Die Macht des Bösen – Ein Beziehungsdrama

Letztes Wochenende habe ich die Macht des Bösen gesehen. Und die Macht des Bösen ist verantwortlich dafür, dass Herrmanns Neue jetzt nicht mehr seine Neue ist, sondern seine Ex. Wir hätten Herrmanns Neue (Stand: letzter Freitag) gar nicht erst mitnehmen sollen, denn es lief die letzten Woche nicht so gut zwischen den beiden. Und dann bequatschte Herrmann sie auch noch, zum „Spektakulum“ mitzukommen. Vielleicht hat sie sich durch das Wort „Spektakulum“ in die Irre führen lassen und ein richtiges Schauspiel erwartet. Wenn sie nicht dauernd auf avantgardistischen Ausstellungen rumhängen würde, wüsste sie, dass „spectaculum“ inzwischen von Mittelaltermärkten bis Kleinstburgruinen-Festspielen beinah alles so genannt wird, wo man Met statt Bier trinken muss, oder wo man sonst nicht genau weiß, in welche Kategorie die Veranstaltung passt, aber marketingmäßig trotzdem auf den Putz hauen will.

TRIER. Jedenfalls waren der Backes Herrmann, seine Neue und ich zur Premiere von „Herkules und die Macht des Bösen“. Ich muss ehrlich sagen: Ich war aufgeregt wie ein kleiner Bub, der zum ersten Mal mit dem Papa ins Fußballstadion darf. Ich wusste nicht genau, was mich erwartete, da im Amphitheater, aber ich hätte natürlich nicht gedacht, dass es ein Beziehungsdrama sein würde.

Dabei hätten mich schon die Vorzeichen warnen müssen. Der Backes Herrmann hatte nur Karten für sich und seine damals noch Neue, und ich, inzwischen ein Mann mit Beziehungen, hatte mir eine VIP-Karte besorgt. Das war keine gute Idee, denn so kam es, dass der Herrmann und seine Begleitung die Dreiviertelstunde vor Beginn des Spektakulums gemütlich am Bierstand verbringen durften, während ich im VIP-Zelt Sekt trinken musste. Na ja, „musste“ ist übertrieben, aber Herrmann meinte, Sekt umsonst sei besser als Bier teuer bezahlt. In Wirklichkeit wollte er mich nur eine Weile los sein, um in Ruhe mit seiner Begleitung den weiteren Verlauf des Abends zu planen. Das war ein Fehler. Mich abzuschieben, meine ich, denn vom VIP-Zelt aus konnte ich nicht verhindern, dass Herrmann sich schon früh in den Schlamassel zu reiten begann.

Die VIPs waren übrigens nett und plauderten mit mir und ich konnte mich kaum dagegen wehren, dass dauernd Sekt nachgeschenkt wurde. Ich vergaß trotzdem immer wieder, dass ich selbst auch ein VIP bin, zumindest laut Eintrittskarte, und schielte sehnsüchtig zum Bierstand rüber. Und so konnte ich nicht vermeiden, dass der Herrmann, wie er mir später selbst erzählte, seiner Begleiterin von den vergangenen Jahren vorschwärmte. Herrmann ging nämlich jedes Jahr in die „Brot & Spiele“-Veranstaltung im Amphitheater.

Durch heimtückisches, suggestives Nachfragen ließ Herrmann sich von ihr entlocken, dass sie nicht die erste Frau war, die er zum Spektakulum mitnahm.
Ein weiteres schlechtes Zeichen war, dass sie das mit den Regenponchos nicht lustig fand. Im Ernst, niemand konnte was dafür, dass es zu Veranstaltungsbeginn sanft zu nieseln anfing (sie gab trotzdem Herrmann die Schuld), und dass durchgesagt wurde, in den Sitzreihen dürften keine Regenschirme aufgespannt werden. Da war es doch eigentlich galant vom Herrmann, dass er, als wir uns zum Einlass wieder trafen, Ein-Euro-Regenponchos für uns drei spendierte. Natürlich hatte sie Recht damit, dass sie bescheuert darin aussah, aber es war die einzige Möglichkeit, auf den nassen Stühlen zu sitzen, ohne von oben, unten und von hinten gleichzeitig nass zu werden. Auf andere Streitigkeiten gehe ich gar nicht erst ein, nur so viel: Die Stimmung war schon verdammt schlecht, bevor das Spektakulum überhaupt begonnen hatte.

