tagesordnungspunkt der Versammlung geschuldet war – der Aufstellung einer Liste für die Stadtratswahl. Es gehe darum, jene Menschen zu bestimmen, die „da agieren, wo Politik auch spürbar ist“, erklärte die Bundestagsabgeordnete und Versammlungsleiterin Corinna Rüffer. Allerdings erinnerte sie auch an die Bedeutung der am 25. Mai ebenfalls stattfindenden Europawahl: Nicht nur angesichts der Ereignisse in der Ukraine müsse jedem klar sein, wie wichtig das Projekt Europa sei. Deshalb gehe es den Grünen auch „nicht nur darum zu versuchen, die Trierer Politik positiv zu beeinflussen, wie wir das immer getan haben“.

GrüneKretzerKleinSelbstbewusst starten die Grünen in den Wahlkampf, und selbstbewusst war auch die Rede von Vorstandssprecherin Petra Kewes. Wie von 16vor bereits im Vorfeld berichtet, bewarb sich die Betriebswirtin um Platz Eins der Liste. Kewes empfahl sich als „Mensch der Tat“ und legte den Schwerpunkt ihrer Rede auf die Haushaltspolitik. Erneut verteidigte sie die Entscheidung der Grünen, gegen den Beitritt zum Kommunalen Entschuldungsfonds (KEF) zu stimmen. Zugleich betonte sie aber die Notwendigkeit, den städtischen Haushalt zu konsolidieren. Dafür müssten Bund und Land die Kosten für jene Aufgaben übernehmen, die sie an die Kommunen abgegeben hätten, ohne dass diese wirklich Einfluss darauf hatten. Als Wahlziel gab Kewes 17,8 Prozent oder mehr aus. Sie wolle das Rekordergebnis von 2009 halten und am liebsten noch übertreffen. „Ich möchte, dass wir ein starkes Team sind“, erklärte sie unter großem Beifall.

Das mit dem „starken Team“ sollte im Verlauf der Versammlung noch einige Male auf eine harte Probe gestellt werden. Anders als bei Parteien wie SPD und CDU, wo die Besetzung der aussichtsreichen Listenplätze bereits im Vorfeld von den Führungsgremien der Parteien ausbaldowert werden und es eher die Ausnahme ist, dass noch jemand die gesetzten Kandidaten herausfordert, verspricht das Prozedere bei den Grünen erfahrungsgemäß mehr Spannung und Basisdemokratie. Denn die Parteimitglieder haben hier nicht nur die Wahl, ob sie einen gesetzten Bewerber unterstützen oder ihm die Gefolgschaft verweigern, sondern sie nehmen auch tatsächlich Einfluss darauf, wer auf welchem Platz antritt. Weil die Plätze zudem im Wechsel von Frauen und Männern besetzt werden müssen, gestaltet sich das Ganze noch ein Stück weit komplexer als bei der politischen Konkurrenz. Kewes galt als gesetzt, sie musste sich keiner Herausforderin stellen. Die 37 von 39 gültigen Stimmen darf sie dennoch als Vertrauensbeweis für sich verbuchen. Denn Kewes wird ob ihrer ausgleichenden und sachlichen Art in der Partei und auch in anderen Fraktionen geschätzt. Eine große Rednerin ist sie allerdings nicht, und ob sie es vermag, die eigene Anhängerschaft zu mobilisieren, wird sie in den verbleibenden Wochen bis zum Wahltag erst einmal unter Beweis stellen müssen.

Denkzettel für erfahrene Ratsmitglieder

GrüneWendlerKleinKaum war Kewes gewählt, folgte die erste Kampfkandidatur: Thorsten Kretzer sollte auf Platz 2 starten, doch hatte – nach eigener Darstellung ziemlich spontan –  zwischenzeitlich auch Dominik Heinrich sein Interesse an dieser Position entdeckt. Heinrich ist Triers einziger Ortsvorsteher mit Grünen-Parteibuch, seit zehn Jahren gehört er dem Stadtrat an. Ihm seien die Themen „Transparenz und Bürgerbeteiligung“ besonders wichtig, erklärte der Architekt und kündigte in Richtung Verwaltung und politische Mitbewerber an: „Ich will keine Samthandschuhe anlegen“. Die legte auch Kretzer nicht an. In einer vorbereiteten Rede warf er den anderen Parteien vor, lediglich „Greenwashing“ zu betreiben und es mit Themen wie Ökologie und erneuerbaren Energien nicht ernst zu meinen. Mit Blick auf die Diskussionen um ein mögliches Engagement von ECE in Trier sagte Kretzer, er glaube den anderen Parteien nicht, „dass die lieber den von Inhabern geführten Einzelhandel unterstützen, als ein neues Shoppingcenter“. Kretzer weiter: „Wir wollen jetzt hier und heute nichts anderes als die Welt verändern, und mit Trier fangen wir an“. Solche Töne kamen an bei vielen Grünen, souverän setzte er sich im ersten Wahlgang mit 24 zu 12 Stimmen gegen Heinrich durch. Der wurde wenig später auf Platz 4 gesetzt und erhielt für diese Kandidatur ohne Mitbewerber 36 von 40 gültigen Stimmen.

