„Gnadenlose und unehrliche Kürzungspolitik“

Unter dem Motto „Trier wehrt sich“ haben am Mittwoch mehr als 800 Studierende und Beschäftigte der Universität gegen die Hochschulpolitik der rot-grünen Landesregierung protestiert. AStA-Sprecher Kilian Krumm drohte mit der Besetzung von Teilen der Uni, sollten Fächer geschlossen werden. Heftige Kritik richtete er auch gegen den Universitätspräsidenten. Michael Jäckel wehrte sich und erklärte, er wolle zunächst den konstruktiven Weg einschlagen. Während die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft dem Kabinett Beck/Lemke eine „gnadenlose und unehrliche Kürzungspolitik“ vorwarf, wies das Bildungsministerium dies zurück: „Aktuelle Gründe, die Ängste vor massiven Einschnitten zulasten Studierender und Mitarbeiter rechtfertigen würden“, bestünden nicht.

TRIER. Tante Gisela war nicht im Saal, zumindest ward sie gestern nicht gesehen. Doch wer sie noch nicht kannte, der hörte nun von ihr. Es sei ja schön und gut, dass er nun wisse, wann Tante Gisela Geburtstag habe, scherzte Kilian Krumm, aber die Zeit, die der Präsident für diesen Videoclip übrig hatte, hätte er nach Meinung des AStA-Sprechers besser in ein Gespräch mit den Studierenden investiert. Das war gemünzt auf einen knapp zweieinhalbminütigen Film, den Michael Jäckel kürzlich drehen ließ – mit sich als joggendem Hochschulchef in der Hauptrolle, terminlich arg beansprucht. „Hier läuft was“, zieht der Präsident am Ende des Kurzfilms sein Fazit.

Hier braut sich was zusammen, dürfte das Resümee vieler gelautet haben, die gestern Nachmittag von einer Kundgebung im Audimax kamen. Mehr als 800 Studierende und Mitarbeiter der Hochschule drängten sich im größten Hörsaal der Uni, zeitweise gab es kein Durchkommen mehr. Unter dem Motto „Trier wehrt sich“ hatten der AStA und die Gewerkschaften Verdi und GEW sowie der DGB zum Protest gegen drohende Einsparungen in der Bildungspolitik aufgerufen. Damit reagierten sie auch auf ein bereits Anfang Mai vom Senat der Hochschule beschlossenes Moratorium für die unbefristete Besetzung von Stellen in allen Bereichen. Die Entscheidung sorgte schon damals für erhebliche Unruhe und auch Verwirrung in den Reihen der Studierendenschaft und bei Mitarbeitern. Jäckel legte wenig später in einer Rundmail nach und kündigte an, sämtliche Strukturen der Uni auf den Prüfstand stellen zu wollen. Wenn sich die Dinge so entwickelten, wie von der Hochschulleitung prognostiziert, dann werde die Uni spätestens ab 2014/2015 „vor Engpässen stehen, die sie aus eigener Kraft kaum noch bewältigen kann“ (wir berichteten).

Nach diesem Schreiben des Präsidenten waren wohl auch die letzten Betroffenen alarmiert, und weil am heutigen Donnerstag der Senat erneut zusammentreffen und über das Moratorium diskutieren wird, war aus Sicht der Initiatoren der Zeitpunkt nun überfällig, gegen drohende Kürzungen zu mobilisieren. Mit beachtlichem Erfolg, wie die Resonanz auf den Kundgebungsaufruf zeigte. Kilian Krumm nutzte seine Rede zu einem Rundumschlag, wobei er nicht mit polemischen Spitzen sparte. Der Bachelor-Abschluss genieße auf dem Arbeitsmarkt einen ähnlichen Beliebtheitsgrad wie der Biosprit E 10 oder das AKW in Cattenom. Was die Bologna-Reform angeht, befand der AStA-Sprecher: „Die Wirtschaft hatte den Nutzen, die Wissenschaft den Schaden“. Dann ging der Student, der auch dem Bundesvorstand der Juso-Hochschulgruppen angehört, die Hochschulpolitik der rot-grünen Landesregierung an: Es sei zwar richtig gewesen, die Langzeitstudiengebühren abzuschaffen, doch sei Mainz nun auch in der Pflicht, diese Mittel zu kompensieren. Allein der Trierer Uni fehlen durch diese Entscheidung jährlich rund 600.000 Euro.

Krumm: Die Uni braucht keinen Weinberg

„Schuldenbremse ist Zukunftsraub“, skandierte Krumm unter lautem Beifall, „wir haben keine Schuld, aber wir haben die Schuldenbremse“. Manche Studierende müssten an der Universität länger auf einen Sprechstundentermin warten, als die Menschen in der früheren DDR auf einen Trabant. Dass Rheinland-Pfalz nun mit Mainz auf den Zuschlag für eine Exzellenzuniversität hoffe, sei verantwortungslos. „Rheinland-Pfalz braucht keine Elite-Universität und sie kann sie sich auch gar nicht leisten“. Krumm verlangte eine unveränderte Finanzausstattung der Universität und drohte mit Besetzungen, sollten wegen der anstehenden Schuldenbremse Fächer geschlossen werden – „wir wollen die Universität genauso behalten, wie sie ist“. Auch den Präsidenten griff der AStA-Sprecher frontal an: Dass Michael Jäckel in seinem 10-Punkte-Programm, das er bei Amtsantritt verkündete, erklärte, die Uni solle einen eigenen Weinberg bekommen, könne er nicht verstehen. Und auch die Informationspolitik des Präsidenten sei wenig optimal gewesen und habe nur die wabernden Gerüchte verstärkt.

