Fragwürdig und unredlich!

Lewentz„Mit Vollgas in die Sackgasse? Mobilität im Raum Trier am Scheideweg“ stand als Motto über der Veranstaltung. Es folgte eine jener ergebnislosen Diskussionen, wie sie seit Jahren immer wieder geführt werden. Auf der einen Seite ein Minister auf verlorenem Posten, was er mindestens so sehr seinem Amtsvorgänger wie dem grünen Koalitionspartner zu verdanken hat – und einer Studie, die das aus seiner Sicht erwünschte Ergebnis nicht lieferte; auf der anderen Seite Funktionäre, Unternehmer und Politiker, die meinen, der Bund werde es schon richten und man müsse sich in Trier und Mainz doch nicht den Kopf darüber zerbrechen, wie Berlin die gewünschten Straßen bezahlen soll. Das eine ist so unredlich wie das andere verantwortungslos ist, und beides sorgt für Verdruss. Ein Kommentar von Marcus Stölb.

„Multimodale Verkehrsstudie Trier-Luxemburg“ heißt die Untersuchung, die am Mittwochabend erstmals einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Die Landesregierung hatte das Gutachten in Auftrag gegeben. Es sollte deutlich machen, welche Entlastungs- und Verlagerungseffekte mit einem optimierten Nahverkehr in der Region zu erreichen wären. Eigentlich sollten die Ergebnisse der Studie in die Entscheidung mit einfließen, welche Projekte Mainz zum Bundesverkehrswegeplan 2025 anmelden wird. Doch SPD und Grüne wollten nicht warten, schufen stattdessen Fakten und beschlossen, weder Moselaufstieg noch Nordumfahrung auf die Liste der präferierten Verkehrsprojekte zu setzen. Das war politisch unklug, die Studie hätte man sich schenken können.

Zumal spätestens am Mittwoch deutlich wurde, dass sie einzig und allein dem Zweck dienen sollte, der Landesregierung nachträglich Argumente für die bereits im rot-grünen Koalitionsvertrag erfolgte Abmoderation der beiden umstrittenen Projekte zu liefern. So gesehen verfehlte die Studie ihr Ziel, denn das Fazit der Gutachter spielt den Befürwortern von Moselaufstieg und Nordumfahrung in die Hände: „Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass auch ein ambitionierter Ausbau des ÖPNV in der Region Trier/Luxemburg allein nicht in der Lage sein wird, den KfZ-Verkehr spürbar zu reduzieren“. Zwar ließe sich die Zahl der Nutzer von Bussen und Bahnen um rund 20 Prozent erhöhen, doch würde der Anteil des ÖPNV am gesamten Verkehrsaufkommen damit lediglich von derzeit rund 12 auf dann 15 Prozent steigen, beziffern die Gutachter. Dabei hatten die – wohl auf Betreiben des Auftraggebers – bei ihren Prognosen ein Nahverkehrsangebot vorausgesetzt, das es so 2025 garantiert nicht geben wird. So wurden beispielsweise fünf neue Haltepunkte entlang der Trierer Osttrasse angenommen – zusätzlich zu den fünf, die bis Ende 2017 (!) an der für eine Reaktivierung vorgesehenen Weststrecke stehen sollen. Zehn neue Bahnstationen im Stadtgebiet binnen zwölf Jahren? Klar sollte man sich ehrgeizige Ziele setzen, doch sollte Mainz sich auch davor hüten, völlig illusorische Erwartungen zu wecken. Weitere Enttäuschungen wären ansonsten programmiert.

Dass Roger Lewentz sich über das – aus seiner Sicht – unerwünschte Ergebnis der fragwürdigen Studie hinwegsetzte, machte ihn am Mittwochabend vollends zu einem Minister auf verlorenem Posten. Dass er nicht gewinnen konnte, zeichnete sich schon im Vorfeld ab – jetzt musste er verlieren. Mit seinen weiteren Argumenten konnte der Sozialdemokrat so nicht mehr durchdringen: etwa dem, dass eine Landesregierung Prioritäten setzen und das große Ganze im Blick behalten müsse; oder dem Verweis darauf, dass allein die von rund 48.000 Fahrzeugen täglich frequentierte Hochstraße in Ludwigshafen einen Sanierungsstau von rund 350 Millionen Euro aufweist; oder dass die B 9 in Koblenz, auf der an Spitzentagen an die 100.000 Fahrzeuge verkehren, ebenfalls dringend auf Vordermann gebracht werden muss, der Bedarf für die Erhaltung des Bestands also allerorten enorm ist. All das muss eine Landesregierung bedenken und abwägen, um am Ende – sachlich begründet und politisch überzeugend – Prioritäten setzen.

Lewentz müsse sich doch keine Gedanken darüber machen, welches Projekt Berlin am Ende des Tages in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans aufnehmen werde, hielten dem Minister Kritiker wie der CDU-Landtagsabgeordnete Bernd Henter entgegen. Er solle doch einfach Moselaufstieg und Nordumfahrung anmelden und Peter Ramsauer so eine Chance geben zu zeigen, ob auf den Bundesverkehrsminister Verlass sei. Mehr verlange man nicht, so Henter. So kann argumentieren, wer auf Landesebene keine Verantwortung trägt – und wer vergessen machen möchte, dass es eben jener Ramsauer war, der selbst ein relativ überschaubares Projekt wie die Zweigleisigkeit der Bahnstrecke bei Igel infrage stellte. Zur Erinnerung: Hier geht es um zwei Kilometer Gleis und geschätzte rund 20 Millionen Baukosten. Der Bundesverkehrsminister befand nach seinem Amtsantritt, der Nutzen dieses 2007 von Bund, Land und Region fest vereinbarte Vorhaben gehöre erneut auf den Prüfstand. Inzwischen steht die Finanzierung, jedoch nur dank Luxemburg, das 8 Millionen Euro zuschießen wird. Wir schreiben das Jahr 2013, fünf Jahre sind vergangen, ohne dass auch nur ein halber Meter Schiene verlegt worden wäre. Vor diesem Hintergrund Hoffnungen auf neue Straßen zu wecken, deren Bau sich ungleich komplizierter und teurer gestalten wird, ist mehr als nur gewagt,

Zumal eine Kommission der Verkehrsministerkonferenz ermittelt hat, dass in Deutschland jedes Jahr mehr als 7 Milliarden Euro fehlen, um die bestehende Verkehrsinfrastruktur in Schuss zu halten. Das auszublenden und auf diese Weise fahrlässig den Eindruck zu erwecken, es sei primär eine Frage des Wollens, ob die beiden Umfahrungen realisiert werden, hat mit verantwortungsvoller Politik ebenso wenig zu tun wie das, was Sozialdemokraten und Grüne in Sachen Moselaufstieg und Nordumfahrung bieten. Auch ein Bundesverkehrswegeplan ist keine „Wünsch-dir-was“-Veranstaltung!

Vielleicht sollte man sich deshalb Diskussionen wie jene in der IHK, an der ohnehin nur noch die „üblichen Verdächtigen“ aus Politik, Verbänden, Kammern und Medien teilnehmen, fortan sparen. Zumindest so lange, wie beide Seiten an ihren „Alles-oder-nichts“-Positionen festhalten.

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