„Unfug“, „Augenwischerei“, „Unsozial“

PkwMautEr werde keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, in dem nicht auch die Einführung einer Pkw-Maut stehe, kündigte der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer kürzlich an. Bei der Bundestagswahl am 22. September steht die CSU im Wahlkreis Trier bekanntlich nicht zur Wahl, doch sollte es eine Neuauflage von Schwarz-Gelb, einer Großen Koalition oder gar Schwarz-Grün kommen, stünden die Chancen für Seehofers Forderung schlecht. Die Trierer Direktkandidaten von CDU und FDP jedenfalls erteilen einer Pkw-Maut eine Abfuhr, die SPD-Bewerberin hält Seehofers Vorstoß für „Augenwischerei“, und auch bei den Kandidatinnen von Grünen („xenophober Vorstoß“) und Linke („unsozial“) hält sich die Begeisterung für dieses Instrument in Grenzen, wie die Statements in unserer „16vor-Wahl“-Reihe zeigen.

TRIER. Nach den Themen geringfügige Beschäftigung und Mietpreisbremse befragten wir die Trierer Bewerber der im Bundestag bereits vertretenen Parteien zum Thema Pkw-Maut. Die Einführung einer solchen Abgabe hatte vor drei Jahren das Umweltbundesamt gefordert, Verbände wie der ADAC lehnen sie kategorisch ab. Seehofer würde sie nach eigenem Bekunden nun gerne einführen, wobei der Christsoziale am liebsten nur Ausländer zur Kasse beten würde, was nach einhelliger Meinung aller Experten aber gegen EU-Recht verstoßen würde. Und was sagt die Kanzlerin zur Ansage des CDU-Schwesterpartei-Chefs? Angela Merkel erklärte dieser Tage gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, dass sie vor der Bundestagswahl keine Koalitionsverhandlungen führen werde.

Die fünf von uns befragten Politiker, von denen sich vier begründete Hoffnungen auf einen erneuten oder erstmaligen Einzug in den Bundestag machen dürfen, nehmen heute Stellung zu folgender „16vor-Wahl“-Frage: „Wie stehen Sie zu der unter anderem vom CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer geforderten Einführung einer Pkw-Maut und welche Maßnahmen schlagen Sie vor, um die Finanzierung der deutschen Verkehrsinfrastruktur in den künftigen Jahren besser zu gewährleisten?“ Wie konkret die Antworten ausfallen? Entscheiden Sie selbst!

Bernhard Kaster (CDU): Verlagerung der Verkehre zu befürchten

CDU-Direktkandidat Bernhard Kaster. Foto: Marcus StölbMobilität ist in einer globalisierten Welt eine entscheidende Voraussetzung für nachhaltigen Wohlstand. Daher ist es für die positive wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands und auch der Region Trier essentiell, dass Straßen, Brücken, Schienen und Wasserwege eine moderne, leistungsstarke Verkehrsinfrastruktur bilden.

Wir wollen, dass Investitionen in den Verkehr vor allem dort erfolgen, wo sie den größten Nutzen bringen. Die Beseitigung von Engpässen und Lückenschlüsse zur Stauvermeidung spielen hier eine wichtige Rolle. Die Ortsumgehung Konz-Könen, die Brücke Wellen-Grevenmacher, der Ausbau der Moselschleuse und das Projekt der Reaktivierung der Westtrasse sind nur einige Projekte in unserer Region, die unter anderem der Entlastung des Pendlerverkehrs dienen. Um noch bestehende Engpässe zu beseitigen, haben wir beispielsweise ein Investitionsprogramm für den Erhalt und Ausbau der Bundesfernstraßen in Höhe von 25 Milliarden Euro in unser Regierungsprogramm aufgenommen. Eine Pkw-Maut auf Autobahnen ist keine Alternative zur Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur und daher auch nicht Teil des Regierungsprogrammes. Was dies betrifft, ist die Sichtweise in Bayern möglicherweise eine andere, da Bayern von europäischen Durchgangsverkehren sehr stark betroffen ist. Ich persönlich aber befürchte zu sehr eine Verlagerung von Verkehren auf Bundes- und Landesstraßen oder Ortsdurchfahrten.