Jäckel konterte die Kritik. Die Studierenden könnten sich sicher sein, dass vor ihnen jemand stehe, der „kein Interesse daran hat, diese Institution tot zu sparen“, schickte der Präsident seinem Statement voraus. Zugleich warnte er davor, „Zahlen in die Öffentlichkeit zu bringen, die nur spekulativen Charakter“ hätten. Dass die Lage ernst ist, wollte und konnte indes auch Jäckel nicht verhehlen, doch gehe es ihm darum, durch eine möglichst konstruktive Vorgehensweise Mainz zu signalisieren, dass man eigene Anstrengungen unternehme. Zudem, so Jäckel, sei es auch legitim und notwendig, über Jahrzehnte gewachsene Strukturen einmal kritisch zu hinterfragen und nach zeitgemäßeren Lösungen zu suchen. Fächerschließungen seien im Übrigen aktuell kein Thema, stellte Jäckel weiter klar und versprach, die Studierenden über die weiteren Diskussionen im Senat und mögliche Beschlüsse des Gremiums zeitnah und umfassend zu informieren.

Während der Präsident es ablehnte, sich an „Zahlendiskussionen“ zu beteiligen, lieferte Werner Dörr von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft derer gleich en masse. Er warf der rot-grünen Landesregierung ein falsches Spiel vor: „Die Stellen bleiben unangetastet und man streicht stattdessen das Geld“. Dörr weiter: „An den Streichungen, die jetzt vorgenommen werden, ist kein Politiker beteiligt. Die Kürzungen macht die Universität jetzt in Eigenregie und muss dafür die Prügel einstecken“. Der GEWler führte konkrete Beispiele ins Feld: So erhielten die Hochschulen keine Aufstockung im Etat für Lohnerhöhungen, was im Fall der Trierer Uni allein in diesem Jahr bereits rund 1,1 Millionen Euro Fehlbetrag bedeute – und im kommenden Jahr schon 2,3 Millionen. „Das ist der Betrag, den etwa 30 Professorenstellen kosten“, machte Dörr die Rechnung auf und lieferte noch weitere Beispiele, die unterm Strich dazu führten, dass insgesamt etwa 4 Millionen Euro fehlen würden, „wenn ab 2013 genauso viel Personal hier beschäftigt ist wie Anfang 2012“. Der GEW-Mann warf der Landesregierung eine „gnadenlose und unehrliche Kürzungspolitik“ vor. Mainz gebe vor, bei der Bildung nicht zu sparen, verlange dann aber einen enormen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung.

Der vom Landtag beschlossenen Schuldenbremse kann Christian Schmitz grundsätzlich nichts abgewinnen. Die Gewerkschaften seien von Anbeginn gegen dieses Instrument gewesen, erklärte der Trierer DGB-Chef, denn die Schuldenbremse nehme dem Staat jede Möglichkeit, in Krisenzeiten auf die Konjunktur einzuwirken. Schmitz: „Die Politik hat sich das selbst eingebrockt“. Der Gewerkschafter beklagte auch die Zunahme befristeter Beschäftigungsverhältnisse in den Hochschulen. Wenn selbst im öffentlichen Dienst keine sicheren Stellen mehr angeboten würden, dann dürfe sich die Politik nicht wundern, wenn junge Menschen keine Familien mehr gründeten. Schmitz rief zur „Solidarisierung zwischen einzelnen Gruppen auf“. Dass es dazu kommt, hoffen auch zwei Studentinnen, die von ihren Erfahrungen als Hiwis berichteten.

Mainz: Kein Anlass zur Sorge

In Mainz zeigt man derweil wenig Verständnis für die Proteste, zumindest vonseiten der Landesregierung: Bildungsministerin Doris Ahnen (SPD) schickte am Mittwoch ihre Staatssekretärin Vera Reiß vor, die schriftlich mitteilen ließ: „Offensichtlich haben die von der Universitätsleitung angekündigten Diskussionen über möglicherweise anstehende Veränderungen bei den Studierenden Skepsis und Sorgen ausgelöst (…); aktuelle Gründe, die Ängste vor massiven Einschnitten zulasten Studierender und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter rechtfertigen würden, bestehen allerdings nicht“. Reiß erinnerte an die Autonomie der Hochschulen und erklärte weiter: „Zwischen 2008 und 2010 konnten die Hochschulen des Landes über 12.000 zusätzliche Studienanfängerinnen und Studienanfänger aufnehmen, ohne dass sich die Studienbedingungen verschlechtert hätten. Im Gegenteil: Nicht zuletzt durch 200 Stellen, die im Sondervermögen eigens zur Verbesserung der Lehrqualität ausgewiesen waren, konnten die Betreuungsrelationen verbessert werden“. Die dem Hochschulpakt zugrundeliegenden Zielvereinbarungen seien vom Wissenschaftsministerium gemeinsam mit den Hochschulen beschlossen worden. „Inwiefern sich dies als eine ‚aus dem Ruder gelaufene Hochschulplanung‘ begreifen lässt, bleibt dem Ministerium ein Rätsel“, so Reiß abschließend.

Diese Bemerkung zielte auf eine Erklärung der bildungspolitischen Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion, Dorothea Schäfer, ab: Man könne nicht über Jahre die rheinland-pfälzischen Hochschulen dazu anhalten, die Studierendenzahlen „über das bundesweit vereinbarte Maß hinaus zu steigern und gleichzeitig die dafür notwendigen Mittel einsparen“, hatte die Christdemokratin beklagt. Mit einer solchen Politik „fahre man die Hochschulen finanziell vor die Wand“, so Schäfer, die für ihre Fraktion ankündigte, den Landtag mit dem Thema befassen zu wollen.

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