„Die Polizei kann es besser“

Übernimmt die Stadt von der Polizei die Geschwindigkeitskontrolle auf Triers Straßen? Der Stadtrat hat am Donnerstagabend einen Antrag der Grünen beschlossen, der die Verwaltung dazu auffordert, diese Option nun ernsthaft zu prüfen. Anders als im Dezember 2010 befürwortet nun auch der Stadtvorstand das Ansinnen. Ein „Erkenntnisgewinn“ habe zu dem Sinneswandel bei ihm und den Dezernenten geführt, erklärte OB Klaus Jensen (SPD). Scharfe Kritik kam von den Christdemokraten: Die rot-grüne Landesregierung spare bei der Polizei Stellen ein und die Stadt solle nun einspringen. Einig waren sich sämtliche Ratsmitglieder, dass rasenden Zeitgenossen nur mit stärkeren Kontrollen Einhalt geboten werden könne. FWG-Mann Peter Spang sprach von „Sozialterroristen“.

TRIER. Erst kürzlich berichtete 16vor über den drastischen Rückgang der städtischen Erträge aus den Parkgebühren – obwohl die Tarife zum Januar 2011 erhöht worden waren und man im Rathaus mit spürbaren Mehreinnahmen rechnete. Offenbar lässt die Zahlungsmoral vieler Autofahrer zunehmend zu wünschen übrig, doch die Kontrolldichte merklich zu erhöhen, scheint kaum machbar – das sei „mit dem vorhandenen Personal nicht möglich“, hieß es vonseiten der Verwaltung, und dass sich mit den Einnahmen aus den Kontrollen nur 80 bis 90 Prozent der Kosten der Verkehrsüberwachung decken ließen. (wir berichteten). Der Beitrag erschien am 13. August.

Keine drei Wochen später debattierte der Stadtrat am Donnerstagabend über einen Antrag der Grünen, der die Einführung der kommunalen Geschwindkeitsüberwachung verlangte. Das Thema ist nicht neu, zuletzt stand es im Dezember 2010 auf der Tagesordnung des Rats. Das damalige Ampelbündnis aus SPD, Grünen und FDP hatte eine entsprechende Anfrage gestellt, doch da sah die Verwaltung noch keinen Handlungsbedarf. OB Klaus Jensen erklärte damals wörtlich: „Die Qualität der gesamtheitlichen polizeilichen Verkehrsüberwachung kann durch eine städtische Geschwindigkeitsüberwachung nicht erreicht werden“. Und weiter: „Die Gründe liegen in den weitergehenden Rechten und Möglichkeiten polizeilicher Anhaltekommandos. Der erzieherische Effekt ist größer, weil die verantwortlichen Verkehrssünder sofort angehalten, ihnen das Verkehrsvergehen vorgehalten und sie bei Uneinsichtigkeit aufgeklärt und belehrt werden können“. Zudem sei der „nahe Zeitbezug zwischen Verkehrsverstoß und Ahndung durch Polizeibeamte (…) effizienter und wirkungsvoller als nachgesandte Anhörungsbogen der städtischen Ordnungsbehörde“.

Inzwischen kann die Stadtspitze dem Vorschlag mehr abgewinnen. Mehr noch: Man unterstütze den Vorstoß einhellig, teilte Jensen am Donnerstagabend mit. Als Gründe für den Sinneswandel führte der OB einen „Erkenntnisgewinn“ an: 2010 habe noch „große Unsicherheit hinsichtlich der Finanzierung“ einer kommunalen Geschwindigkeitsüberwachung geherrscht, erklärte der Stadtchef. Mittlerweile wisse man aber aus mehreren anderen Städten, dass sich die Aufgabe „kostendeckend“ erledigen lasse: „In Rheinland-Pfalz ist mir kein Fall bekannt, wo eine Stadt drauflegt“, sagte Jensen.

