Die Ärzte bieten Grundversorgung

Ohne dass für die Veranstaltung auch nur mit einem einzigen Plakat geworben werden musste, sorgten am vergangenen Donnerstag bei dem Konzert der Ärzte 8000 Fans für einen Besucherrekord in der Arena. Knapp drei Stunden Spielzeit, gut drei Dutzend Songs aus fast drei Jahrzehnten, Späße mit dem Publikum – man kann nicht sagen, dass die drei Spaßpunkrocker wenig geboten hätten. Allerdings hat man den ein oder anderen Spruch auch schon bei ihrem vorletzten Konzert in Trier vor fünf Jahren gehört, und musikalisch gab es trotz des riesigen Hitrepertoires auch zähe Phasen.

TRIER. „Ihr steht so weit weg, dass ihr uns nicht mehr riechen könnt, aber nicht so weit, dass ihr uns nicht mehr seht“, begrüßt Chef-Anheizer Farin Urlaub die Besucher auf dem Oberrang, ohne zu ahnen, dass der zweite Teil seiner Feststellung nicht auf alle zutrifft. Buh-Rufe ertönen von oben. Dort sind Tribünen aufgebaut, von denen allerdings nur die profitieren, die früh genug da waren – schon am Nachmittag versammelten sich Dutzende, überwiegend junge Fans vor der Arena. Wer aber erst nach halb acht eintrudelte – also eine halbe Stunde vor Konzertbeginn – und sich für den Oberrang entschied, hatte das Nachsehen. In mehreren Reihen quetschten sich Fans zwischen die Pfeiler und die Tribünen.

Der Unmut mancher Besucher, der sich vor allem gegenüber dem Sicherheitspersonal entlud, ebbte aber bis zum Ende ab. Vor allem, weil nach den ersten Songs die Regel aufgehoben wurde, dass man entweder nur oben oder nur unten stehen darf. Im Innenraum war nämlich noch etwas Platz. Dort kann man auch von der letzten Reihe noch die Bühne sehen. Oliver Thomé vom Veranstalter „popp concerts“ sagte gegenüber 16vor, dass man beim nächsten Konzert mit einer solchen Auslastung versuche, eine Situation wie diese zu vermeiden. Laut Hallenbetreiber sei der Veranstaltungsort aber für 8000 Personen ausgelegt. Vielleicht sollte man eher die Obergrenze bei 7500 ansetzen und  dafür 2,50 Euro pro Karte mehr verlangen. Die Band könnte ihre Konzerte zur allgemein besseren Sicht natürlich auch auf einer Leinwand übertragen.

Ohne wirkt das Trio allerdings eindrucksvoller auf der riesigen Bühne –  vor allem, wenn es nur mit Spotlights angestrahlt wird. Links steht Farin Urlaub, in der Mitte etwas nach hinten versetzt hinter dem Schlagzeug Bela B. und rechts vor einem gewaltigen, orangenen Boxenturm Rod González. Urlaub und González tauschen die Plätze, wenn Letzterer den Gesangspart übernimmt. Das passiert erfreulicherweise nicht oft, da die Stücke des jüngsten Ärzte-Mitglieds nicht zu den Highlights des Abends gehören.

Die ersten drei Songs sind programmatisch: Mit „Wir sind die Besten“ (2007), „Ich ess Blumen“ (1988) und „Tamagotchi“ vom neuen Album „auch“ deutet die Band an, wo es langgeht: Kreuz und quer durch die gesamte Bandgeschichte. Dabei scheinen sie in erster Linie das zu spielen, auf das vor allem sie Lust haben. Immer wieder gibt es zähe Phasen – vor allem in der zweiten Stunde – wo nicht mitgeklatscht wird und keine Arme oder T-Shirts geschwenkt werden. Das beschwingte, eingängige „Bettmagnet“ und das flotte „Fiasko“ von „auch“, das nach dem schwachen Vorgänger-Album „Jazz ist anders“ wieder ein paar positive Überraschungen bereithält, lassen einen schließlich wieder etwas wippen und mit dem Kopf nicken.

Mit holprigen Versen verkündet Farin Urlaub um 22 Uhr überraschend: „Wir sind hier in Trier / wir sind gerne hier / trotzdem ist das jetzt das letzte Lied“. Und dann wird das gegen das angekündigte Ende protestierende Publikum von Deutschlands wohl bekanntestem Wasserstoffblonden mit dem vielleicht schelmischsten Grinsen im Musikgeschäft noch ein bisschen weitergeneckt. „Wir spielen jetzt das letzte Lied und gehen dann von der Bühne, okay?“ Nach der treibenden Gute-Laune-Nummer „Hurra“ tun sie das auch.

Aber das Publikum hat noch eine Stunde vor sich. Der erste von drei Zugabe-Blöcken startet mit zwei weiteren neuen Stücken – dem selbstironischen, aber musikalisch gagaistischen „Zeidverschwändung“ und dem selbstironischen und auch musikalisch überzeugenden „TCR“. Mit der Up-tempo-Nummer „Quark“ halten die Ärzte die Fans in Bewegung.

Um exakt 22.30 Uhr beginnt der zweite Block, in dem die Nicht-Toten-Hosen mit „Junge“ und „Unrockbar“ – bei dem mehrere Tausend Besucher im Innenraum der Bitte nachkommen, sich auf den Boden zu setzen, um dann beim Refrain aufzuspringen – noch eine Schippe drauflegen. Bei „Manchmal haben Frauen“ und „Lied vom Scheitern“ darf noch einmal Bela B., „der Mann, dem die Frauen vertrauen beim Hauen“ (Farin Urlaub) beziehungsweise der „Little Drummer Boy“ (Rod González) das Mikro übernehmen. Dazwischen gibt es noch den gelungenen Opener „Ist das noch Punkrock“ der neuen Platte und eine wenig gelungene Laola durch die Halle.

Viele Songs haben die Fans ganz zum Schluss noch auf ihrer imaginären Liste, „Schrei nach Liebe“ dürfen sie nach der letzten Nummer streichen. Im Anschluss scheinen sich die Gespräche vor allem darum zu drehen, was man gerne noch gehört hätte.

Enttäuscht sieht kaum einer aus, in euphorisch strahlende Augen blickt man allerdings auch selten. Ein Dialog zwischen zwei Herren, den man oft in Trier hören kann, drückt am besten den Eindruck von dem Konzert aus. „Unn?“ „Jao.“

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