„Es geht um unsere Zukunft“

Mehr als zwei Stunden diskutierten am Montagabend Politiker aus der Region mit dem Mainzer Minister Roger Lewentz (SPD) über die Verkehrsinfrastruktur in und um Trier. Während sich gefühlte 95 Prozent der Debattenbeiträge um Straßenprojekte wie den Lückenschluss der A 1 oder die Forderung nach der West- und Nordumfahrung Triers drehten, blieb der Umweltverbund in der Diskussion weitgehend auf der Strecke. Dabei warnte OB Jensen vor einem „Zusammenbruch des ÖPNV in der Fläche“, und im Schienenverkehr zeichnen sich spürbare Veränderungen ab. Schon ab Dezember soll die Zahl der IC-Verbindungen nach Trier halbiert werden, nach Luxemburg führe dann nur noch ein Intercity täglich. Damit würden auch von Pendlern genutzte Verbindungen ins Nachbarland wegfallen. Lewentz stellte klar, dass er sich auf einen von der Deutschen Bahn AG unterbreiteten Deal nicht einlassen werde.

TRIER. Bernhard Kaster (CDU) ließ nicht locker, doch vermochte auch er den Minister nicht aus der Reserve zu locken. Ein ums andere Mal hatte Roger Lewentz (SPD) sein Angebot eines Dialogs mit der Region wiederholt und betont, er werde noch häufiger vorbei kommen, um sich ein Bild von der Verkehrssituation vor Ort zu machen. Dann, so die Botschaft, könne man über alles reden. Über alles? Mitnichten. Denn nachdem SPD und Grüne in ihrem Koalitionsvertrag die seit Jahrzehnten diskutierten Projekte Moselaufstieg und Nordumfahrung faktisch abmoderiert haben, stehen diese Themen für die Landesregierung nicht mehr auf der Agenda. Lewentz hätte das offen und klar sagen können. Stattdessen lächelte er in die Runde und erklärte dem Trierer Bundestagsabgeordneten, dass dieser doch „lange genug im Geschäft“ sei um zu wissen, dass auch ein Minister nicht mal eben Abmachungen des Koalitionsvertrags abändern könne.

Lange genug im Geschäft sind die meisten der Protagonisten, die bei der Verkehrskonferenz am Montagabend im Tagungszentrum der IHK das Wort ergriffen. Die Kammern hatten eingeladen, ebenso die Vereinigung Trierer Unternehmer sowie die Initiative Region Trier. Es entspann sich eine jener Diskussionen, die sich schnell im Kreis drehen, weil die Beteiligten entweder keine klare Positionen beziehen oder aber von ihren alt bekannten Forderungen nicht abrücken. An diesem Abend traf gleich beides aufeinander.

Einen regelrechten Forderungskatalog hatte gleich zu Beginn IHK-Präsident Peter Adrian vorgelegt und erklärt: „Es geht um die Zukunft unserer Region, denn Mobilität ist Zukunft“. Der Lückenschluss der A 1 in der Eifel müsse kommen, die Ankündigung der Landesregierung, nun auch eine „Nullvariante“ zu prüfen, sei „besorgniserregend“. Adrian verlangte einmal mehr die West- und Nordumfahrung für Trier und den vierspurigen Ausbau der Biewertalbrücke. Was den Nahverkehr anbelangt, befand er mit Blick auf den rot-grünen Koalitionsvertrag: „Verbindliche Aussagen zum ÖPNV sucht man vergebens“. Während OB Klaus Jensen (SPD) ebenfalls den Ausbau der Biewertalbrücke und die Fertigstellung des A-1-Lückenschlusses verlangte – „das schreit nach einer Verbindung“ – erinnerte er in seinem Grußwort als IRT-Vorsitzender auch daran, dass zur Mobilität ebenso der Nahverkehr zählt. „Wir brauchen neue Finanzierungswege, um einen Zusammenbruch des ÖPNV in der Fläche zu verhindern“, appellierte Jensen an alle Beteiligten; er sehe die Gefahr, dass der Nahverkehr aufgrund der demographischen Entwicklung „massiv zurückgebaut werden muss“. In eine pikante Situation geriet der OB, als er den Bau des Moselaufstiegs forderte. Jensen lehnt das Projekt bekanntlich ab, doch hat ihn eine Mehrheit des Stadtrats im Juni dazu aufgefordert, sich weiterhin für das Vorhaben einzusetzen. Der Stadtchef ist an diesen Beschluss gebunden. Doch ließ Jensen am Montag wieder durchblicken, was er vom Moselaufstieg und vergleichbaren Großprojekten hält, und ausgerechnet Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer bot ihm hierfür eine Steilvorlage: Der Christsoziale hatte schon im Juli erklärt, dass aufgrund der Haushaltslage des Bundes auf absehbare Zeit nur noch die wichtigsten Neubauprojekte in Angriff genommen werden könnten und ansonsten dem Erhalt der Substanz Vorrang einzuräumen sei.