Über den Kurswechsel im Rathaus freute sich Anja Reinermann-Matatko. Das parteilose Mitglied der Grünen-Fraktion begründete den neuerlichen Vorstoß damit, dass die Stadt dann stärker bestimmen könne, wo kontrolliert werde. Jeder wisse, dass eine Tempo-30-Zone wenig bringe, wenn dort weiterhin 50 und mehr Stundenkilometer gefahren werden könnten, weil niemand kontrolliere, gab sie zu bedenken. Reinermann-Matatko verwies auf das Beispiel Mainz, wo bei der kommunalen Geschwindigkeitsüberwachung ein Überschuss erzielt werde. Thomas Albrecht (CDU) griff den Ball auf und schoss ihn zurück: Eine Aufgabe wie die kommunale Geschwindigkeitsüberwachung dürfe nicht dazu genutzt werden, Gewinne zu erzielen. Das sei auch den Richtlinien des zuständigen Ministeriums zu entnehmen. Demnach müssen Überschüsse für Investitionen in verkehrssichernde Maßnahmen genutzt werden. Albrecht und seine Fraktion mutmaßen, dass die Kommunen die Polizei entlasten sollen – weil die rot-grüne Landesregierung hier Stellen zusammenstreiche. Im Übrigen: „Die Polizei kann es besser“, ist Albrecht überzeugt.

Rainer Lehnart von der SPD hielt dem entgegen, aus allen Stadtteilen ertöne regelmäßig die Forderung, dass vor Ort mehr Geschwindigkeitskontrollen durchgeführt werden sollten. Die Polizei könne aber weder zeitlich noch personell „diesen Forderungen aus der Bevölkerung nachkommen“. Und was den „Vorwurf der Willkür und Abzocke“ anbelangt, so komme dieser „in erster Linie immer wieder aus der Ecke der unbelehrbaren, rücksichtslosen Raser, die meines Erachtens nur über empfindliche Strafen zur Einsicht zu bewegen sind“. FWG-Fraktionschefin Christian Probst signalisierte mehrheitliche Zustimmung der FWG, wenn sich denn nachweisen lasse, dass die kommunale Geschwindigkeitsüberwachung tatsächlich rentierlich sei: „Es muss uns bewusst sein, dass neue Stelle geschaffen werden müssten“. Polizist Felix Brand sprach für die FDP: „Ich persönlich bin dagegen“, es drohe „moderne Wegelagerei“. Nach dem weiteren Fortgang der Diskussion erklärte er dann: „Ich bin jetzt doch am schwanken, aber das macht Liberalismus ja aus“. Große Erheiterung im Saal, am Ende enthielt  Brand sich der Stimme. Die Linken votierten gemeinsam mit SPD und Grünen, fast der gesamten FWG sowie drei von vier Freidemokraten für den Antrag.

Die CDU und Peter Spang stimmten dagegen. Es lasse sich nicht leugnen, dass es ein Problem „mit diesen Sozialterroristen“ gebe, doch sei die Geschwindigkeitsüberwachung bei der Polizei besser aufgehoben, so FWG-Mann Spang. Er habe deshalb seine Zweifel, ob die Übernahme dieser Aufgabe durch die Stadt der richtige Weg sei. Zweifel äußerte auch CDU-Ratsmitglied Karl Biegel, der auf das Dilemma bei den Parkgebühren hinwies: Schon hierbei sei die Stadt nicht in der Lage, flächendeckend zu kontrollieren, nun solle sie noch eine zusätzliche Überwachungsaufgabe übernehmen.

Ob es tatsächlich soweit kommen wird, ist indes noch nicht ausgemacht. Jensen kündigte an, dass die Verwaltung unter Federführung von Ordnungsdezernent Thomas Egger (FDP) ein Konzept ausarbeiten werde, aus dem auch hervorgehen müsse, wie es um die finanzielle Seite des Vorhabens steht. Dann wird der Stadtrat erneut beraten und entscheiden müssen.

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