„Falsch verstandene Marktfreiheit“

Der Stadtrat hat sich mit überwältigender Mehrheit gegen eine Privatisierung der Trinkwasserversorgung im Rahmen einer Europäischen Richtlinie ausgesprochen. Fast alle Fraktionen votierten am Donnerstag für die Resolution „Wasser ist ein Menschenrecht“, die auf eine Initiative der Linken zurückging. Gegenstimmen gab es lediglich aus der FDP. Kurzzeitig artete die Debatte in einer Art Vorwahlkampf aus, geriet der nicht anwesende Bundestagsabgeordnete Bernhard Kaster ins Kreuzfeuer. Weitere Themen der Ratssitzung: Der Stadtvorstand favorisiert als Alternative zum „Kultur-Euro“ die Einführung einer Fremdenverkehrsabgabe, und die Maßnahmen zum Lärmaktionsplan wurden fast allesamt noch nicht umgesetzt. Ob beispielsweise die zulässige Höchstgeschwindigkeit in Saar- und Paulinstraße auf 30 Stundenkilometer reduziert werden dürfte, ist weiterhin unklar.

TRIER. Wenn es etwas gibt, womit sich Trier von anderen Städten und Regionen Deutschlands besonders positiv abhebt, dann ist es die Qualität des Trinkwassers. Wer nur mal andernorts Tee gekocht oder sich die Haare gewaschen hat, wird rasch ermessen, was er am Trierer Wasser hat. Dessen Güte ist nicht akut gefährdet, doch Pläne der EU-Kommission verunsichern auch Trierer Politiker. So soll im Rahmen einer neuen Richtline die Konzessionsvergabe und damit die Vergabe der Wasserrechte im Geltungsbereich der Europäischen Union ausgeschrieben werden. „Dieser Eingriff in die autonome Verwaltung – insbesondere der Trinkwasserversorgung – durch die Kommunen, schafft ein nicht vorhersehbares und nicht vertretbares Risiko einer Minderung von Qualität und Verfügbarkeit des Trinkwassers auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger. Die in Deutschland bezahlbare, sichere und qualitativ hochwertige, in Europa fast einzigartige Trinkwasserversorgung, würde damit nicht mehr in dieser Form garantiert werden können“, heißt es in einer Resolution, die der Stadtrat am Donnerstagabend beschloss.

Die Initiative hierfür ging von der Linken aus, und es kommt nicht alle Tage vor, dass Katrin Werner eine große Mehrheit des Rats hinter sich weiß. Groß war denn auch ihre „Freude, dass so viele Fraktionen an einem Strang ziehen“. Trinkwasser sei als Menschenrecht zu verstehen, so Werner, „wir machen uns stark für die Versorgungshoheit der Kommunen und stärken die Stadtwerke“, erklärte die Linke. SPD-Fraktionschef Sven Teuber nutzte sein Statement zu einem Frontalangriff gegen die Liberalen, weil diese sich der breiten Phalanx gegen die EU-Pläne nicht anschließen mochten. „Völlig falsch verstandene Marktfreiheit“ sei das, die EU beabsichtige, „das Wasser zum Spielball der Märkte zu machen“. Dann attackierte Teuber auch den CDU-Kreisvorsitzenden Bernhard Kaster, weil dieser im Bundestag gegen Anträge anderer Fraktionen, die ebenfalls den Protest gegen eine Privatisierung des Trinkwassers zum Inhalt hatten, gestimmt hatte. Was der Sozialdemokrat nicht sagte: Kaster hatte Ende Februar auch eine persönliche Erklärung zu seinem Abstimmungsverhalten abgegeben. Zwar könne er den Anträgen von Grünen, Linken und SPD „in der vorliegenden Form nicht zustimmen“, so Kaster damals, doch spreche er sich „ausdrücklich gegen jegliche Privatisierungs- oder Ausschreibungspflicht für die öffentliche Wasserversorgung aus“. Hätte Kaster eine andere Position eingenommen, die CDU-Fraktion hätte sich im Stadtrat wohl kaum derart einmütig der Resolution angeschlossen.

Liberale uneins bei Thema Wasserversorgung

Corinna Rüffer von den Grünen griff den Ball denn auch nicht wieder auf, widmete sich aber ebenfalls den Freidemokraten: Die FDP sei ja „dafür bekannt, dass sie sich sehr oft an Lobbyinteressen orientiert“. Die Wasserversorgung sei ein „Kernbereich der kommunalen Daseinsvorsorge“ und es sei „eigentlich ein Treppenwitz, dass wir so eine Resolution verabschieden müssen“ Rüffer weiter:“ Wir brauchen eine EU der Bürger und nicht der Wirtschaftsinteressen“.  Ähnlich äußerte sich Elisabeth Tressel, die keinen Zweifel daran aufkommen lassen wollte, dass ihre Fraktion voll hinter dem Anliegen der Richtliniengegner steht: „Für uns war das ganz klar, dass wir uns an dieser Resolution beteiligen“, stellte die Christdemokratin klar. Peter Spang (FWG) lobte das Trierer Trinkwasser und warnte davor, das Thema für eine Profilierung im Bundestagwahlskampf zu nutzen. So stellte sich Spang demonstrativ vor Kaster und nahm ihn gegen Teubers Anwürfe in Schutz.