Für Ratsmitglied Anja Reinermann-Matatko geriet die Versammlung derweil beinahe zu einem Fiasko. Die Spitzenkandidatin von 2009, die maßgeblichen Anteil am seinerzeitigen Rekordergebnis hatte und zweifellos zu den profiliertesten Mitgliedern ihrer Fraktion zählt, konnte aus persönlichen Gründen an dem Treffen nicht teilnehmen. Reinermann-Matatko bewarb sich um Platz 3, doch das tat ihre Fraktionskollegin Christiane Wendler ebenfalls. Wendler entschied das Rennen schließlich für sich, mit 26 zu 14 Stimmen ließ sie Reinermann-Matatko klar hinter sich. Die erklärte daraufhin telefonisch, nun auf Platz 5 anzutreten. Doch jetzt warf Daniela Müller-Kolb ihren Hut in den Ring. Es entwickelte sich ein regelrechter Wahlkrimi, erst im dritten Durchgang schaffte es Reinermann-Matatko, Listenplatz 5 zu ergattern; und das auch nur, weil nun die einfache Mehrheit reichte. Ihr Resultat hätte knapper nicht ausfallen können: für sie stimmten 20 Grüne, für die Mitbewerberin 19, ein Parteimitglied enthielt sich – beinahe wäre die Blamage perfekt gewesen. Ausgerechnet der einzigen wirklichen Expertin auf dem für die Partei so wichtigen Politikfeld Mobilität einen derartigen Denkzettel zu verpassen, ist jedenfalls gewagt.

GrüneMüllerKolbKleinDas Rennen um Platz 6 entschied im zweiten Wahlgang Peter Hoffmann für sich, Vorstandssprecherin Wolf Buchmann zog hier den Kürzeren. Nun versuchte es Daniela Müller-Kolb ein weiteres Mal und sah sich Mitbewerberin Antje Eichler gegenüber. Eichler hatte ihre ursprünglich geplante Kandidatur für Platz 5 kurzfristig zurückgezogen und stattdessen offen für Reinermann-Matako geworben. Goutiert wurden dieser Verzicht und das Werben der gelernten Redakteurin nicht, im Gegenteil: Daniela Müller-Kolb setzte sich im dritten Wahlgang mit 23 zu 15 Stimmen gegen Eichler durch, diese landete am Ende auf dem schier aussichtslosen Listenplatz 17.

Eine Verschnaufpause im Wahlmarathon verschaffte die Kandidatur von Reiner Marz, dem Ex-Landtagsabgeordneten und analytischen Kopf der Grünen. 2009 kehrte er in den Rat zurück und meldete damals auch sein Interesse am Amt des Trierer Bürgermeisters an. Das seinerzeitige Ampelbündnis entschied sich auf Wunsch der Grünen bekanntlich für Angelika Birk und Marz strafte nun all jene Lügen, die fest davon ausgingen, er werde sich über kurz oder lang ohnehin wieder aus der Kommunalpolitik zurückziehen und sein Mandat niederlegen. Jetzt tritt er im Mai erneut an, mit der Unterstützung von 35 Mitgliedern bekam er hierfür klare Rückendeckung. Gemessen an Marz‘ Resultat fiel das von Ratsmitglied Richard Leuckefeld bescheiden aus. Er hatte mit Sascha Colmy allerdings einen Mitbewerber. Am Ende genügten Leuckefeld, der zuletzt vor allem in der ECE-Debatte Profil gezeigt hatte, 22 Stimmen, um auf Platz 10 zu starten. Auf den Plätzen 9 und 11 bewerben sich mit Christa Jessulat und Katja Siebert-Schmitt zwei Neulinge, die dem Rat bislang nicht angehören; Wolf Buchmann schaffte es noch auf Platz 12, Mitbewerber Rainer Landele unterlag hier im zweiten Wahlgang.

GrüneLeuckefeldKleinDie ersten zwölf Plätze werden die Grünen doppelt benennen. Das Kalkül: Da viele Wähler trotz der Möglichkeiten des Kumulierens und Panaschierens lediglich Listen ankreuzen, profitieren die ersten zwölf Kandidaten gleich doppelt. So wird zugleich mit ziemlicher Sicherheit verhindert, dass Kandidaten auf den Plätzen 13 fortfolgende, die mit ihrem Namen zwar ihre Partei unterstützen aber nicht wirklich in den Rat möchten, durch ein gutes Einzelstimmen-Ergebnis doch noch reingewählt werden. Für Bewerberinnen wie Antje Eichler oder auch Ratsmitglied Gudrun Backes, die sich vergeblich um Platz 11 bewarb und nun auf Platz 15 antritt, bedeutet die Doppelbenennung der ersten 12 jedoch, dass sie ihre Hoffnungen auf einen Einzug in den Stadtrat schon jetzt fahren lassen können.

Die weiteren Kandidaten der Grünen in der Reihenfolge ihrer Platzierung: Mareike Lieb, Sascha Colmy, Gudrun Backes, Rainer Landele, Antje Eichler, Sven Dücker, Heidi Weis, Herbert Sandkühler, Birgit Bach, Hartwig Johannsen, Nicole Helbig, Bernhard Hügle, Sarah Barba, Henrik Friedrichsen, Nadine Hoffmann, Matthias Rieger, Alina Klinakis, Haureh Hussein, Inge Köhler, Benedikt Eisenberger, Isabel Lutz, Hans-Peter Kirchen, Claudia Schwickerath, Sören Landmann, Ariane Thal, Axel Reichertz, Monika Schwarz-Hügle, Ulrich Morrissey, Isabelle Marz, Hans-Peter Simon, Uschi Britz, Gerd Dahm, Michaele Kupper, Burkhard Vogel, Karin-Eva Simon, Dr. Jürgen Förster, Wolfgang Kewes, Thomas Reinermann, Michael Kirsch, Ewald Adams, Jérôme Frantz.

Print Friendly, PDF & Email

von

Schreiben Sie einen Leserbrief

Angabe Ihres tatsächlichen Namens erforderlich, sonst wird der Beitrag nicht veröffentlicht!

Bitte beachten Sie unsere Kommentarrichtlinien!

Noch Zeichen.

Bitte erst die Rechenaufgabe lösen! * Time limit is exhausted. Please reload the CAPTCHA.