Dr. Katarina Barley (SPD): Moderate Steuererhöhungen für Wohlhabende

Will für die SPD das Trierer Direktmandat gewinnen: die Juristin Katarina Barley aus Schweich. Foto: Marcus StölbIm Haushalt des Bundesverkehrsministers klaffen riesige Lücken. Allein für die Instandhaltung der Verkehrs-Infrastruktur fehlen in Deutschland jährlich sieben Milliarden Euro. Dies hat auch damit zu tun, dass die finanzielle Ausstattung unserer Kommunen vielerorts katastrophal ist. Den Antrag der SPD, dagegen aktiv zu werden, hat die schwarz-gelbe Koalition im Bundestag abgelehnt. In den vordringlichen Bedarf neu aufgenommene Projekte haben erst in vier Jahrzehnten Aussicht auf Realisierung. Bundesweit sind vor allem Autobahnbrücken in einem teilweise sicherheitsgefährdenden Zustand.

Es gibt nur zwei Möglichkeiten, dem zu begegnen. Zum einen Abschied nehmen vom Wunschkonzert und Konzentration auf realistische Forderungen. Das ist nicht so beliebt wie „Wir sind für alles!“, aber ehrlicher. Die meisten Mittel müssen in die Erhaltung der Straßen gehen, nur noch wenige große Neubauprojekte sind finanzierbar. Außerdem brauchen wir mehr Mittel für Infrastruktur. Zwar steigen die Steuereinnahmen jedes Jahr, aber ebenso die Kosten. Die LKW-Maut soll auf weitere Bundesstraßen ausgedehnt werden. Eine PKW-Maut ohne anderweitige Entlastung lehne ich ab. Mautgebühren, die nur Ausländer treffen, sind EU-rechtswidrig – diese Forderung zu erheben ist deshalb Augenwischerei. Es bleibt also nur der Weg moderater Steuererhöhungen für die wohlhabendsten fünf Prozent der Bevölkerung. Deren Vermögen wächst beständig, weshalb wir eine geringfügig stärkere Belastung dort für vernünftig halten.

Corinna Rüffer (B90/Die Grünen): Seehofer bekannt für seine Ausfälle

Grünen-Direktkandidatin Corinna Rüffer. Foto: Marcus StölbWir brauchen eine Infrastruktur, die funktioniert und eine klimafreundliche Mobilität erleichtert. Deshalb müssen wir die Bahn in der Fläche ausbauen und erhalten. Sie ist umweltfreundlicher als Pkw, Lkw und Luftverkehr. Beim Zuwachs im Güterverkehr soll sie die Hauptlast tragen und muss dafür stark ausgebaut werden. Anstatt die nötigen Mittel bereit zu stellen, kürzt die Bundesregierung Investitionsmittel und verpulvert Unsummen für sinnlose Prestigeprojekte. Bei Neu- und Ausbauprojekten im vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans klafft im Schienenbereich eine Investitionslücke von ungefähr 23 Milliarden Euro. Kosten für Lärmschutz sind hierbei nicht berücksichtigt. Auch bei den Straßen gibt es einen enormen Sanierungsrückstand. Insbesondere Brücken und Tunnel befinden sich vielfach in einem maroden Zustand.

Anstatt in neue Autobahnen und Bundesstraßen zu investieren, die sowieso unnötig sind, muss die Konzentration voll auf die Sanierung bestehender Trassen gelenkt werden. Eine Pkw-Maut könnte es geben, um die anfallenden Kosten zu stemmen. Das Geld müsste zwingend für die Verkehrsinfrastruktur genutzt werden (Schiene, Straßen, Wasserwege und öffentlicher Nahverkehr) und dürfte nicht zum Stopfen allgemeiner Haushaltslöcher genutzt werden. Seehofer ist bekannt für seine regelmäßigen Ausfälle. Eine „Ausländer-Maut“ einzufordern, ist nicht nur xenophob, sondern auch rechtlicher Unfug und ignoriert, dass wir Deutschen knapp 95 Prozent Prozent unseres Verkehrs ganz allein produzieren.