Die Handlung stört kaum zwischen den Kampfszenen

Nun hätte ich ja gedacht, dass sowohl der nachlassende Regen als auch die spektakulären Gladiatorenkampfszenen uns mit diesem Abend wieder versöhnen würden. Das galt aber nur für den Herrmann und mich. Dabei muss man schon ein radikaler, selbsterklärter Kulturliebhaber sein, um diese Show nicht zu mögen: Das Spektakulum hat zwar eine Handlung, die aber erfreulicherweise so gestrickt ist, dass sie zwischen den zahlreichen spektakulären Kampfszenen nicht sonderlich stört.

„Herkules und die Macht des Bösen“ spielt in Alexandria, in Ägypten und Herrmann machte den Fehler, laut auszusprechen, ihm sei vorher nie aufgefallen, dass mitten im Amphitheater ein Obelisk steht. „Das ist das Bühnenbild, der ist doch aus Pappe“, zischte seine Begleiterin ihn an, was zeigte, dass sie die ganze Sache viel zu ernst nahm.

Also in „Herkules und die Macht des Bösen“ geht es um folgendes: Der Zorro aus der „Lindenstraße“, der hier Cassius heißt, trifft seine alte Jugendliebe Katy Karrenbauer aus dem RTL-Frauenknast wieder, die hier als Faustina auftritt und mit dem römischen Kaiser Marc Aurel verheiratet ist. Aus Versehen wird dem Cassius berichtet, Marc Aurel sei tot (das entpuppt sich aber später als Fehler in der Nachrichtenübertragung), und deshalb schnappt Cassius sich die Witwe und den Kaiserlorbeer, übernimmt also Macht und Weib, obwohl Marc Aurel noch einen Sohn namens Commodus hat, den man aus „Galileo“ auf Pro7 kennt, und der als Kaiser eigentlich zuerst dran wäre. Man weiß schon früh wie’s ausgeht, denn Zorro aus der „Lindenstraße“ spielt einen tendenziell eher Bösen, also stirbt er am Ende, um der Weltordnung Willen. Spannend ist dabei, dass lange gar keinen Herkules auftaucht, obwohl das Stück doch nach ihm benannt ist. Im zweiten Teil stellt sich dann heraus, dass Commodus inkognito als „Herkules“ in der Gladiatorentruppe mitmacht.

Von Trier nach Ägypten mit „Römer Wings“

Dem Herrmann seine Begleitung nörgelte die ganze Zeit gnadenlos an irgendwelchen Details herum, zum Beispiel dass es doch sonderbar sei, dass sämtliche Figuren, die eigentlich eben noch weit weg in Rom oder Trier waren (= die Kaiserin, ihr Gatte Marc Aurel oder der Trierer Stadthalter Flavius) plötzlich in Ägypten auftauchten. Ich erkläre ihr, dass sie mit Römer-Wings geflogen seien, wahrscheinlich über den volatio portus gallus, aber auch das findet sie nicht witzig.

Am Ende gibt es noch einen fragwürdigen Überraschungstoten und es tritt auch hin und wieder ein Philosoph auf, um dem Ganzen den Anstrich von Sinnhaftigkeit zu verleihen (mit heftigem Szenenapplaus für den Ausspruch: „Die Philosophie kann schon sehr behindern“). Aber ansonsten wird im Spektakulum hauptsächlich gekämpft.

