Entscheidet euch!

Bis zur Kommunalwahl sind es noch 18 Monate, doch werden 2013 die Weichen für diesen Urnengang gestellt; auch die Frage, wer ins Rennen um das Amt des Oberbürgermeisters ziehen wird, sollte Ende des Jahres beantwortet sein. Spannende Zeiten scheinen also programmiert, wäre da nicht ein generelles Unbehagen an der Trierer Kommunalpolitik. Es fehlt an Führung, bedeutsame Entscheidungen wurden vertagt, Konzepte für unverbindlich erklärt, noch bevor sie verabschiedet sind. Im Stadtvorstand agieren die Dezernenten Birk und Egger glücklos, OB Jensen (SPD) müsste bei wichtigen Themen stärker die Initiative ergreifen. Dass in manchen Stadtteilen die Kirchturmpolitik fröhlich Urständ feiert, macht die Sache nicht leichter. Ein kommentierender Ausblick auf das gerade begonnene Vorwahljahr. 

TRIER. Das Amt des Trierer Oberbürgermeisters ist ein schönes – und eines, das derart viele Fähigkeiten verlangt, dass man sich fragt, ob es den idealen Amtsinhaber überhaupt geben kann. Der OB ist Chef von rund 1.400 Verwaltungsmitarbeitern, über deren Einsatzgebiet er nur eingeschränkt entscheiden darf. Stellt sich Amtsleiter X als Totalausfall heraus, kann er ihn nicht kurzerhand in Abteilung Y versetzen oder entlassen. Der OB ist Vorsitzender des Stadtrats und in dieser Funktion zu einer gewissen Neutralität verpflichtet – und dazu, mehrstündige Sitzungen souverän zu leiten. Gleichzeitig darf man von ihm erwarten, dass er in wichtigen Fragen Position bezieht und die Richtung vorgibt. Und natürlich ist der OB oberster Repräsentant der Stadt, der Trier von Ascoli Piceno bis Xiamen würdig vertreten und die richtigen Worte für unterschiedlichste Anlässe finden muss – von der Prinzen-Proklamation auf dem Hauptmarkt bis zum Gedenken an die Pogromnacht.

Es wird sich kaum jemand finden, der alle diese Fähigkeiten in sich vereint. Darüber kann auch die bisweilen zu beobachtende Glorifizierung der Schröer-Jahre nicht hinwegtäuschen. Der Christdemokrat hat sich große Verdienste erworben, ihn eines Tages zum Trierer Ehrenbürger zu ernennen, wäre nicht unangemessen. Doch war Schröers Amtsführung nicht unumstritten. Sein Politikstil, wie auch der seines langjährigen, ungleichen Weggefährten Georg Bernarding, hatte sich überlebt; manches von dem, woran Stadt und Verwaltung heute kranken, ist auch ein Ergebnis dieser Jahre. Was Schröer ausmachte, fehlt Jensen völlig – und umgekehrt.

Der amtierende Stadtchef ist ein hervorragender Repräsentant und guter Redner, und er kann zuhören. Diese und weitere Eigenschaften zeichnen ihn aus, sind sympathisch und notwendig. Doch dem 60-Jährigen fehlt der Wille, politische Konflikte einzugehen und um Mehrheiten zu kämpfen. Jensens Fähigkeit zum Ausgleich würde für einen Stadtvorstand ausreichen, der sich als Team versteht und dessen Mitglieder politisches Geschick mitbringen. Doch einen solchen Stadtvorstand hat Trier derzeit nicht. Der 2009 vom damaligen Ampelbündnis versprochene Aufbruch blieb aus, doch die Dezernenten, die SPD, Grüne und FDP wählten, sind im Amt – und enttäuschen. Angelika Birk, weil sie in der Schulpolitik einen Zeitplan setzte, der nicht einzuhalten war. Wer aber Erwartungen weckt und diese nicht einlöst, provoziert Enttäuschungen. Die waren bei einem Projekt wie dem Schulentwicklungsplan mit der absehbaren Schließung einzelner Grundschulen zwar ohnehin programmiert, doch weil es der Grünen an klaren und nachvollziehbaren Kriterien ebenso mangelt(e) wie an einer durchdachten Strategie, musste Birk in die Defensive geraten.

Thomas Egger kannte sich in der Trierer Kommunalpolitik bestens aus, als er 2010 ins Amt kam. Dachte man und wundert sich nun umso mehr, wie wenig Profil der Liberale auch nach drei Jahren an der Spitze seines Dezernats gewonnen hat. „Synergie-Effekte“ zwischen Wirtschaft und Kultur wolle er schaffen, lautete eines der Argumente, mit denen sich Egger für das Doppelamt empfahl. Inzwischen bekommt man nicht einmal mehr mit, dass Trier einen Wirtschaftsdezernenten hat. Vor Egger türmt sich ein Berg von Herausforderungen auf: Er wird 2013 sowohl ein Konzept für die Neuauflage von „Brot und Spiele“ vorlegen müssen, wie eines für die künftige Struktur des Theaters; zudem lassen die kulturpolitischen Leitlinien auf sich warten. Dass der Stadtrat eines von Eggers wichtigsten Vorhaben, die Gründung einer „Trier Tourismus und Marketing GmbH“ im Dezember wegen weiterem Beratungsbedarf von der Tagesordnung absetzte, verhagelte dem Freidemokraten vollends die Jahresbilanz.