Fast allein auf weiter Flur stand derweil Tobias Schneider: „Wenn sich viele Leute aufregen, macht man meistens etwas richtig“, kommentierte der FDP-Kreischef die vorangegangenen Wortmeldungen. Der Resolutionstext sei „eine populistische Nebelbombe“. Schneider: „Keine Kommune wird gezwungen, die Wasserversorgung zu privatisieren, wenn sie das nicht möchte“. Es gehe nur darum, Kommunen, die privatisieren wollten, eine sichere rechtliche Grundlage zu schaffen. „Für die Verbraucher in Trier wird sich nichts ändern“, ist Schneider überzeugt. Doch das sah ausgerechnet Joachim Gilles anders, Schneiders Parteifreund. Er sprach und stimmte für die Resolution. Sein Vater, Fraktionschef Dr. Karl-Josef Gilles enthielt sich. So ging die Resolution mit gr0ßer Mehrheit durch.

Ob sich eine solche Mehrheit auch für eine zweckgebundene Fremdenverkehrsabgabe organisieren lässt, darf bezweifelt werden. Die CDU hatte von OB Klaus Jensen (SPD) wissen wollen, wie denn der Planungsstand innerhalb der Verwaltung sei. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig im Sommer vergangenen Jahres die Kultur- und Tourismusförderabgabe gekippt hat, muss sich das Rathaus etwas einfallen lassen. Wie Jensen erklärte, kämen eigentlich nur zwei Modelle in Betracht: die besagte Fremdenverkehrsabgabe und die vom Hotel- und Gaststättenverband ins Gespräch gebrachte „freiwillige Abgabe“. Doch letztere sei für den Stadtvorstand vom Tisch, „da die Erwartungen der Stadt, einen Ertrag von einer Million Euro zu erzielen, und die Vorstellungen potenzieller Zahler der freiwilligen Abgabe, zu weit auseinanderliegen.“ Deshalb spreche man sich nun für die Einfühung einer zweckgebunden Fremdenverkehrsabgabe aus. Der OB kündigte an, in der nächsten Sitzung des Stadtrats einen „entscheidungsreifen Vorschlag“ präsentieren zu wollen.

Deutlich länger dürfte es dauern, bis man im Straßenverkehrsamt Klarheit darüber gewonnen hat, ob eine ganztägige Geschwindigkeitsbegrenzung in Saar- und Paulinstraße rechtlich machbar wäre. Im Oktober wurde ein entsprechender Antrag an die Behörde gestellt, dieser Antrag befinde sich „aufgrund der schwierigen rechtlichen Situation noch in der Prüfung“, erklärte Baudezernentin Simone Kaes-Torchiani auf eine Anfrage der SPD. Die Sozialdemokraten hatte wissen wollen, welche konkreten Maßnahmen im Rahmen des Lärmaktionsplans mittlerweile umgesetzt seien. Die Antwort: Manches lässt noch auf sich warten. So erhielt die Stadt vom Land eine „grundsätzliche Förderzusage“ für ein Modellprojekt, bei dem die Auswirkungen von Tempo 30 nachts auf Hauptverkehrsstraßen untersucht werden sollen. Auch die Stadt Mainz macht bei diesem Vorhaben mit, und nach Auskunft des Landesamts für Umwelt soll das Pilotprojekt in der Landeshauptstadt in wenigen Monaten starten. „In der Stadt Trier ist ebenfalls noch in diesem Jahr mit einer Umsetzung im Bereich der Saar- und Matthiasstraße zu rechnen“, machte Kaes-Torchiani Hoffnung, dass es bald konkret werden könnte.

Ein Fahrradverleihsystem für Trier?

Die Maßnahme „Austausch des Fahrbahnbelags auf der Luxemburger Straße“ sei derzeit für 2015/2016 vorgesehen, berichtete die Unionsfrau weiter. Was die in der Zurmaienerstraße 126 bis 149 sowie der Straße Auf der Steinrausch 16 bis 42 geplanten Lärmschutzwände anbelangt, sei eine kurzfristige Umsetzung indes nicht mehr zu erwarten – wegen der angespannten Haushaltslage. „Kurzfristig“ wird auch nicht das Fahrradverleihsystem kommen, für dessen Planung Mainz eine Förderzusage von 33.000 Euo machte. „Die Ausarbeitung eines Planungskonzeptes, welches die lokalen Bedingungen vor dem Hintergrund bestehender Systeme analysiert und auf Basis des zukünftigen Nutzungspotenzials eine Standort- und Systemplanung erstellt, ist Voraussetzung für den Erfolg eines Fahrradverleihsystems für Trier“, so Kaes-Torchiani. Leider liege für die Planungskosten noch kein Bewilligungsbescheid aus Mainz vor, bedauert man im Rathaus.

Unterdessen ward von der geplanten Fahrradstation am Hauptbahnhof nichts mehr gehört. Auch hierfür wurden bereits umfangreiche Potenzialanalysen erstellt, und auch in eine „Studie zur vorbereitenden Konzeptionierung einer Fahrradstation“ flossen längst Steuergelder. Ein Bau der Anlage, die bereits 2011 fertiggestellt sein sollte, ist aber nach wie vor nicht in Sicht.

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