„Ein kleines bisschen in Trier verliebt“

Die ihm für sein Amt zur Verfügung gestellte Wohnung in der Innenstadt ist geräumt, die offizielle Abschlussparty steht Ende des Monats noch bevor: Nach einem halben Jahr und 25 Kolumnen – von der Heilig-Rock-Wallfahrt bis zu Erotik-Artikeln aus Automaten – ist für Frank P. Meyer die Zeit als Trierer Stadtschreiber beendet. 16vor-Leser müssen jedoch nicht auf Texte von ihm verzichten, wie er im Interview berichtet. Außerdem erzählt der 49-jährige Autor, welche Themen ihn besonders beschäftigt haben, welche weiteren Folgen seine Arbeit hatte und wie er als Saarländer inzwischen die Trierer sieht.

16vor: Die erste Woche ohne Kolumne – was hat sich für dich geändert, seitdem du kein Stadtschreiber mehr bist? Fehlt dir schon irgendwas?

Frank P. Meyer: Das habe ich am Wochenende zum ersten Mal gemerkt, da ich die Kolumne immer am Wochenende geschrieben habe. Ich habe die Woche über in Trier kräftig was unternommen und dann samstagabends oder sonntagmorgens entschieden, worüber ich schreibe. Erst habe ich noch nicht gemerkt, dass es jetzt richtig vorbei ist, weil ich noch die „Top-5-Lesung“ am Freitag hatte. Aber am Samstag ist mir aufgefallen: Komisch, das erste Wochenende, ohne Kolumnenschreiben. Das war schon ungewöhnlich. Ich muss mich jetzt erstmal daran gewöhnen.

16vor: Du hattest anfangs die Befürchtung, dass du nicht genug Material für eine wöchentliche Kolumne finden könntest. Dann gab es die Wallfahrt, die Fußball-EM und viele Stadt- und Stadtteilfeste – war es nun schwierig, jede Woche ein geeignetes Thema zu finden? Oder gab es sogar zu viele Themen?

Meyer: Es war definitiv nicht schwierig, Themen zu finden. Manchmal musste ich Sonderkonstruktionen erfinden, damit ich in einer Kolumne über zwei oder drei Dinge schreiben konnte, die ich erlebt hatte. Ich habe den Eindruck, mir diese Gattung „Kolumne“ ein bisschen erobert zu haben. Die ersten fünf, sechs Kolumnen haben länger gedauert, ich habe länger daran arbeiten müssen. Am Ende habe ich gemerkt, dass ich mich ganz in Ruhe hinsetzen und die Kolumne einfach so runterschreiben konnte. Ich habe gelernt, schneller und präziser zu schreiben. Themen waren nie ein Problem. Wegen der Kolumne habe ich jede Woche gesagt: „Ich unternehme was in Trier, gehe dorthin und mache da mit.“

16vor: Man hat der Kolumne angemerkt, dass du viel Spaß an den Themen hattest. Was ist bei dir besonders positiv hängengeblieben?

Meyer: Die allerschönste Recherche war die mit den zehn Sprachen. Die hat noch lange nachgehallt. Es war sehr schön, diesen Test zu machen, ob ich zehn Sprachen gesammelt bekomme beim einmaligen Durchqueren der Fußgängerzone. Seit diesem Nachmittag habe ich viel mehr darauf geachtet, was ich rechts und links für Sprachen höre. Die restlichen Wochen und Monate habe ich mich immer wieder erwischt, wie ich hingehört und mitgezählt habe, vor allem bei Sprachen, die ich nicht verstehe. Ich habe dann überlegt: Worüber könnten die reden? Und habe dann Dialoge erfunden.

Eine andere wichtige Kolumne war die mit der Erdbeerkönigin. An diesem Abend habe ich gemerkt, dass man nicht zu nah an den Erwartungen bleiben darf, die man hat, wenn ich zu so einem Festchen gehe. Da ist mir der Kragen geplatzt an dem Abend, weil ich merkte: Ich habe eine ganz eigene Sicht. Diese muss man nicht nur hervorheben, die kann man auch überspitzen. Im Nachhinein war das eine Kolumne, wo ich gemerkt habe: Wenn du etwas ganz subjektiv siehst, dann bringe das auch so und überspitze es, wenn es funktioniert.

16vor: In einer Kulturausschuss-Sitzung vor einigen Wochen hast du eine begeisterte Bilanz deiner Stadtschreiberzeit gezogen. Hatte dieses Amt auch negative Begleiterscheinungen?

