Die Schlacht um die Schlacht

Es gibt Ersatz für die eingestellten Antikenfestspiele und „Brot & Spiele“. Zumindest in dem Stück „Das Festkomitee“ der Trierer Theatergruppe „Limelight“, das am vergangenen Samstag im kleinen Saal der Tuchfabrik Premiere feierte. Darin versucht ein sehr heterogenes Veranstaltungsteam die Legende vom „Massaker der 12 von Trier“ zu inszenieren. Aus der Geschichte um einen niedergeschlagenen Bauernaufstand entwickelt sich jedoch eine Schlacht unter den Organisatoren. 16vor sah sich die Generalprobe an.

TRIER. Florian Burg, der für die dritte „Limelight“-Produktion als Regisseur angeheuert wurde, legt vor der letzten Probe vor der Premiere noch einmal selbst mit Hand an. In die Wand im Hintergrund schlägt er zwei Nägel, um ein gerahmtes Foto-Poster aufzuhängen. Eine Wasserwaage oder sonstige Messinstrumente benutzt er dabei nicht und so weist das Bild ein leichtes, aber erkennbares Gefälle nach links auf. „Macht nichts“, sagt Burg. „Das unterstreicht das Chaos in dem Festkomitee.“ Die Verschiedenheit der Teilnehmer, die zu einer handfesten Auseinandersetzung führen wird, betont er zudem mit unterschiedlichen Stühlen, auf denen die Figuren sitzen.

Überhaupt ist Burg sehr daran gelegen, Vieles über Äußerlichkeiten zu erklären, zum Beispiel auch durch Kostüme. Das kann als komisches Element gemeint sein, als Kompensation schauspielerischer Defizite oder generell als Verständnishilfe für den Zuschauer, indem er Haupteigenschaften der Figuren mit charakteristischen Kleidungsstücken ausstattet. So trägt der Marxist Eric Linz (Dominik Buchheit) ein FDJ-Hemd und ein rotes Tuch um den Hals, das militante Mannweib Tina Breuer (Astrid Casel) Tarnhosen und Springerstiefel und die versnobte Schnepfe Helen Dietrich (Claudia Stephen) Pelzmantel.

So überdeutlich wie die Symbolik der Kostüme fällt auch die lokale Einfärbung von Alan Ayckbourns Komödie aus. Mit einem breiten Pinsel sorgt Burg für Lokalkolorit. So ist allein schon durch den kaum veränderten Namen eines Trierer Geschäftsmanns und Besitzers zahlreicher Immobilien in der Innenstadt offensichtlich, um wen es sich dabei handelt. Während in diesem Fall Kritik transportiert werden soll, dienen die meisten anderen Nennungen der Erzeugung von Erkennungsgelächter. Wenn Rudi Dietrich (Hejo Kessler) vorschlägt, zur Generierung von Einnahmen eine Oldie-Disco mit Harry Hut zu organisieren, soll dies „Eingeweihte“ zum Lachen bringen – Kessler legt schon seit Jahren bei Harry Hut Platten auf.

Nun, dies hat nicht ganz denselben Effekt, wie wenn Polonius im „Hamlet“ mit seinem Mitwirken in einer Aufführung von „Julius Cäsar“ prahlt, und der Darsteller damals auch tatsächlich in diesem Stück zu sehen war. Ähnlich verhält es sich in „Das Festkomitee“ mit der Erwähnung von Darbietungen des Trierer Satiricon-Theaters. Als Running Gag machen die Figuren für Lichtausfälle auf der Bühne den Hausmeister der Tufa verantwortlich, die sowohl als Spielort als auch als Handlungsort fungiert.

Im ersten Akt finden dort die Sitzungen statt. Bei der Gründungsversammlung werden Vereinsformalitäten geregelt – auf deren Einhaltung Donald „Stadtrat“ Zimmer (very British bzw. typisch deutsch: Richard Stephen) sehr bedacht ist -, und das Thema des Festspiels bestimmt, das die eingestellten Antikenfestspiele und „Brot & Spiele“ ersetzen soll. Hier ist die lokale Anpassung sehr gelungen.

In einem Kostümspiel soll in der Trierer Innenstadt die vermeintliche Begebenheit um einen blutig niedergeschlagenen Bauernaufstand dargeboten werden. Eric Linz kann sich auf Anhieb mit dessen Anführer identifizieren und reißt die Organisation der „Bauern“-Gruppe an sich. Sophie Breuer (wunderbar anschmachtend: Janine Stibale), die sich in den selbstgefälligen Linken verliebt hat, schließt sich ihm an. Damit ist in der zweiten Sitzung klar, dass auch jemand die Gruppe des Militärs übernehmen muss, und es zeichnet sich sofort ab, dass beide Lager nicht nur im Stück Gegner sein werden. Linz bekommt es mit Helen zu tun, die sich seinem Machtstreben im Komitee entgegensetzen will. Die Planungen für die Aufführung geraten zu einem privaten Krieg, der im zweiten Akt in der Darbietung der Schlacht seinen Höhepunkt findet.

Das Finale in schönen „historischen“ Kostümen ist deutlich flotter als die erste Hälfte, in der nicht nur Text, sondern auch zwei Rollen hätten gestrichen werden können. Im Schlussakt zeigen Claudia Stephen als blasierte Upperclass-Ziege und Richard Stephen als pedantischer Stadtrat, die zuvor schon schauspielerisches Talent bewiesen haben, auch noch ein gutes Gespür für Komik.

Ganz große Komödie ist der Auftritt von Birgit Weinmann als permanent Bonbons anbietende, beseelt-betagte Mutter des ödipalen Stadtrats, die in den Sitzungen abseits an einem Katzentisch das Protokoll übernimmt. Ihre Zeitlupenbewegungen, ihr langsames, nasales Sprechen, ihre Milde und beginnende Demenz ausstrahlende Mimik – es lässt sich keine bessere Aurelia Zimmer vorstellen, Weinmann spielt einfach göttlich. Nicht nur in puncto Schwerhörigkeit und Trinkfreudigkeit erinnert sie stark an Oma Pütz (Otty Ottmar) in der Folge „Die Beerdigung“ (ab 35:04 Minuten) der Serie „Ein Herz und eine Seele“. Auch wenn ihr immerhin die finale Pointe gehört, ist Aurelia Zimmer leider nur eine Nebenrolle. Für das Stück ist Birgit Weinmann ein Hauptgewinn.

Weitere Aufführungen in der Tufa: 23. Februar, 24. Februar, 1. März, 2. März, 16. März und 17. März, jeweils um 20 Uhr.

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