„Treiben lassen und die Eindrücke genießen“

In einem bis dato beispiellosen Gemeinschaftsprojekt haben über 1000 Menschen aus der Region in den vergangenen Monaten geplant, gebastelt und gekleistert. Entstanden sind über 600 Lampions, die der britische Künstler Bryan Tweddle am Samstag, 17. September, als weitläufiges Gesamtkunstwerk auf dem Petrisberg arrangieren wird. Ab Einbruch der Dämmerung sollen die Lichtkunstwerke erstrahlen.

TRIER. Die Pannen haben sich bislang in Grenzen gehalten: Bis auf eine überambitionierte Gruppe, die ihren Lampion nach der Fertigstellung nicht mehr durch die Tür ins Freie bekam, laufen die Vorbereitungen für das erste Trierer Lichtergartenfest reibungslos. Nicht selbstverständlich, wenn man bedenkt, dass über 1000 Einzelpersonen mit 600 Lampions an diesem Gemeinschaftsprojekt beteiligt sind, das nach dem Willen von Organisatorin Christine Faber nur der Auftakt zu einer festen Veranstaltung im Trierer September werden soll.

„Geklaut“ hat man die Idee aus dem luxemburgischen Wiltz, wo seit fünf Jahren die „Nuit des Lampions“ stattfindet. Mitglieder einer Behindertenwerkstatt bauen dort gemeinsam mit Kindern und Workshop-Teilnehmern Lichtkunstwerke, die den Stadtgarten für eine Nacht in eine magische Zwischenwelt aus Licht und Klang verwandeln. Faber, freie Mitarbeiterin der Petrispark GmbH, hatte sich die Veranstaltung im vergangenen Jahr angesehen und alles darangesetzt, etwas Vergleichbares auch in Trier auf die Beine zu stellen. „Der integrative Gedanke ist uns hier ebenfalls wichtig“, erklärt sie. Durch die Zusammenarbeit mit dem Lebenshilfe e.V. konnten viele Menschen mit Beeinträchtigung für das Projekt gewonnen werden.

Zu ihnen gesellten sich ein Kommunikationsdesign-Seminar der Fachhochschule, ein Kindergarten, mehrere Schulen und zahlreiche Privatpersonen von fünf bis siebzig Jahren: „Die Mitwirkenden sind ein absoluter Querschnitt unserer Gesellschaft – von der Oma bis zur Enkelin“, sagt Faber, die sowohl mit der großen Resonanz als auch mit den Ergebnissen sichtlich zufrieden ist. „Wir haben mit diesem Projekt den Beweis angetreten, dass jeder Mensch ein Künstler sein kann“, sagt sie und fügt hinzu: „Trotzdem glaube ich, dass wir nur an der Oberfläche des Kreativpotenzials unserer Stadt gekratzt haben.“ Gebastelt wurde in einer der Hallen auf dem Bobinet-Gelände, in der die Lampions momentan auch zwischengelagert werden; aber auch in ihren Häusern, in Schulen oder Werkstätten fertigten die Teilnehmer ihre Lichtkunstwerke aus Weidenruten, Spezialpapier und Flüssiglatex. „Vorgaben gab es keine, wir wollten die künstlerische Freiheit eines jeden Einzelnen herausfordern“, so Faber.

Das Ergebnis reicht von geometrischen Grundformen über filigrane Tierfiguren bis hin zu einem Lampion-Modell der Porta Nigra. „Sowohl Erwachsene als auch Kinder waren begeistert bei der Sache.“ Während es sich bei Kindern als pädagogisch wertvolle Beschäftigung herausgestellt habe, die räumliches Vorstellungsvermögen fördere und die Hand-Augen-Koordination schule, sei die Tätigkeit bei den Erwachsenen eher meditativ-entspannender Natur gewesen. „Kaum waren sie bei der Sache, haben sie die Zeit vergessen.“

Die Aufgabe, hunderte einzelner Lampions zu einem schlüssigen Gesamtkunstwerk zusammenzufügen, obliegt dem britischen Künstler Bryan Tweddle, der sich für die Dauer des Projektes in einer Trierer Wohngemeinschaft einquartiert hat. Erfahrungen im Zusammenspiel von behinderten und nichtbehinderten Menschen hat er bereits während der Organisation der Wiltzer „Nuits des Lampions“ sammeln können, die er seit den Anfängen künstlerisch leitet. Das Lichtergartenfest stellt ihn trotzdem vor neue Herausforderungen: „Es ist etwas völlig anderes, ein so großes Areal zu bespielen“, erklärt er. „Die Offenheit des Petrisberges, die Sicht über die Stadt – das ist eine besondere Ausgangslage.“

Die Installation der Lampions wird sich weitestgehend auf den eingezäunten Bereich des Sattelparks beschränken und die Topographie des Geländes spielerisch aufgreifen: Das „Lotto“-Forum verwandelt sich in ein Aquarium mit Fischen, das Beachvolleyballfeld wird zur Wüstenlandschaft, bevölkert von Pyramiden und Kamelen, auf dem Matschspielplatz entsteht ein japanischer Garten. Indirekte Klänge sollen das Geschehen untermalen, ohne dem Zuschauer eine bestimmte Richtung vorzugeben. „Es wird keine Bühne geben, vor der man Wurzeln schlägt“, so Faber. „Der Besucher soll sich über das Gelände treiben lassen und die Eindrücke genießen.“

Eine „Halli-Galli-Veranstaltung mit Biergarten“ möchte man nicht sein, trotzdem sieht das Programm auch Punkte für jene Besucher auf, denen Lampions nicht spektakulär genug sind: Das Titanick-Theater aus Münster verspricht feuersprühende Flug-Performances, Tweddles Freund Chris Squire zeigt bewegte Bilder auf eine ungewöhnlichen Projektionsfläche. Zu viel Konkretes zum Programm möchten Künstler und Organisatorin im Vorfeld bewusst nicht verraten, die Veranstaltung schöpfe viel Reiz auch gerade aus dem Unerwarteten, so Tweddle. „Die Menschen sollen einfach kommen und offen sein.“

Im Anschluss an das Lichtergartenfest werden die Trierer Lampions auf Quattropole-Wanderschaft gehen: In Metz strahlen sie auf der Kunstnacht „Nuit Blanche“, während des Luxemburger Jazz-Festivals „Autumn Leaves“ schmücken sie die Abtei Neumünster, bevor sie schließlich in Saarbrücken ausgestellt werden. Ihren Abschluss sollen die Lichtkunstwerke mit einer Finissage im winterlichen Trier finden, bevor das Augenmerk sich auf die nächste Auflage richtet: „Die Veranstaltung hat das Potenzial, sich in den nächsten Jahren noch weiter zu entwickeln und eine feste Größe zu werden“, so Organisatorin und künstlerischer Leiter unisono.

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