Der Vierten im Bunde wird es nicht mehr gelingen, eine Mehrheit der Trierer für sich zu begeistern. Simone Kaes-Torchiani ist sich dessen möglicherweise bewusst – und wird sich davon nicht beirren lassen. Die Baudezernentin hat wichtige Vorhaben auf den Weg gebracht, etwa in Trier-West und in Feyen. Auf dem Bobinet-Gelände und in Castelnau werden diese Veränderungen 2013  sichtbarer werden. Mit der reibungslosen Umsetzung der Baumaßnahme „Bitburger“ hat ihr Dezernat zudem viele Skeptiker widerlegt. Eines war Kaes-Torchiani 2012 nicht mehr vergönnt – die Verabschiedung des Mobilitätskonzepts 2025.

Am „Moko“ lässt sich exemplarisch aufzeigen, woran die Trierer Kommunalpolitik krankt: In einem beispiellosen Beteiligungsverfahren wurde sieben (!) Jahre lang an einem Konzept gefeilt. Doch noch bevor das Werk verabschiedet ist, zweifeln einzelne Ratsmitglieder bereits offen dessen Verbindlichkeit an. Und nun sollen elf der 19 Ortsbeiräte ein weiteres Mal das Papier beraten, weil eine Ausschussmehrheit einen verbindlicheren Vorlagentext durchsetzte. Niemand erwartet ernsthaft, dass die im „Moko“ vorgeschlagenen Maßnahmen eins zu eins umgesetzt werden – dafür fehlt schon das Geld. Sollten Stadtrat und -vorstand aber nicht ein klares Signal aussenden, dass sie sich den Zielvorgaben des Konzepts verpflichtet fühlen und bald erste konkrete Maßnahmen ergreifen werden, werden sie ein weiteres Mal den ohnehin schon weit verbreiteten Eindruck verschärfen, dass in Trier allzu viele folgenlose Konzepte produziert werden. Papier mag geduldig sein, Wähler sind es nur bedingt. Auch 2012 ist der Umweltverbund nicht vorangekommen, hat sich bei Regionalbahn, Fuß- und Radverkehr nichts Wesentliches getan. Dass die Preise für Bustickets binnen eines Jahres dreimal anstiegen, kann man Rat- und Verwaltung nicht anlasten, ebenso wenig, dass Trier vom Fernverkehr abgehängt bleibt. Aber es fehlen Perspektiven, und wo sich welche abzeichneten – etwa bei Projekten wie der Fahrradstation am Hauptbahnhof oder der Reaktivierung der Westtrasse – gibt es bis zum heutigen Tag nicht einmal den Ansatz eines Plans, ob und wann diese realisiert werden.

2013 werden die Weichen gestellt werden müssen – für die nächste Stadtratswahl und für die OB-Wahl. Jensen lässt noch offen, ob er erneut antreten wird. Er hat manchen Erfolg vorzuweisen: die Neuausrichtung der Stadtwerke, eine engere Zusammenarbeit mit dem Kreis; auch nehmen ihn die Haushaltsprobleme arg in Beschlag. Sein Problem ist, dass er nicht als jemand wahrgenommen wird, der im Rathaus die Linie vorgibt und notfalls eingreift, wenn die zuständigen Dezernenten sich gegenseitig blockieren oder ihrer Aufgabe nicht gerecht werden. Der OB muss nicht gleich alles zur „Chefsache“ erklären, aber bei so wichtigen Themen wie dem Schulkonzept und dem „Moko“ muss er sich endlich einschalten und öffentlich klar Stellung beziehen – auf dass die Trierer wissen, woran sie mit ihrem Oberbürgermeister sind.

Über Jensens Ambitionen noch einmal anzutreten, dürfte auch das Feld der möglichen Mitbewerber entscheiden. Potenzielle Kandidaten sucht man bislang vergebens, auch wenn in der CDU Namen gehandelt werden – etwa der von ART-Chef Dr. Max Monzel oder der Schweicher Verbandsgemeinde-Bürgermeisterin Christiane Horsch. Von den Mitgliedern des Stadtvorstands bringt außer Jensen erkennbar niemand die Voraussetzungen für das Amt des Stadtchefs mit, und eine Bewerbung von außen müsste bald präsentiert werden, um sich mit der Kommunalpolitik vertraut und den Trierern bekannt zu machen.

Doch wer auch immer 2014 ins Rennen um den Chefsessel im Rathaus ziehen wird – in diesem Jahr müssen Entscheidungen in der Sache fallen, von der Skatehalle über das Schulentwicklungskonzept bis zu Theater und Verkehr. Kirchturmpolitik hilft niemandem weiter, und wenn Eingemeindungsverträge nur noch dafür herhalten sollen, Besitzstandswahrung zu betreiben, ist keinem gedient. Was Stadtvorstand und -rat in den nächsten zwölf Monaten nicht entscheiden, wird auch nächstes Jahr nicht beschlossen. Die Folgen wären Stagnation und eine desaströse Beteiligung bei Kommunal- und OB-Wahl.

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