Großes Interesse an Bobinet-Projekt

Vor Jahrzehnten zählte sie zu den größten Arbeitgebern Triers – die Bobinet im Westen der Stadt. In den kommenden Jahren soll auf dem Gelände der ehemaligen Textilfabrik ein neues Quartier entstehen, wobei die zum Teil schon 1914 errichteten Gebäude als Rahmen für die Entwicklung des Areals dienen werden. Am Samstag lud der Projektentwickler zu einem Baustellenfest, rund 700 Menschen schauten sich auf den Flächen mit dem Hinterhofcharme um. EGP-Chef Jan Eitel ist optimistisch, dass das Konzept, das Wohnen und Arbeiten in einem Viertel verbinden soll, aufgehen wird. Tatsächlich geht sein Unternehmen aber auch ein Risiko ein, denn anders als auf dem Petrisberg oder in Feyen investiert man am Rande eines Stadtteils, der noch nicht zu den angesagten Adressen Triers zählt.

TRIER-WEST. Die Idee ist einigermaßen bizarr, ihre Umsetzung würde wohl etliche Menschen auf die Barrikaden treiben – zu Recht: Die EGP solle doch einigen wenigen lokalen Berühmtheiten und gut vernetzten Trierern ein paar Monate oder Jahre kostenfrei eines der geplanten Lofts überlassen, dann ließen die Käufer nicht mehr lange auf sich warten, schlägt eine Besucherin des Baustellenfests vor. „Das läuft heute so“, pflichtet ihr Ehemann bei. Solche verkaufsfördernden Maßnahmen wird sich die EGP Gesellschaft für urbane Entwicklung mbH nicht leisten können und auch nicht wollen, und überhaupt ist der Chef nicht unzufrieden mit der bisherigen Vermarktung des Projekts. Obschon man noch einige Phantasie mitbringen muss, um sich die künftige Nutzung der einstigen Textilfabrik vorzustellen, wurden laut Jan Eitel schon über 40 Prozent der Wohnlofts von potenziellen Käufern reserviert – „und bei den Gewerbeeinheiten läuft es noch besser“.

Am Samstag hatten die Trierer und Besucher von auswärts Gelegenheit, ein Fuß auf das rund 37.000 Quadratmeter große Gelände zu setzen. Das liegt größtenteils in einer Art Hinterhof und ist von der Straße Im Speyer kaum einsehbar. Ein „neues Viertel mit Industriecharme“ werde hier entstehen, verspricht die EGP, die auch zu Pinsel und Pathos griff und auf die Westfassade von Halle 6 schrieb: „Bobinet ist kein Trend, sondern eine Haltung“. Zunächst einmal ist Bobinet Wagnis und Chance: Die EGP wagt sich mit dem Vorhaben erstmals auf die andere Seite des Moselufers, verheißt dem bislang völlig unter Wert entwickelten Westen Triers aber damit eine neue Perspektive oder zumindest einen Entwicklungsschub. Die Anlage soll Wohnen und Arbeiten verbinden und hierbei auf die bestehende Industriearchitektur bauen. Wohnraum für Familien mit niedrigen Einkommen wird hier nicht entstehen: Die Flächen der Loftwohnungen werden sich zwischen knapp 64 und mehr als 150 Quadratmetern bewegen, die Preisspanne reicht von 180.000 bis 370.000 Euro.

Im Jahr, als der erste Weltkrieg ausbrach, wurde die alte Textilfabrik errichtet. In den 1950ern expandierte das Unternehmen, in Spitzenzeiten arbeiteten hier mehr als 800 Menschen und stellten vor allem Gardinen her. Vor zwei Jahrzehnten geriet der Betrieb, der damals überwiegend Autositzbezüge produzierte, in die Krise, 2010 wurde das Werk schließlich geschlossen. Nur ein Jahr später erwarb die EGP GmbH das gesamte Areal und kündigte an, rund 14 Millionen Euro zu investieren. „Freizügiges Wohngefühl mit rauer Optik, bis zu 4 Meter Deckenhöhe, lichtdurchfluteten Räumen sowie dem Komfort einer Neubauwohnung“, verspricht der Projektentwickler. Wer am Samstag durch die Hallen wandelte, musste indes noch einiges an Vorstellungskraft entwickeln, um sich in diese Zukunft hineinzuversetzen. Dabei hatte sich die EGP einige Mühe gegeben, zumindest eine Ahnung vom künftigen Erscheinungsbild des Quartiers zu vermitteln. Weil aber die eigentlichen Bauarbeiten noch nicht begonnen haben, hielten sich die Möglichkeiten noch etwas in Grenzen.

Bei der EGP hofft man derweil, auch mit dem Standort überzeugen zu können, vor allem mit dessen Nähe zur Mosel oder zum Ortskern von Euren. Der Anschluss an den Nahverkehr sei bestens, erklärt das Unternehmen mit Verweis auf die Bushaltestelle in der Eurener Straße, auch die Nahversorgung sei optimal. Doch während man mit dem geplanten Grünzug, der dereinst das Moselufer mit dem Markusberg verbinden soll, wirbt, taucht die Reaktivierung der Westtrasse nirgends auf. Das könnte daran liegen, dass noch immer nicht absehbar ist, ob und wann dieses Vorhaben realisiert wird; oder daran, dass die Bahnstrecke direkt an den Hallen 1 bis 4 vorbeiführt. wo der größte Teil der Büro- und Wohnlofts untergebracht werden soll. Eine Reaktivierung der Westtrasse würde mit zusätzlichem Lärm einhergehen, das könnte Käufer abschrecken. Doch die Bahnanbindung würden manche wohl gerne in Kauf nehmen, wenn sie im Gegenzug komfortabel und schnell nach Luxemburg pendeln könnten. Die EGP selbst nennt den Standort „die Schnittstelle zwischen Luxemburg und dem Trierer Zentrum“. Kundschaft aus Luxemburg gebe es bislang noch nicht, erklärt Eitel auf Nachfrage, wohl aber könnten unter denen, die sich ein Objekt reserviert haben, einige Grenzgänger sein.

Und wohl auch einige Kapitalanleger werden darunter sein, denn wie schon im Fall von Castelnau in Feyen sollen nicht allein Standortvorteile und architektonische Feinheiten Investoren überzeugen, sondern auch Steuervorteile. Weil das Projekt in einem ausgewiesenen Sanierungsgebiet liegt, winken Sonderabschreibungsmöglichkeiten. Doch in deren Genuss kommt nur, wer schon vor dem Baustart als Eigentümer auftritt. Unabhängig davon, wie sich die Vermarktung in den nächsten Wochen weiterentwickeln wird – Eitel will im Dezember mit dem Bau starten: „Da können Sie mich drauf festnageln“.

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