„Die können noch mehr Dampf entwickeln“

Wenn denn stimmt, was manche Politikwissenschaftler sagen – dass nämlich Wähler parteiinterne Streitereien nicht mögen, dann müssten die Trierer die örtliche SPD nun gerne haben. Einträchtig präsentierte diese sich auf ihrem Parteitag. Malu Dreyer wurde in ihrem Amt ebenso klar bestätigt, wie ihre drei Stellvertreter. Während die Parteichefin einen differenzierten Blick zurück warf, ritt Sven Teuber heftige Attacken gegen die Dezernenten. Dabei schonte er weder Egger noch Birk, Kaes-Torchiani nannte er gar den „größten Problemfall im Stadtvorstand“. Auch inhaltlich positionierten sich die Sozialdemokraten. Möglichen weiteren PPP-Projekten wurde eine Absage erteilt. Anders als beim Südbad werde man derartiges nicht mehr unterstützen.  

TRIER. Dass sich Redner sprachlich vergaloppieren, kommt vor. Auch Sven Teuber ist davor nicht gefeit, im Stadtrat ist er das ein oder andere Mal verbal schon übers Ziel hinaus geschossen. Am Samstag war wieder so ein Moment, auf dem ordentlichen Parteitag der Trierer Sozialdemokraten. Da wollte der SPD-Fraktionschef erklären, warum es durchaus okay gewesen sei, dass im zwischenzeitlich verblichenen Trierer Ampelbündnis mitunter Spannungen auftraten. Das komme schließlich in jeder Ehe vor, und mehr noch in Dreiecksbeziehungen, wie ja jeder im Saal nur zu gut wisse, gab Teuber zum Besten. Nun war das Gelächter im Ehranger Bürgerhaus groß, doch mit einem Hinweis auf seine im Sommer anstehende Hochzeit gelang es dem Redner, mögliche Missverständnisse in Bezug auf seine Person sogleich im Keim zu ersticken.

Rund 80 der knapp 700 Trierer Genossen – vor 25 Jahren zählte die Partei in der Moselstadt noch 1.300 Mitglieder – waren gekommen, um zurück in die Zukunft zu blicken. Seit dem letzten ordentlichen Parteitag im Spätsommer 2009 hat sich einiges getan: Die bei der Kommunalwahl 2009 gestärkte SPD ging am Augustinerhof ein Bündnis mit Grünen und Liberalen ein, das im Frühjahr 2011 von der FDP wieder aufgekündigt wurde. Trier bekam mit den Stimmen der sozialdemokratischen Ratsmitglieder zwei neue Dezernenten. Bei der Bundestagswahl 2009 fuhr die Partei ein desaströses Ergebnis ein, bei der Landtagswahl vor einem Jahr musste die SPD ebenfalls deutlich Federn lassen. Einzig dass Malu Dreyer ein weiteres Mal klar das Direktmandat errang, ließ sich in den vergangenen beiden Jahren aus Sicht ihrer Partei als Wahlerfolg verbuchen.

Dreyer plädiert für Rot-Grün

Dreyer wollte am Samstag denn auch nichts beschönigen. Das Ergebnis bei der Bundestagswahl sei „absolut niederschmetternd“, der Abend der Landtagswahl „keine schöne Stunde“ gewesen. Auch „kein schöner Moment“ war nach Auffassung Dreyers der Fraktions- und Parteiaustritt von Peter Spang, der viele Jahre in unterschiedlichen Funktionen eine maßgebliche Rolle in der Trierer SPD gespielt hatte. Und dann ging die Vorsitzende noch auf die Ampel ein: „Ich bedaure es nach wie vor, dass das Bündnis auseinandergebrochen ist“, bekannte sie, schließlich sei es für ihre Partei „schon so etwas wie ein Traum“ gewesen, in Trier einmal mit den Grünen zu regieren. Für Hans-Willi Triesch war es von Beginn an wohl eher ein Albtraum, wie er in der Aussprache offen bekannte. Er habe seinerzeit immer davor gewarnt, ein Bündnis mit den Grünen zu schließen. „Ich habe damals gesagt, das wird nicht gut gehn. Mit diesen Egomanen kann man keine Politik machen“, so Triesch, der sich nach eigener Darstellung der Parteiräson beugte. Nach dem Bruch habe er sich „plötzlich wie befreit“ gefühlt, sagt das Zewener Ratsmitglied.

Dreyer warb am Samstag für die Forderung ihrer Partei nach einem Seniorenbeirat in Trier, ein solches Gremium sei gerade in Zeiten des demografischen Wandels sehr wichtig. Der SPD-Fraktion bescheinigte sie, eine gelungene „Gratwanderung zwischen Einzel- und Gesamtinteressen“ hinzulegen und nicht der Versuchung populistischen Aktionismus zu erliegen. Für den Fall, dass die Sozialdemokraten Ende kommenden Jahres in Berlin wieder in Regierungsverantwortung kommen sollten, nannte sie die rasche Einführung einer Bürgerversicherung als eines der wichtigsten Vorhaben, an dem sich auch die Glaubwürdigkeit ihrer Partei entscheiden werde. Geht es nach der Mainzer Sozialministerin, dann wird es 2013 im Bund eine Neuauflage von Rot-Grün geben. Doch Dreyer machte auch deutlich, dass ihre Partei hierfür in Sachen Wählergunst noch ordentlich zulegen müsste: „Die Luft nach oben ist noch da“. Auch der Bundestagsabgeordnete Manfred Nink sieht für die SPD zwar „Grund für Optimismus“, doch erklärte der Kenner mit Blick auf die aktuellen Umfragen auch: „Wir können da einfach nicht punkten“.