In den Kampfszenen, die von der italienischen Gladiatorendarstellertruppe „ars dimicandi“ gespielt werden, entfaltet das Spektakulum seine eigentliche Stärke. Immer wenn die Aufmerksamkeit des Publikums ein wenig zu erlahmen droht, wird es interaktiv eingebunden, indem es sich einen Gladiator aussucht, dem es beihält und ihn anfeuert. Beim „Brückenkampf“ zum Beispiel sind der Herrmann und ich für den hünenhaften Darius, oder gleich beim ersten Kampf feuern wir den dicken Vulcanus an, weil er was von einem Giftzwerg hat und Herrmanns Begleiterin ihn „furchtbar“ findet. „Vulcanus, Vulcanus!“ brüllen der Herrmann und ich, während einige Jungs neben uns lautstark den Gegner anfeuern. Aber unser Vulcanus gewinnt. Das macht Spaß und die Stimmung ist fast so gut, wie in der Fußball-Regionalliga.

Iim zweiten Teil darf das Publikum sogar über „vita“ oder „mors“ bestimmen. Leider trauen sich die meisten nicht, auf „mors“ zu plädieren – Herrmann und ich gehören zu den ganz wenigen, was Herrmanns Kulturtussi auch wieder peinlich findet. Ich gestehe ihr, dass ich es authentischer fände, wenn wenigstens einer der Gladiatoren sterben müsste. Sie kontert darauf, dass man zugunsten einer höheren Authentizität als Snacks lieber frittierte Otternasen und gebackene Zaunköniglebern anbieten sollte statt Nürnberger Bratwürstchen. Und da wusste ich, dass auch ich jegliche Kommunikationsbasis mit ihr verloren hatte und die Sache mit ihr und dem Herrmann nicht mehr zu retten war.

„Ich glaube, es hat keinen Zweck mit uns“

Da half es auch nicht, dass Herrmann sie nach „Der Macht des Bösen“ noch zur Lifestyle-Römer-Lounge mitnahm, um dort Fassbier zu trinken und sie in die mystische Unterwelt der Kaiserthermen zu schleppen. Sie war einfach nicht der Typ für sowas. „Da unten war es nicht mystisch“, soll sie gesagt haben, „sondern mal blau und mal rot (sie mag wohl keine Lichteffekte) und ansonsten überfüllt und stark beschallt. Ich glaube, das hat keinen Zweck mit uns, Herrmann!“

Das tat mir ein bisschen Leid für den Herrmann. In den Jahren davor hatte spätestens die Kaiserthermen-Nummer immer zum gewünschten Ergebnis geführt. Ich hab nicht darauf herumgeritten, dass mir gleich klar war, dass die nix für Herrmann ist, sondern hab ihn, wie es sich für einen guten Kumpel gehört, gleich am nächsten Tag zur Weinprobe in den „Kesselstatt“-Keller eingeladen. Danach war er über den gröbsten Trennungsschmerz hinweg und meinte, so habe er wenigstens Gelegenheit, sich die nächsten Tage unbeschwert auf dem „Ehranger Markt“ umzusehen. Und das „Brot & Spiele“-Spektakulum wolle er sich nächstes Jahr trotzdem wieder ansehen, das könne ja nicht jedes Jahr so schieflaufen.

Zwei kurze Nachbemerkungen: Sie lassen sich doch wohl von dem Gestänkere der neuen Ex vom Backes Herrmann nicht die Chance verderben, das Spektakulum selbst anzuschauen und sich eine eigene Meinung zu bilden? Ich kann jedenfalls nicht behaupten, ich hätte mich nicht amüsiert. Aber ich bin kein Maßstab, ich amüsiere mich grundsätzlich.

Was aber noch gesagt werden muss, ist, dass zur „Macht des Bösen“ 1.600 Zuschauer kamen, was ja nicht schlecht ist, dass aber genau zur selben Zeit im Moselstadion bei der Partie Eintracht Trier gegen Wormatia Worms 1734 Zuschauer Eintritt zahlten. Im Wettbewerb gegen das Spektakulum hat die Eintracht also – genau wie beim Fußballspiel selbst – knapp gewonnen.

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