„Es ist nicht leichter geworden“
Heute in einer Woche soll der Stadtrat über die Fortschreibung des Schulentwicklungskonzepts entscheiden. Ob der Termin gehalten werden kann, scheint indes fraglich. Nachdem die stärkste Ratsfraktion am Mittwochabend eine Bürgerinformation ausrichtete, ließ CDU-Fraktionschef Dr. Ulrich Dempfle erkennen, dass ihm eine Vertagung der Entscheidung durchaus gelegen käme. „Es ist nicht leichter geworden nach diesem Abend“, befand der Jurist nach der Veranstaltung, in deren Verlauf von Martin über Egbert bis zum Heiligkreuzer Hort vor allem Wünsche für den Erhalt der jeweiligen Einrichtungen formuliert wurden. Es war der Jüngste in der Runde der Redner, Jugendparlamentschef Louis-Philipp Lang, der dann klare Worte fand: „Wenn wir den Elternwillen zur Priorität machen, dann können wir keine Schule schließen.“
TRIER. An diesem Donnerstag treffen sich der Stadtvorstand mit OB Klaus Jensen (SPD) an der Spitze und die Chefs der Ratsfraktionen zu einem weiteren Gespräch in Sachen Schulentwicklungskonzept. Es dürfte einigermaßen schwierig werden, eine breite Mehrheit auf eine gemeinsame Linie einzuschwören. Zu weit liegen die unterschiedlichen Vorstellungen zwischen den Fraktionen auseinander – vom völligen Verzicht auf Grundschulschließungen, wie von der Linke gefordert, bis zur Aufgabe von bis zu fünf Standorten, wie er in der Vorlage des Stadtvorstands vorgeschlagen wird. Einzig dass die total marode Grundschule Reichertsberg aufgegeben werden muss, scheint Konsens, doch an welchem Standort diese dann mit der Grundschule Pallien fusioniert würde, darüber herrscht bereits wieder Dissens zwischen den Fraktionen. „Es geht jetzt für viele darum, das Gesicht zu wahren“, beschreibt ein Beteiligter die wenig berauschende Ausgangslage, hinter den Kulissen finde derzeit eine Art Kuhhandel statt.
Auch Dr. Ulrich Dempfle wird heute mit am Tisch sitzen. Der Chef der stärksten Ratsfraktion und auch CDU-Kreischef Bernhard Kaster waren am Mittwochabend auf einer Veranstaltung ihrer Partei jedoch erkennbar bemüht, der Debatte etwas von ihrer Schärfe zu nehmen. Demonstrativ konziliant klang es jedenfalls, als Kaster betonte, die Union habe Respekt für die Haltung der anderen Fraktionen und nehme den politischen Mitbewerbern ab, dass auch diese „das Beste für unsere Schule wollen“. Und Dempfle bekannte gar: „Keiner von uns glaubt, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben“. An die Adresse der gut 150 Menschen in der HGT-Aula gerichtet erklärte der Fraktionschef: „Wir sind auch nicht schlauer, als Sie“. Dempfle wie auch Kaster unterstrichen sodann, dass ihnen an einem möglichst breiten Konsens im Rat gelegen sei. Schließlich handele es sich beim Schulentwicklungskonzept um eine Weichenstellung für die kommenden Jahrzehnte.
Seit fast vier Jahrzehnten existiert der Heiligkreuzer Hort schon. Doch dessen Zukunft scheint fraglich, denn die derzeitige betreuende Grundschule vor Ort soll in eine Ganztagsschule umgewandelt werden, was im Gegenzug bedeuten würde, dass der Hort in andere Räume ausweichen oder sogar komplett weichen müsste – so sich die Politik denn dagegen entscheiden sollte, Parallelstrukturen aufrechtzuerhalten. Dass Thema Hortbetreuung hatte bis vergangene Woche in der öffentlichen Debatte kaum eine Rolle gespielt, nun gewinnt es kurz vor Toresschluss an Brisanz. Zahlreiche Eltern appellierten am Mittwoch an die CDU, sich für den Erhalt des bewährten Angebots in Heiligkreuz einzusetzen. Als Dempfle erklärte, angesichts des bestehenden Horts sei es in der Tat fraglich, ob ein Ganztagsangebot an der Grundschule Heiligkreuz wirklich so schnell kommen müsse, wie in der Vorlage des Stadtvorstands vorgesehen, war das manchen zu wenig klare Kante. Sie wollten vielmehr eine Existenzgarantie. Caritas-Chef Bernd Kettern schaltete sich ein und forderte, seine Partei müsse darauf drängen, dass das Thema Hortbetreuung insgesamt einen größeren Stellenwert im Schulkonzept erhalte. Auch sei die Kommunikation in diesem Bereich bislang suboptimal gelaufen.
