Für den Orgasmus zwischendurch

Man kann ja die dollsten Dinge am Automaten ziehen: Ein Bäcker in Belgien stellt an Wochenenden einen Brotautomaten an die Straße – statt sich hinter die Verkaufstheke -, ein Fahrradteilehändler in der Trierer Bruchhausenstraße bietet Fahrradschläuche im Automaten an und die Löwenbrauerei im schwäbischen Aalen ist oder war im Besitz des weltweit ersten Bierkastenautomaten (Quelle: Bier! Das Lexikon. Reclam Leipzig, 1998). Das ist alles schön praktisch. Nun entdeckte unser Stadtschreiber auf einer Toilette einer Trierer Gaststätte Dinge, die man sonst nur in Läden, in denen man keine Familienmitglieder, Arbeitskollegen oder Bekannte treffen möchte, oder über Kataloge, die in „diskreter Verpackung“ versendet werden, erwerben kann.

TRIER. Vergangene Woche bin ich endlich mit diesem „Römerexpress“ gefahren. Ich wollte doch mal wissen, was die Tagestouristen aus der Südeifel und dem Nordsaarland, aus Holland und Belgien erleben, wenn sie sich in Trier so richtig amüsieren. An- und Abfahrt des lustigen Touristenbähnchens ist ja direkt am Porta-Nigra-Vorplatz. Und wenn man die Fahrt hinter sich gebracht hat, kann man sich damit belohnen, dass man im unmittelbaren Umfeld der Porta Gasthäuser findet, in denen man Trierer Spezialitäten essen kann… und Sexspielzeug kaufen.

Ach so, ich muss noch erwähnen, dass ich mich nicht alleine in den „Römerexpress“ getraut, sondern eine weibliche Begleiterin dabei hatte. Eine erfahrene Großstädterin, der nichts Weltliches fremd ist. Nachdem wir Flieten (die hatte ich; mit Brot, ohne Salat) und Teerdisch (das Trierer Lieblingsgericht meiner Begleiterin) gegessen hatten, musste sie auf die Toilette. Von der sie kichernd zurückkam. „Stell dir vor“, flüsterte sie so leise, dass ich sie kaum verstand. „Auf der Toilette kann man String-Tangas ziehen. Und passende Einlagen dazu. Und Minivibratoren! Für nur drei Euro das Stück!“

Ihrer Aufforderung, mir das auf der Damentoilette unbedingt selbst mal anzusehen, kam ich natürlich nicht nach. Aber Sorgen machte ich mir dennoch: Warum? Warum kann man diese Sachen dort ziehen? Und wer zieht sie? Die aus der Südeifel oder die aus dem Nordsaarland? Und wie muss ich mir das konkret vorstellen? Stellt die Eifelanerin verblüfft fest: „Du lieber Gott, ich hab‘ heute ja gar keine Unterhose an. Da muss ich mir aber schnell mal eine ziehen gehen!“ Oder hat die abenteuerlustige Saarländerin – noch flietennagend – bereits einen attraktiven Trierer ins Auge gefasst und denkt sich: Wenn es zum Äußersten kommt, sollte ich nicht diese bodyshapende Stützunterwäsche anhaben…

Und was bitte sind und wie benutzt man Mini-Vibratoren? Gibt es auch Maxi-Vibratoren? Und was machen die – egal, ob maxi oder mini? (Sind die Mini-Vibratoren vielleicht für den „kleinen Orgasmus zwischendurch“? Und ergeben zwei Minis einen Maxi? Ich frag ja bloß… allerdings nur mich selbst). Wenn eine der holländischen Touristinnen zu ihrem Mann sagt: „Warte, bevor wir mit dem ‚Römerexpress‘ fahren, muss ich schnell noch auf die Toilette“… was zieht sie sich dann dort? Als ich mit dem „Römerexpress“ fuhr, haben einige Damen so selig gelächelt. Die werden doch nicht…

„Ich würde gerne mal die Bedienung fragen, ob diese Automaten oft nachgefüllt werden müssen“, meinte meine Begleiterin. Bloß nicht! Am Ende erklärt jene tatsächlich noch, was davon am besten geht.

