„Es gibt keinen Grund, etwas zu verschleiern“

Nach dem folgendschweren Baumunglück vom vergangenen Donnerstag, bei dem eine ältere Frau in der Trierer Altstadt getötet wurde, hat Klaus Jensen (SPD) Fehler in der Informationspolitik des Rathauses eingeräumt. „Das ist falsch gelaufen“, erklärte der OB am Dienstag mit Blick auf die gestrige Fällung einer Kastanie im Rautenstrauchpark. Zugleich betonte er, dass vonseiten der Stadt ein unverändert hohes Interesse an einer lückenlosen Aufklärung der Unglücksursache bestehe: „Es gibt keinen Grund, etwas zu verschleiern“. Franz Kalck, Leiter der Grünflächenamts, übernahm die Verantwortung für die Kommunikationspanne vom Montag und entschuldigte sich: „Es war mein Fehler“. Unterdessen hat sich die Staatsanwaltschaft von der Verwaltung die für ihre Vorermittlungen notwendigen Unterlagen aushändigen lassen.

TRIER. Von „einer Reihe von Irritationen“ sprach der Stadtchef, von Gerüchten, die nun im Umlauf seien. Zum zweiten Mal binnen vier Tagen hatte Klaus Jensen die lokalen Medien zum Gespräch geladen, sehr kurzfristig wurde der Termin angesetzt. Im Rathaus hatte man spätestens nach der Berichterstattung vom Montagabend erkannt, dass es einiges zu erklären gab. Doch bevor der OB auf die Versäumnisse der Verwaltung einging, stellte er klar: „In der Sache selbst gibt es keine Veränderung“. Soll heißen: An den Fakten habe sich seit der Pressekonferenz vom vergangenen Freitag nichts geändert.

Sowohl die umgestürzte als auch die am Montag gefällte Kastanie wurden laut Jensen und Grünflächenamtschef Franz Kalck am 1. Oktober im Rahmen der jährlichen Baumkontrolle visuell überprüft. Hierbei seien die beiden rund 15 Meter hohen und etwa 80 Jahre alten Gewächse auf eine Liste jener Bäume gekommen, die noch einer eingehenderen Kontrolle unterzogen werden sollen. „Es hat am 1. Oktober keinen Hinweis auf Standunsicherheit gegeben, es gab keinen akuten Handlungsbedarf“, versicherte Jensen noch einmal.

Akuten Handlungsbedarf sahen die Mitarbeiter des Grünflächenamts dann am Montag. Bereits am vergangenen Freitag hatte man die zweite Kastanie der eigentlich für einen späteren Zeitpunkt vorgesehenen Zweitkontrolle unterzogen. Diese eingehendere Prüfung sei vorgezogen worden, weil sich die Mitarbeiter aufgrund der Aufräumarbeiten infolge des Unglücks ohnehin vor Ort befunden hätten, erklärte Kalck. Für den Montag dieser Woche sei zunächst nur ein Kronenrückschnitt vorgesehen gewesen. Nach einem Blick auf die Baumkrone hätten sich die Mitarbeiter jedoch zusätzlich zu einer Bohrwiderstandsmessung entschlossen. Er sei dann von seinen Mitarbeitern telefonisch darüber informiert worden, dass die Messungen ergeben hätten, dass die Kastanie „in der Form nicht mehr standsicher“ war. Daraufhin habe das Grünflächenamt entschieden, den Baum sofort zu fällen.

Kalck räumte ein, weder den Oberbürgermeister noch die Baudezernentin oder das Presseamt umgehend über diese Entscheidung informiert zu haben. „Es war mein Fehler“, erklärte er und übernahm damit die Verantwortung für die Informationspanne. Auch Jensen erklärte unmissverständlich: „Was nicht richtig war, war die Informations- und Kommunikationspolitik. Es ist falsch gelaufen“. Der OB weiter: „Hätten wir es gewusst, dann hätten wir erst die Presse informiert“. Er habe nach wie vor ein „ganz großes Interesse, das aufzuklären“, betonte Jensen. Es gebe aus Sicht der Verwaltung auch keinen Grund, Informationen zurückzuhalten – auch nicht die über die ursprünglich vorgesehene Zweitkontrolle des Unglücksbaums. Die Baudezernentin blieb auch am Dienstag bei ihrer Darstellung, die Presse schon am vergangenen Freitag über dieses Detail informiert zu haben. Keiner der in beiden Pressegesprächen anwesenden Medienvertreter vermag sich hieran zu erinnern. Jensen sagte: „Es gibt kein Verschleiern, und es gibt auch keinen Grund, etwas zu verschleiern“.

Am Dienstag war die Staatsanwaltschaft im Rathaus und ließ sich die für ihre Vorermittlungen notwendigen Unterlagen aushändigen. Darunter auch die entsprechenden Protokolle aus dem Baumkontrollsystem. Laut Kalck waren sämtliche Daten, die den Unglücksbaum betreffen, seit dem 1. Oktober in dieses System eingepflegt. Zwar ließen sich nachträglich Veränderungen am Datenbestand vornehmen, doch würden diese Änderungen allesamt vom System dokumentiert. Somit könne man jederzeit nachvollziehen, wer etwas an den Daten verändert habe. Das System lasse sich nicht manipulieren, und alle Daten, die am 1. Oktober gespeichert worden seien, seien unverändert geblieben, versicherte Kalck. Im konkreten Fall des Baumes, der am vergangenen Donnerstag eine Frau erschlug, müsse nun geklärt werden, ob es erkennbare Anzeichen für ein drohendes Baumversagen gab. Hierzu diene das von der Staatsanwaltschaft veranlasste Gutachten. „Die Frage ist: Konnte man es sehen?“, so Kalck, der aber auch sagte: „Es gibt keine absolute Sicherheit bei Bäumen. Ein Baum ist ein lebendes Objekt“.

Nach Auskunft des Amtsleiters müssen sich aktuell 117 Bäume einer weiteren Prüfung unterziehen. Hiervon würden 34 in den kommenden vier Wochen eingehender geprüft. Die beiden Kastanien im Rautenstrauchpark waren laut Kalck im Kontrollsystem in die Kategorie „Mittel“ einsortiert und hätten demnach binnen sechs Monaten erneut überprüft werden müssen.

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