Zahlreich vertreten waren auch Eltern der von einer Schließung bedrohten Schulen in Martin, Egbert, Kürenz oder auch Quint. Dass die CDU Martin und Kürenz erhalten möchte, hatte sie bereits deutlich gemacht, und im Fall von Quint soll die Entscheidung ohnehin nicht vor 2015 fallen. Doch eine weitere „Hängepartie“ wolle man nicht mehr akzeptieren, erklärte ein Teilnehmer. Die fehlende Planungssicherheit werde ohnehin für einige Schulen immer mehr zum Problem; Eltern meldeten ihr Kind gleich an einer anderen Schule an, weil sie sich nicht sicher sein könnten, wie lange die Grundschule vor Ort überhaupt noch bestehe. „Nicht schon wieder verschieben“, verlangte denn auch ein Vater, von einem „Damoklesschwert“, das ständig über der Schule in Quint schwebe, sprach eine Mutter. Und Ortsvorsteher Günther Merzkirch meinte schließlich: „Wenn doch der Elternwille so deutlich ist, kommt die CDU ja nicht drum herum, gegen die Schließung von Quint zu stimmen.“
Vielleicht war es dieser Beitrag seines Ehranger Parteifreunds, den Louis-Philipp Lang auf den Plan rief. Lang ist 17 Jahre alt, in der Jungen Union aktiv und Chef des noch jungen Trierer Jugendparlaments. Am Ende der gut zweistündigen Diskussion meldete er sich zu Wort: „Wir wollten Einsparungen erreichen“, gab er zu bedenken und machte schließlich deutlich, dass ihm die ganze Richtung der Diskussion nicht gefiel: „Wenn wir uns den Elternwillen zur Priorität machen, dann können wir keine Schule schließen“. Lang warnte davor, dass die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion das Konzept „zerreißen“ werde. „Machen Sie sich noch einmal Gedanken, den finanziellen Aspekt mit rein zu bringen“, appellierte er. Zuvor hatte auch der parteilose Ortsvorsteher von Trier-Mitte/Gartenfeld, Dominik Heinrich, erklärt, er komme sich vor wie bei einem „Sorgentelefon“, auch wenn er die Veranstaltung grundsätzlich begrüßte. Heinrich warnte davor, nun alles zu zerreden: „Wir müssen uns klar machen, dass es am Ende auch Schulschließungen geben wird“. Zugleich sprach er sich für den Erhalt der Egbert-Grundschule aus, eine Verlagerung nach Olewig sei keine Option.
Egbert ist so ziemlich die einzige Schließung, welche die CDU derzeit mittragen würde. Einen Neubau an gleicher Stelle, wie vom Stadtvorstand ins Gespräch gebracht, lehnt die Union jedenfalls ab. Welchen Stellenwert das Kostenargument überhaupt haben darf, darüber gingen die Meinungen am Mittwoch auseinander. Während eine Mutter der Martin-Grundschule darauf verwies, dass Trier ohnehin schon seit Jahrzehnten keinen ausgeglichenen Haushalt mehr habe aufstellen können, eine „Bildungspolitik aus finanziellen Gründen“ für sie aber ein Skandal bleibe, meinte ein Vater, man solle doch bei den Schulen das tun, was man ohnehin seit Jahren mache: „mit geliehenem Geld investieren“.
„Es ist nicht leichter geworden“, zog Dempfle am Ende der Diskussion ein erstes Fazit, um dann zu ergänzen, es sei „schon ein bisschen verblüffend“, wie zufrieden die Eltern und Lehrer nun mit ihren Schulen seien – wo er als Ratsmitglied doch noch vor drei bis vier Jahren immer nur gehört habe, „in welchem miserablen Zustand“ die Gebäude doch seien. Dempfle ließ erkennen, dass ihm eine Vertagung der Entscheidung von März auf April durchaus entgegenkomme. Es müsse nun darum gehen, eine möglichst breite Mehrheit zusammenzubekommen, verlangte Dempfle. Das Thema sei zu wichtig und weitreichend, um es nun mit knappster Mehrheit zu entscheiden.
von Marcus Stölb