Meyer: Ich könnte nichts als völlig negativ bezeichnen. Aber zumindest zweischneidig war es, dass ich, öfter als ich geglaubt hatte, von wildfremden Menschen angesprochen wurde. Wenn ich guter Laune war und Zeit hatte, fand ich das prima. Ich wurde aber auch ein paar Mal angesprochen, wo ich nicht in der Stimmung war, über die Kolumne zu reden. Man musste das aber trotzdem machen. Das kam nicht oft vor, aber man konnte sich dem nicht völlig entziehen.

Eine zweite Sache, die ich zweischneidig sehe, ist, dass ich mich sehr ans Weintrinken gewöhnt habe. Ich habe den ein oder anderen Abend mehr im Kesselstatt oder anderswo verbracht, als ich geplant hatte. Ich habe im Schnitt auch etwas mehr Wein getrunken, als ich mir vorgenommen hatte. Ich muss mich jetzt ans Biertrinken zurückgewöhnen. Aber das ist auch kein echter Nachteil gewesen.

Ich habe allerdings sehr wenig Zeit gehabt. Ich bin neben dem Kolumnenschreiben zu wenig anderen Sachen gekommen, die ich noch schreiben wollte. Das kann ich erst jetzt wieder machen. Die Kolumne hat Spaß gemacht, aber auch viel Zeit gekostet.

16vor: Es gibt von uns und von Mitgliedern des Stadtschreibervereins lancierte Gerüchte, nach denen die Weinstube Kesselstatt dir eine Gedenktafel widmen wird mit der Aufschrift: „Hier trank / der Meyerfrank“. Was ist daran dran?

Meyer: Noch nichts. Die waren in den ersten beiden Wochen ein bisschen böse, weil ich den Garten davor – dieses… ich weiß immer noch nicht, wie das heißt, das Ding, wo man draußen sitzen kann – „Biergarten“ genannt habe. Sie waren etwas sauer, weil das kein Biergarten sei. Sie haben sich aber alle sehr an mich gewöhnt und wurden immer lockerer. Man behandelt mich dort inzwischen fast wie ein Familienmitglied. Ich werde dem Kesselstatt weiter treu bleiben, wenn ich auch nicht mehr so häufig da sein kann wie bisher.

16vor: Wie hat sich für dich als Saarländer in den vergangenen sechs Monaten deine Beziehung zu Trier und den Trierern entwickelt?

Meyer: Ich muss sagen: Ich habe mich ein kleines bisschen in Trier verliebt. Oder neu verliebt. Mir gefällt die Stadt. Mir gefällt, dass die Leute unprätentiös sind. Die Trierer, die ich kennen gelernt habe, bilden sich nichts ein auf ihre schöne Stadt. Es gibt dort die besten Weine und wunderbare Bauwerke – es ist eine Stadt, wo man sagen kann: „Wow, hier ist es toll!“ Aber das scheint den Trierern nicht so bewusst zu sein, dass sie einer tollen Stadt wohnen. Jedenfalls bilden sie sich nichts darauf ein.

Was mir auch aufgefallen ist, dass sie umgänglicher sind, als ich dachte. Manche wirken zunächst etwas distanziert und manchmal auch barsch. Nach kurzer Zeit entpuppen sie sich aber als gesprächig und umgänglich. Es gibt eine mysteriöse Frau mit roten Haaren, die ich immer morgens vor acht Uhr in der Windstraße traf. Ein halbes Dutzend Mal oder öfter hat sie mich auf die Kolumnen angesprochen. Nach einer Weile war es so, als würden wir uns ewig kennen. Dabei weiß ich nicht einmal, wie sie heißt. Das war so ein Beispiel, wo ich gemerkt habe, wenn man ein paar Mal mit Leuten spricht, werden sie lockerer. Und haben auch keine Scheu vor Saarländern. Ich fand witzig, dass viele sagten: „Ui, ein Saarländer!“ Und dann sofort im zweiten Satz, dass sie gute Freunde da und da im Saarland hätten.

16vor: An den sehr gut besuchten Lesungen in der Stadtbücherei und den hohen Zugriffszahlen und den Leserbriefen bei der Kolumne konnte man sehen, wie beliebt deine Texte sind. Worauf können sich die Leser als nächstes freuen?

Meyer: Die schlechte Nachricht ist: Ich mache jetzt erst einmal eine längere Pause. Dann werde ich auf 16vor über bestimmte Ereignisse und Veranstaltungen im Jahr 2013 immer wieder einmal kleinere Serien schreiben. Da ist schon Einiges geplant, ich will aber noch nicht zu viel verraten. Es gibt zum Beispiel die ein oder andere spezielle Ausstellung, zu der ich was machen werde. Oder zu bestimmten Stadtteilprojekten. Man wird immer wieder einmal mit Unterbrechungen etwas zu lesen bekommen.

Alle Stadtschreiberkolumnen können Sie weiterhin hier lesen.

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