„Die wollen uns kämpfen sehen“

„Die Stimmung ist so schlecht wie nie“, befand der scheidende Vorsitzende. Für den ordentlichen Kreisparteitag der Trierer Liberalen ließ sich diese Feststellung nicht treffen. Routiniert und harmonisch absolvierten die Freidemokraten am Freitagabend ihren Führungswechsel und wählten Tobias Schneider an ihre Spitze. Drei der fünf Mitglieder des geschäftsführenden Vorstands sind jünger als 28 Jahre. Nur kurzzeitig brach der innerparteiliche Zwist wieder auf: als Silke Reinert ihren baldigen Rückzug aus der Kommunalpolitik ankündigte. Dem nicht anwesenden Chef der Ratsfraktion warf sie vor, ihre Arbeit „sabotiert“ und sie gleich mehrfach mit Rücktrittsdrohungen „erpresst“ zu haben. Für Reinert rückt Schneider nach, und der wird die Bühne am Augustinerhof zu nutzen wissen. Mit Mehrheit unterstützte der Parteitag einen Antrag für den Erhalt der „blauen Lagune“ in der Ostallee, doch sollen die Interessen der Anwohner stärker berücksichtigt werden.

TRIER. Martin Neuffer ist 44 Jahre alt, Vater von zwei Töchtern und Justiziar einer Trierer Fabrik. Seit Freitagabend ist er auch Vize-Vorsitzender der Trierer FDP. Sich persönlich vorstellen konnte er nicht, Neuffer war zeitlich verhindert. Damit seine Parteifreunde dennoch eine Vorstellung von ihm und seinen politischen Ansichten bekamen, ließ er ein siebenseitiges Handout austeilen; darauf eine Reihe von Zitaten, durchweg in englischer Sprache. Die fünfte Seite war überschrieben mit „Government’s first duty is to protect the people, not run their lives“. Interessanter ist, was Neuffer darunter schrieb: „Auch in Trier wird – vielfach aus ideologischen Gründen – versucht, an der Bevölkerung vorbei deren Wohlfahrt zu organisieren, so zum Beispiel durch die Einrichtung einer Ganztagsschule gegen den erklärten Willen der Eltern oder den unveränderten Erhalt eines Vier-Sparten-Theaters, dem seit Jahren die Zuschauer weglaufen“.

Eine bemerkenswerte Feststellung, die den Kulturdezernenten der Stadt nicht davon abhielt, seinen Parteifreunden die Wahl Neuffers wärmstens zu empfehlen. Die folgten denn auch mit klarer Mehrheit der Empfehlung: Mit 22 Ja-Stimmen fuhr er ein ordentliches Ergebnis ein und steht künftig an der Seite von Tobias Schneider, der mit einem 80-Prozent-Ergebnis zum Nachfolger Eggers gewählt wurde. Der Wirtschafts- und Kulturdezernent hatte in einer kurzen Rede noch einmal die Gründe für seinen Amtsverzicht erläutert und dabei – neben dem Faktor Doppelbelastung – auch durchblicken lassen, dass ihm der innerparteiliche Zwist der vergangenen Monate zusetzte. Dass die Fraktion über die Partei hinweg das Ampelbündnis aufkündigte, habe ihn in seiner Funktion als Parteichef „deutlich geschwächt“, räumte Egger ein. Zumal er selbst maßgeblich am Zustandekommen dieses Bündnisses beteiligt gewesen sei und diesem auch seine Wahl zum Beigeordneten verdanke. Sodann nahm er auch Bezug auf den Zustand der Bundes-FDP und befand: „Die Stimmung ist so schlecht wie nie“. Mit Blick auf Guido Westerwelle erklärte er, dass die „One-Man-Show“ der Partei nicht gut getan habe und es eine solche auch in Trier nicht geben dürfe.

Egger war nie ein Freund Westerwelles, doch seit dem Rücktritt seiner Vorgängerin im Kreisvorsitz, Stefanie Lejeune, war der Jurist das Gesicht der Trierer Freidemokraten. Die FDP, das war in der Außenwahrnehmung vor allem Egger, der in der Doppelfunktion als Partei- und Fraktionschef das Profil der Liberalen bestimmte und einen Kurs der Äquidistanz zu beiden politischen Lagern fuhr. Das ebnete ihm schließlich den Weg in den Stadtvorstand. Doch mit diesem Aufstieg begannen auch die Probleme, denn die neu formierte Ratsfraktion unter Führung von Dr. Karl-Josef Gilles kam kaum mehr zur Ruhe. Egger als eloquenter Wortführer fehlt der vierköpfigen Mannschaft bis heute, wie der Verlauf der Ratsdebatten deutlich macht.

