Wenn Macht dumm macht

Dolmetscher Gottfried (Christian Miedreich) hat keine leichte Aufgabe beim Übersetzen zwischen Frau Leila (Sabine Brandauer), Frau Margot (Barbara Ullmann) und Frau Imelda (Friederike Majerczyk). Foto: Marco Piecuch/Theater TrierAuch wenn das Stück Längen hat, lag es vor allem am abnehmenden Sauerstoffgehalt in der Luft des vollbesetzten Studios, dass ein Junge während der Premiere von „Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel“ am vergangenen Freitag einschlief und viele Besucher im Minutentakt gähnten. Die ausnahmslos ausgezeichneten Darsteller sorgten dafür, dass Werner Tritzschlers Inszenierung von Theresia Walsers Komödie zu einem Erfolg wurde.

TRIER. Die Ex-Diktatoren-Gattinen Frau Imelda (Marcos), Frau Leila (Ben Ali) und Frau Margot (Honecker) harren hinter einem Vorhang einer Pressekonferenz über die geplante Verfilmung ihres Lebens. Dolmetscher Gottfried soll zwischen der Filipina, der Tunesierin und der Deutschen übersetzen. „Ich bin für sie heute Abend ihre Stimme“, stellt er sich vor. „Ich verbinde.“ Verbinden tut er jedoch oft mehr als die Frauen lange Zeit ahnen. Früh stellt sich heraus, dass er eine recht autonome Arbeitsauffassung hat und häufig diplomatisch und nicht korrekt übersetzt. Wenn er der Meinung ist, Streit zwischen den realitätsfremden, überheblichen Damen vermeiden zu müssen, erfindet er Fragen, Antworten oder Aussagen. Beispielsweise ändert er Frau Leilas Frage an Frau Margot, ob sie etwas in ihrem Leben bereue, in: „Was ist ihr Leibgericht?“

Manchmal scheint er auch aus eigenem Interesse die Frauen zu täuschen und machmal auch aus reiner Langeweile angesichts ihrer grenzenlosen Nabelschau – ein Indiz dafür, dass sie ihren Respekt, der ihnen Jahrzehnte lang wegen ihrer Position entgegengebracht wurde, eingebüßt haben.

Komik entsteht also schon mal durch falsche Übersetzungen und dadurch, dass das Übersetzte auf den Dolmetscher bezogen werden kann, wenn er jemanden in der ersten Person wiedergibt. Sprachlich lustiger, weil makabrer, sind jedoch Äußerungen der ehemaligen Worst Ladys, deren zynischer Gehalt ihnen gar nicht auffällt und sie dadurch bloßstellt. So klagt zum Beispiel Frau Leila über diesen „ewigen Freiheitszwang“ der Menschen. „Das ist wie Keuchhusten. Man kann nichts dagegen tun, aber er geht vorbei.“ Auch Frau Margot reagiert auf Vorwürfe mit Unverständnis: „Es hätte doch niemand über die Mauer klettern müssen?!“

Die meiste Komik geht jedoch von der Darstellung der Figuren aus. Alle Rollen sind ideal besetzt. Keiner der Schauspieler erliegt der Versuchung, seine Figur zu veralbern und dadurch zu verharmlosen. Was alle drei Ex-Dikatoren-Frauen gemein haben, ist die Verblendung und Uneinsichtigkeit. Besonders deutlich vermittelt dies Frau Leila (Sabine Brandauer). „Was ist das für eine Welt?! Auf einmal sind wir Dreck!“, prangert sie im Chanel-Kostüm die vermeintliche Ungerechtigkeit an, die ihr und ihrem vor Gericht stehenden Mann widerfahren ist.

Yvonne Wallitzer sorgte für sehr gelungene Kostüme in "Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel". Foto: Marco Piecuch/Theater TrierFrau Imelda (Friederike Majerczyk), die das Leben mit einer Oper verwechselt, ist zunächst ihre größte Rivalin, da sie sich noch am ähnlichsten sind. Beide versuchen, sich stets zu überbieten in Bezug auf ihren Reichtum, ihre Bildung und ihr (einstiges) Ansehen. Geht es gegen die unglamouröse Frau Margot (Barbara Ullmann; würde man gerne mal als Angela Merkel auf der Bühne sehen), die wie ein Fremdkörper zwischen den anderen wirkt, solidarisieren sich die Diva und die Zicke. Die lila gefärbte Frau Margot ist nicht nur bei ihrem Äußeren wenig eitel. Ehe auch sie sich mehr oder weniger bewusst wird, dass ihre Zeit längst vorbei ist, betont sie stets, dass sie vor allem eine Idee verkörpere: die Politik ihres Mannes. Damit steht sie im Gegensatz zu den beiden anderen Frauen für mehr als nur Tausende Paar Schuhe und Designerklamotten.

Die komplexeste Figur ist der Dolmetscher, dessen Motiviation für sein Handeln sich dem Verfasser dieses Beitrages nicht immer erschlossen hat. Christian Miedreich macht dennoch nicht nur in seiner Angus-Young-Schuluniform eine gute Figur, sondern auch in dieser Rolle. Apropos Kostüme: Hier trägt Yvonne Wallitzer sehr zur Wirkung des Stückes bei. Die Garderobe ist nicht nur sehr passend, sie sagt auch viel über den Charakter der Figuren aus.

Ein gutes Händchen bewies auch Regisseur Werner Tritzschler, der ganz auf die Stärke seiner Darsteller setzte und auf so manches Witzchen der Mannheimer Uraufführung im vergangenen Jahr verzichtete. Auch beim Bühnenbild richtet er den Fokus auf die Figuren. Er lässt sie sich auf einem Laufsteg präsentieren.

Trotz chronischem Realitätsverlust, von dem die Damen auch nicht mehr kuriert zu werden scheinen, entfährt ihnen hin und wieder auch etwas Vernünftiges. So fragt Frau Leila gegen Ende: „Ist die Welt besser, seitdem wir weg sein müssen?“ Nein, muss man ernüchtert feststellen. Es gibt immer wieder neue Leilas, Margots und Imeldas. Und so lautet die Moral von der Geschicht‘: Die Zeiten ändern sich. Nicht.

Weitere Aufführungen im Juni: Mittwoch, 18. Juni, Freitag, 20. Juni, und Sonntag, 29. Juni, jeweils um 20 Uhr.

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