„Es droht ein herber Vertrauensverlust“

Zahlreiche Trierer Vereine und Verbände schlagen Alarm: In einem offenen Brief warnen sie die Stadt vor Kürzungen bei den Leistungen im Jugend- und Sozialbereich. Von einem „beispiellosen Vorgang“ ist die Rede, man sei schockiert und bestürzt. Von einem „Kahlschlag“ schreiben die Unterzeichner des Briefs, von einer „existenziellen Bedrohlichkeit dieser Vorgehensweise“. Hintergrund ist eine von Bürgermeisterin und Sozialdezernentin Angelika Birk (B90/Die Grünen) kürzlich gemachte Ankündigung einer Sparvorgabe von fünf Prozent. Im Rathaus äußert man zwar Verständnis für die Sorgen der freien Träger, verweist aber auch auf die Haushaltsnöte der Stadt. Vor der nächsten Ratssitzung soll es eine Demonstration auf dem Augustinerhof geben.

TRIER. Es wurde ein regelrechter Brandbrief, verfasst nach „anfänglicher Sprachlosigkeit“, wie es in dem Schreiben heißt. Vorausgegangen war ein Gespräch der freien Träger in der Stadt Trier mit Bürgermeisterin Birk. „Schockiert und mit Bestürzung“ habe man bei der Gelegenheit von den geplanten Kürzungen bei den Leistungen der kommunalen Daseinsvorsorge im Jugend- und Sozialbereich erfahren. „In einem beispiellosen Vorgang wurde ohne Ansehen der Folgen für die Träger, deren Adressaten und die Lebensqualität in der Stadt Trier Kürzungen in Höhe von fünf Prozent im laufenden Haushalt 2012 und die folgenden Jahre angekündigt. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass dies nur der Einstieg in weitere Kürzungen sein könnte“.

Die Liste der Unterzeichner reicht vom Bürgerhaus Trier-Nord über den Caritasverband Trier e.V., die Ehrenamtsagentur, das Exzellenzhaus, die Fachstelle für Kinder- und Jugendpastoral, das Jugendwerk Don Bosco Trier-West/ Helenenberg und die Jugendzentren „Auf der Höhe“ und Euren bis zur Lebensberatung des Bistums. Der Standort Trier von Lernen fördern hat sich dem Protest ebenso angeschlossen wie der Mergener Hof e.V.,  die Mobile Spielaktion,  der Palais e.V., Pro Familia,  SEKIS, Starthilfe Trier e.V., die Trierer Suchtberatung Die Tür, der Treffpunkt am Weidengraben, Trierer Jugendparlament und der Verein Jugend und Arbeit e.V. Gemeinsam fordern die Vereine und Verbände: „Sparen Sie nicht am falschen Ende! Sparen Sie nicht an der Jugend und den Schwächsten unserer Stadt! Gefährden Sie nicht die mühsam aufgebauten Angebotsstrukturen im Sozialbereich! Investieren Sie weiter in die Zukunft eines lebenswerten Triers!“

Das Problem für die Stadt und ihre Spitze sowie den Rat: Ob richtig oder falsch – längst muss an allen Ecken und Enden gespart werden, will Trier noch den Vorgaben der Kommunalaufsicht nachkommen. Im April hatte die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) den städtischen Haushalt für das laufende Jahr genehmigt – allerdings unter der Auflage, dass 2012 noch eine zusätzliche „Ergebnisverbesserung“ um 1,9 Millionen Euro bewerkstelligt wird. Quer durch alle Fraktionen herrscht seither große Ratlosigkeit, wo denn dieses Geld noch aufgetrieben werden soll angesichts der seit Jahren desaströsen Haushaltslage und vorangegangener Konsolidierungsbemühungen (wir berichteten). Aus der Verwaltung hieß es am Freitagmittag auf Anfrage, man habe durchaus Verständnis für die Sorgen der Freien Träger, müsse aber auch nach Wegen und Möglichkeiten suchen, den Auflagen der ADD gerecht zu werden. Der offene Brief sei ein „ernst zu nehmender Vorgang“, erklärte der Sprecher Stadt, Dr. Hans-Günther Lanfer gegenüber 16vor. Das Thema werde am Montag sicherlich den Stadtvorstand beschäftigen.

Vereine warnen vor Vertrauenskrise

Man verschließe sich der Realität und der Finanzsituation der Stadt nicht, betonen unterdessen Vereine und Verbände. Aber: „Mit Blick auf den desolaten Haushalt der Stadt, den bestehenden Schuldenberg und die daraus resultierenden schwindenden Gestaltungsspielräume der kommunalen Selbstverwaltung haben die Träger von Sozialeinrichtungen, Beratungsstellen und Einrichtungen der Jugendsozialarbeit bereits in den letzten beiden Dekaden schleichende Kürzungen mitgestaltet und damit den städtischen Haushalt entlastet“. Während Löhne und Sachaufwendungen ständig gestiegen seien, habe man „durch Ausschöpfung aller Effizienzreserven und durch kluges Haushalten die in den letzten Jahren stagnierenden Zuwendungen“ kompensiert.  Weiter heißt es in dem Brief: „Der kommunale Rückzug aus der Finanzierungsverantwortung für eine auskömmliche finanzielle Ausstattung der freien Träger gefährdet zudem Landesmittel und Mittel anderer Dritter, dort wo deren Kofinanzierung von der städtischen Förderhöhe abhängt. Dies ist in diesen Fällen dann in der Folge für die betroffenen Träger immer gleichbedeutend mit faktischen Kürzungen im zweistelligen Prozentbereich“. Hinzu kämen „lang erwartete Lohnanpassungen von voraussichtlich bis zu 6 Prozent, die die Einsparnotwendigkeiten bei einzelnen Trägern real auf annähernd 18 bis 20 Prozent erhöhen können“, machen die Unterzeichner ihre Rechnung auf.

Da die Einsparvorgabe zudem für das laufende Jahr gelte, müssten die Mittel in der Hälfte der Zeit eingespart werden, da die Ausgaben aus dem ersten Halbjahr nun nicht mehr beeinflusst werden könnten. Vor diesem Hintergrund könne nicht ausgeschlossen werden, dass die geplanten Kürzungen bei einzelnen Einrichtungen existenzbedrohend werden könnten. Es drohe zudem ein „herber Vertrauensverlust in die kommunalen Entscheidungsträger“, weil die Kürzungen auch Leistungen beträfen, „die die Träger im Vertrauen auf städtische Zuwendungszusagen bereits erbracht haben“. Verschärft werde das Problem noch dadurch, dass die Stadt das „Rasenmäherprinzip“ anwesen und auf politische Schwerpunktsetzungen verzichten wolle.

Bei ihrem Brief wollen es die Vereine und Verbände nicht belassen, für den 28. Juni rufen sie für 15 Uhr zu einer Demonstration auf. Vor dem Rathaus, wo an diesem Tag die letzte Ratssitzung vor der Sommerpause ansteht, will man sich Gehör verschaffen.

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