Kaster: Region muss keine Sparvorschläge machen

Auch Lewentz sollte Ramsauer noch zitieren, doch machte der Minister deutlich, dass der Spielraum des Landes ebenfalls immer enger wird: Um die Nettoneuverschuldung bis 2020 auf Null zu bringen, müssten im nächsten Jahr 36 Millionen Euro im Verkehrsetat eingespart werden; 2013 sogar 76 Millionen. „Neubaumaßnahmen wird es in den nächsten Jahren nicht geben“, erklärte der Infrastrukturminister, der vor 121 Tagen sein Amt antrat. Begonnene Maßnahmen würden aber fortgeführt. Bezüglich der A 1 erklärte Lewentz: „Wir haben an keiner Stelle die Planung gestoppt“. Ob der Lückenschluss kommen wird, wollte der Minister aber nicht verbindlich zusagen. Da halfen auch alle eindringlichen Appelle der Befürworter nichts, etwa der des VTU-Chefs Frank Natus. Oder der von Heinz Onnertz, dem Landrat des Vulkaneifelkreises: 150 Millionen Euro seien bereits in den Ausbau der A 1 investiert worden, wenn der Lückenschluss nicht komme, sei das Geld „in den Sand gesetzt“.

Tatsächlich fehlt an allen Ecken und Ende das Geld für groß angelegte Neubauprojekte, was die Grünen-Landtagsabgeordnete Jutta Blatzheim-Roegler zu der eher unglücklichen Feststellung verleitete, dass die Befürworter des A-1-Lückenschlusses angesichts neuerlicher Untersuchungen des Projekts doch eigentlich keinen Grund zur Sorge hätten: „Sie verlieren keine Zeit, es ist ohnehin kein Geld da“. Eine Bemerkung, die im Publikum und auf dem Podium nicht gut ankam. Für Bernhard Kaster war das Maß zu diesem Zeitpunkt längst voll: In Sachen A 1 sei die Beschlusslage „so was von klar“ gewesen, dass er beim besten Willen nicht verstehe, weshalb das Projekt nun wieder infrage gestellt werden konnte. „Da bedarf es keiner weiteren Diskussion“, erklärte der Unionsmann.

Als Bernhard Kaster 2002 erstmals in den Bundestag gewählt wurde, schickte ihn seine Fraktion sogleich in den wichtigen Haushaltsausschuss. Seit 2005 zählt er als einer der Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU zum engeren Zirkel der großen Regierungsfraktion. Als der Trierer von Moderator Thomas Vatheuer gefragt wurde, woher denn das Geld für die von ihm geforderten Verkehrsprojekte wie den Moselausstieg kommen solle, erklärte der 54-Jährige: „Die Region braucht sich nicht die Sorgen des Bundeshaushalts machen“. Kaster weiter: „Wir können doch nicht aus der Region heraus Sparvorschläge für den Bund machen“. Sodann behauptete Kaster ein weiteres Mal, dass der Moselaufstieg nach seiner Auffassung längst im Bau sein könnte, wenn denn die sozialdemokratisch geführte Landesregierung sich nur engagiert genug dafür eingesetzt hätte.

Lewentz lehnt Bahn-Deal ab

Auch die Sozialdemokraten im Kreis Trier-Saarburg befürworteten lange Zeit die Westumfahrung, anders als ihre Genossen in der Stadt. Nun haben sich SPD-Kreisverbände sowie Bundestags- und Landtagsabgeordnete auf eine einheitliche Linie geeinigt. Man wolle nur „das Machbare“ fordern, sagte Astrid Schmitt, Landtagsabgeordnete aus der Vulkaneifel. So müsse bis 2015 entlang der Westtrasse im Bereich des Messeparks ein Haltepunkt gebaut werden. Der Ausbau der Biewertalbrücke könne erst dann eine sinnvolle Entlastung bringen, wenn dieser mit der Erweiterung der Ehranger Brücke und dem vierspurigen Ausbau des Zwischenstücks kombiniert werde. „Das Land muss schnell handeln, um die bestehende Verbindung zwischen der A64 und der A602 bzw. zur A1 so auszubauen, dass sie das heutige und zukünftige Verkehrsaufkommen aufnehmen kann“, heißt es einer Erklärung, die auch von der Trierer SPD-Vorsitzenden Malu Dreyer unterzeichnet ist.

Nicht mehr viel Zeit bleibt in Sachen Fernverkehr: Wie Lewentz am Montag erklärte, will die Deutsche Bahn AG das IC-Angebot von und nach Trier bereits im kommenden Dezember halbieren – auf nur noch drei Verbindungen täglich. Nach Luxemburg soll künftig nur noch ein IC pro Tag fahren, bislang sind es an Werktagen fünf. Nur unter der Bedingung, dass das Land dem Unternehmen jährlich zwei Millionen Euro überweist, sei die Bahn noch bereit, das bestehende Angebot aufrecht zu erhalten. Darauf lasse er sich aber nicht ein, so Lewentz.  Sollte der Konzern sein Angebot nach Trier zusammenstreichen, könnte dies auch Folgen für den Nahverkehr haben. Denn bislang verkehren in jenen Stunden, in denen ICs nach Luxemburg fahren, keine Regionalexpresszüge ins Nachbarland. Ob man beim zuständigen Zweckverband SPNV Nord schon Pläne für eine Kompensation dieser Verbindungen hat, war am Dienstag nicht zu erfahren.

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