Egger empfiehlt Schneider

Gilles war am Freitagabend nicht zum Parteitag gekommen, ebenso die beiden Ratsmitglieder Monika Indig und Felix Brand. Und die, die gekommen war, wird schon bald gehen – nach Berlin, wo Silke Reinert künftig arbeiten wird. Damit macht sie  den Weg frei für Schneider, der nun in den Stadtrat nachrückt. Reinert dankte in einer persönlichen Erklärung ihren bisherigen Vorstandsmitgliedern für die konstruktive Zusammenarbeit, zugleich ließ sie kein gutes Haar an Fraktionschef Gilles: Dieser habe sie mehrfach mit Rücktrittsdrohungen „erpresst“ und ihre Arbeit „sabotiert“. Das Verhältnis zwischen Gilles und Schneider soll dem Vernehmen nach auch verbesserungswürdig sein. Deshalb darf man gespannt sein, ob die erneuten Veränderungen in der Fraktion zu neuerlichen Konflikten führen werden. Für Schneider ist der Einzug in den Rat ein Glücksfall, bietet sich ihm doch damit eine Bühne zur Profilierung, ohne die es in der Politik nicht geht.

Egger lobte seinen Nachfolger schon vor dessen Wahl als „jemanden, den man nie hat lang fragen müssen, wenn es etwas zu erledigen gab“. Schneider sei „ehrgeizig, aber das ist meines Erachtens kein Nachtteil“, bemerkte Egger, dem Ehrgeiz nicht wesensfremd ist. „Sein Engagement war jederzeit aufrichtig“, attestierte er dem 26-Jährigen. Der nutzte seine Bewerbungsrede zu einem Appell an die Parteifreunde: „Die wollen uns kämpfen sehen“, meinte Schneider mit Blick auf „unsere ehemaligen Wähler“. Es gelte, sich schon jetzt für die Kommunalwahl 2014 zu wappnen, erklärte er und befand: „Von Bundes- und Landesebene haben wir nicht viel zu erwarten“, deshalb müssten die Liberalen vor Ort wieder Vertrauen zurückgewinnen. „Wir müssen zurück auf die Straßen“, verlangte der neue FDP-Chef und ergänzte: „Wir müssen die Menschen inhaltlich bewegen“.

Inhaltliche Positionsbestimmungen fanden sich in seiner Rede keine. Lediglich in einem Punkt wollten die Freidemokraten am Freitagabend klar Position beziehen: Mehrheitlich verabschiedeten sie einen Antrag, mit dem der Stadtrat aufgefordert werden soll, den Pachtvertrag für die Tankstelle in der Ostallee zu verlängern. Die Tankstelle trage „in nicht unerheblichem Maße (…) zur Finanzierung des städtischen Haushalts bei“. Egger gab jedoch zu erkennen, dass aus seiner Sicht die bislang erhobene Pacht viel zu niedrig ist. Andere Freidemokraten gaben zu bedenken, dass man die Diskussion grundsätzlicher führen müsse. So wurde der Antrag ergänzt, auch die Belange der Anwohner und die Frage des Denkmalschutzes sollen nun stärker berücksichtigt werden.

In der Partei kann Schneider auf vertraute Mitstreiter bauen. Zu seinem weiteren Stellvertreter wurde der 27-jährige Florian Hillesheim gewählt. Neuer Schatzmeister ist der 34 Jahre alte Bankkaufmann Henrick Meine, Schriftführerin die erst 19-jährige Schülerin Yvonne Romes. Damit setzt sich fast der gesamte geschäftsführende Vorstand aus Jungen Liberalen (Julis) zusammen, was die älteren unter den anwesenden Mitgliedern offenbar nicht störte. Zu Beisitzern wurden Wolfgang Schaab, Hartmut Rudat, Felix Brand, Thorsten Kläs, Holger Alisch und Helmut Berka.

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