Henrick Meine (FDP): Autofahrer sind schon zu oft Melkkuh der Nation!

HenrickMeineKleinIn ganz Deutschland stellt sich dieser Tage die Frage nach der Finanzierung unserer Infrastruktur. Allein der Erhalt der bestehenden Infrastruktur wird die Gemeinschaft voraussichtlich 7,2 Milliarden Euro jährlich mehr kosten als bisher für Infrastrukturmaßnahmen ausgegeben wird. Woher sollen diese 7,2 Mrd. Euro jährlich kommen? Eine Pkw-Maut nur für Ausländer, wie sie von Verkehrsminister Raumsauer (CSU) vorgeschlagen wird, ist aus europarechtlichen Gründen nicht möglich. Außerdem würden die Kosten für die Erhebung über den möglichen Einnahmen liegen. Sie wäre schlicht nicht profitabel.

Der Einführung einer allgemeinen Pkw-Maut ohne aufkommensneutralen Ausgleich erteilt die FDP eine klare Absage! Die deutschen Autofahrer tragen mit rund 50 Milliarden Euro Mineralöl-/ Kfz Steuer bereits heute mehr Lasten als Neubau und Instandhaltung der Infrastruktur jährlich kosten. Mit der FDP wird es ebenfalls keine neuen Schulden geben! Das fehlende Geld muss an anderer Stelle eingespart werden.

Das Budget für Arbeit und Soziales sollte durch mehr Arbeitsplätze und Effizienzsteigerung weiter entlastet werden. Der Verteidigungsetat kann durch verbesserte Ausgabenkontrolle und zeitnahe Beendigung der Auslandseinsätze weiter schrumpfen. Ein forcierter Schuldenbaubau verringert zu zahlende Schuldzinsen (derzeit 36,5 Mrd. jährlich) die für Investitionen frei werden.

Katrin Werner (Die Linke): Pkw-Maut wäre unsozial

Katrin Werner, Direktkandidatin der Partei Die Linke. Foto: Marcus StölbDie Linke ist gegen die Einführung einer PKW-Maut und fordert einen klimafreundlichen Verkehr durch den Ausbau des ÖPNV zu sozialverträglichen Preisen. Die von der CSU geforderte PKW-Maut ist eine Maßnahme, die auch finanziell schwächer gestellte Menschen trifft und damit unsozial ist. Der ÖPNV ist unterfinanziert, sodass zahlreiche Pendlerinnen und Pendler auf ihr Auto angewiesen sind, um zur Arbeit zu gelangen. Momentan bezahlen Autofahrer KFZ-, Mineralöl- und anteilige Mehrwertsteuern. Und nicht jeder berufstätige Mensch ist in der Lage, einen höheren Kostenaufwand zu tragen.

Das Aufkommen ausländischer Autofahrer auf Bundesstraßen beträgt lediglich 7 Prozent. Diese tanken in Deutschland, woraus Einnahmen aus der Mineralölsteuer entstehen. Die Einnahmen sind ungefähr doppelt so hoch wie die Infrastrukturkosten selbst. Anstatt Pkw-Fahrer zur Kasse zu bitten, muss danach gefragt werden, wie Straßenschäden überhaupt zustande kommen. Die Belastung, die etwa ein 40-Tonner verursacht, entspricht der von rund 160.000 PKW. In diesem Fall wäre es sinnvoller, über eine Anhebung der Lkw-Maut zu sprechen. Wenn diese auf allen deutschen Straßen eingeführt würde, und Lastwagen ab einem Gewicht von 3,5 Tonnen eine Maut bezahlen müssten, erzielten die öffentlichen Kassen 4,4 Milliarden Euro an jährlichen Einnahmen. Damit könnten Straßenrenovierungen finanziert und gleichzeitig die ÖPNV-Netze erweitert werden. Dadurch wäre nicht alle Pendler zwangsläufig auf ein Auto angewiesen.

In der Reihe „16vor-Wahl“ bereits erschienen: Vier von fünf Kandidaten fordern die Bremse und Sackgasse oder netter Zuverdienst?

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