Bei seinen Genossen punkten konnte am Samstag offenbar Sven Teuber. Nach Dreyers eher differenzierten und auch selbstkritischen Tönen holte der junge Ratsfraktionschef zu einer Art Generalabrechnung aus. Die traf indes weniger die politischen Mitbewerber im Stadtrat, sondern vor allem den Stadtvorstand – wobei Teuber Klaus Jensen erwartungsgemäß von seiner Kritik ausnahm und diesem eine hervorragende Arbeit bescheinigte. Dass er dem nicht anwesenden OB wiederholt auch attestierte, als Stadtchef sozialdemokratische Politik umzusetzen, machte deutlich: Sollte Jensen 2014 wieder antreten, ist eine neuerliche „unabhängige“ Kandidatur kaum mehr vorstellbar. Der OB müsste auf SPD-Ticket fahren, was auch deshalb naheliegend scheint, weil es bei den Grünen ernsthafte Bestrebungen gibt, zur nächsten Wahl mit einer eigenen Bewerberin anzutreten.

Teuber attackiert Birk, Egger und Kaes-Torchiani

Im Gespräch hierfür war und ist Bürgermeisterin Angelika Birk, doch zumindest bei der SPD ist man offenbar der Meinung, dass die Grüne schon in ihrem jetzigen Amt an ihre Grenzen stößt. „Birk lässt die Leine zu sehr schleifen“, warf Teuber ihr mit Blick auf die Schulpolitik vor. Dem ebenfalls von den Sozialdemokraten mit ins Amt gewählten Wirtschafts- und Kulturdezernenten Thomas Egger bescheinigte der SPD-Fraktionschef, nach zwei Jahren „mittlerweile durchaus in seine Arbeit gefunden“ zu haben. Gut für Egger, dass Teuber ihm kein Arbeitszeugnis ausstellen muss. Die beiden „neuen“ Dezernenten müssten „noch mehr Dampf entwickeln“, verlangte der Sozialdemokrat. Noch härter ging er mit der Baudezernentin ins Gericht: Simone Kaes-Torchiani sei „der größte Problemfall im Stadtvorstand“, die Christdemokratin wolle immer „mit dem Kopf durch die Wand“, und weiter: „Sie tut einfach nicht, was sie tun soll“. Für den Fall einer erneuten Kandidatur bei der Wahl für das Amt der Baudezernentin, die spätestens 2015 anstehen dürfte, kündigte Teuber schon mal an, dass die SPD Kaes-Torchiani auch dann nicht unterstützen werde.

Mit seiner Rede traf er offenbar die Stimmung im Saal, was sich auch bei den Wahlen zu Malu Dreyers Stellvertretern niederschlug: 96 Prozent Zustimmung, damit überflügelte Teuber sogar seine Chefin, die auf rund 93,5 Prozent kam. Freuen darf sich auch Begoña Hermann, die ihr mäßiges Ergebnis vom letzten Mal auf nunmehr 92 Prozent Ja-Stimmen steigern konnte. Offenbar hat die Umweltwissenschaftlerin innerhalb der Partei wieder Boden gut gemacht; wohl auch eine Anerkennung für ihre sachbezogene Arbeit im Rat. Eine starke Stellung in der Partei genießt auch Markus Nöhl. Als Parlamentarischer Geschäftsführer der Ratsfraktion gilt er als wichtiger Stratege der SPD-Politik vor Ort. Nöhl hatte wesentlichen Anteil daran, dass sich kürzlich alle Ratsfraktionen auf ein gemeinsames Prozedere beim Projekt X verständigten. Mit mehr als 93 Prozent wurde er jetzt als SPD-Vize bestätigt. Ebenfalls wiedergewählt wurden Schriftführerin Anna Gros und Schatzmeisterin Christine Frosch.

Auch inhaltlich steckte die Partei am Samstag in mehreren Sachfragen ihren Kurs ab. Insgesamt neun Anträge standen zur Abstimmung, von der Bestattungskultur bis zur gerechteren Entlohnung von Wissenschaftsassistentinnen. Die Jusos hatten einen Antrag zum Umgang mit Alkoholexzessen wie jenen an Weiberdonnerstag eingebracht. Um derartige Vorfälle künftig zu verhindern, reichten Einzelmaßnahmen und Kampagnen nicht aus, so die Jusos. Neben den Jugendlichen müssten auch Erwachsene und Familien stärker in den Fokus von Aufklärungskampagnen genommen werden. Eine überraschend klare Ansage macht die SPD beim Thema Public-Private-Partnership, wie es bei der Sanierung des Südbads zum Einsatz kam: Derartige öffentlich-private Partnerschaften werde man künftig nicht mehr unterstützen. Weder gebe es bei diesen Projekten „validen Entscheidungsgrundlagen“, weil beispielsweise Stadt und Rechnungshof beim Südbad völlig unterschiedliche Berechnungsgrundlagen anwandten und zu komplett anderen Ergebnissen kamen, noch bestehe ausreichend Transparenz. Weiter beklagen die Sozialdemokraten, dass die vertragliche Bindung von 25 Jahren zu einer „folgenreichen Einschränkung der politischen Handlungsfähigkeit“ führe.

Zu Beisitzern im Vorstand der Trierer SPD wurden gewählt (in Klammern die Ja- von jeweils 75 abgegebenen Stimmen): Johannes Barrot (64), Heike Bauer (67), Elke Becker (62), Monika Berger (68) Tamara Breitbach (60), Dr. Regina Bux (64), Andreas Conrad (63), Bettina C. Dreher (71), Dr. Maria Duran Kremer (52), Jutta Föhr (66), Jochen Immich (47), Stefan Kiefer (48), Midia Majouno (46), Thomas Neises (65), Thiébaut Puel (59), Andreas Schleimer (68), Nik Stöckle (53), Roland Struwe (59) und Hanspitt Weiler (51).

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