Aber es kam schlimmer: Meine Begleiterin wollte nun unbedingt auch wissen, was denn so auf dem Männerklo… „Bestimmt gibt’s da keine sexy Unterwäsche“, vermutete sie. „Obwohl, wer weiß schon, was diese holländischen Tagestouristen… die haben da ja ganz andere Bräuche als wir, nehme ich an.“ Ums kurz zu machen: Es ist der Horror, für ein schüchternes Gemüt wie mich. Neben verschiedenen Ringen, die man sich nicht an die Finger steckt und mit denen ich mich sicher wegen unsachgemäßer Anwendung nachhaltig verletzen würde, kann man sogar eine künstliche Vagina kaufen (die, ich wage es kaum auszusprechen, „Travel Pussy“ heißt). Also wirklich: Wer geht sich denn ernsthaft nach einer Portion Flieten mit Brot eine künstliche…? Ich wüsste nicht mal, was man damit macht. Äh, natürlich kann ich es mir theoretisch vorstellen, aber doch nicht praktisch!

Meine Begleiterin fand das alles sehr interessant und komisch, aber mir macht so was Angst. In mir wirft das existentielle Fragen auf wie: Habe ich bisher etwas verpasst im Leben? Hatte ich bisher keinen Spaß beim Sex und weiß es nur nicht? Eins sage ich euch: Ich mache keinen Selbstversuch!

Und was passiert, wenn meine Kumpels von zuhause mal vorbeikommen und entdecken, dass ich in einer Gegend wohne, wo man in einer gutbürgerlichen Kneipe, in der man hervorragend isst, Sexspielzeug kaufen kann?

Oder noch schlimmer wäre folgendes Schreckensszenario: Der Meier Kurt und „es“ Hildegard kommen zu Besuch, um meine Geranien zu begutachten. Danach will Hildegard dringend mal mit dem „Römerexpress“ fahren, und da Kurt und ich jeden Unsinn mitmachen, bringen wir auch das stoisch hinter uns. Dann wollen die beiden aber dringend noch ein Schnitzel mit Porta-Blick essen und wir geraten – ja, genau, in dieses Restaurant. Hildegard muss als erste aufs Klo, weil sie seit der Fahrt mit der Bummelbahn schon einen Piccolo Vorsprung hat, und weil bei ihr das Eifeler Bier immer so treibt. Als sie von der Toilette zurückkommt, erzählt sie mit ehrlicher Begeisterung, dass man da „Schdring-Tangas“ und Mini-Vibratoren kaufen kann. Und nur drei Euro das Stück! Und nicht genug damit: „Kurti, geh du mol gucke, was die auf’m Männerklo so hann!“, plärrt sie so ungeniert, dass die halbe Kneipe es hört.

Kurt erzählt von der künstlichen Vagina und dem anderen Zeug, und Hildegard besteht darauf, dass „Kurti“ sich an der Theke Kleingeld borgt, um mal ein paar Ansichtsexemplare zu ziehen. Als es ans Bezahlen geht, packt Hildegard den Geldbeutel aus und sagt unnötig laut und ohne rot zu werden: „Also mir hatte drei Schnitzel mit Pommes, einen String Tanga, nur einen Beilagensalat – die Männer esse ja nix Gesundes –, drei Bier, zwei Mini-Vibratoren, einen Espresso, zwei Mirabellenschnaps und eine von diesen künstlichen Vaginen … äh, Vaginas!“ „War der String mit oder ohne Einlage?“ „Ohne!“ „Dann sind’s 67,20.“ „Machen’se 70.“

Hoffentlich zeigt Hildegard zuhause das Spielzeug nicht in der Nachbarschaft rum und erzählt, was es auf den Klos der Trierer Kneipen, in denen ich verkehre, alles zu kaufen gibt. „Ich hoff‘, der Bub bleibt mit beiden Füßen auf‘m Boden“, kommentiert sie das Rumzeigen bestimmt. „Der ist so was doch garnet gewöhnt!“

Kolumne vom 5. Juni: „Vom ‚Heiligen Rock‘ zu bunten Tüchern„.

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