Der vergessene Tankstellen-Deal

Seit Wochen tobt eine Debatte über das drohende Aus für die Aral-Station in der Ostallee. Manche fürchten schon um das urbane Flair der kleinen Großstadt Trier. Bislang Donnerstagabend unterzeichneten mehr 4.200 Facebook-Nutzer eine Online-Petition, knapp 1.600 Menschen wollten die Forderung nach einem Erhalt der „blauen Lagune“ indes nicht unterstützen. Fakt ist: Mit klarer Mehrheit beschloss der Bauausschuss im März 2009 einen Deal mit der Deutschen BP AG, die 2002 das Tankstellennetz der Aral übernahm. Das Unternehmen hatte sich bereit erklärt, im Gegenzug für eine Vertragsverlängerung um zwei Jahre mehr Geld in den späteren Rückbau der Anlage zu investieren. Offenkundig ist die Station für den Konzern ein Schnäppchen: Nach 16vor-Informationen beträgt die Festmiete inklusive Abschlagszahlungen an die Stadt nur rund 2.000 Euro monatlich. Unterdessen machte Baudezernentin Simone Kaes-Torchiani klar, dass sie den Beschluss von 2009 umsetzen möchte.

TRIER. Im Februar 2009 beriet der Bauausschuss in nicht-öffentlicher Sitzung über die Zukunft der Aral-Tankstelle. Viel Zeit wollte man sich nicht mehr lassen, denn zum 31. Dezember 2010 sollte das Mietverhältnis mit der Deutschen BP Aktiengesellschaft in Bochum als Rechtsnachfolgerin der früheren Aral AG auslaufen. So hatten es die Vertragsparteien zumindest 2003 vereinbart, als sie einen seit Mitte der 1990er laufenden Vertrag verlängerten. Nun also schien das Ende für die Aral-Station absehbar und der Weg bald frei für eine Umwandlung der Tankstelle in einen Grünzug; das Aus für eine Anlage, die an dieser Stelle heute wohl niemand mehr genehmigen würde.

Doch im zuständigen Dezernatsausschuss IV regte sich Widerstand: Man solle den Mietvertrag doch bitte so lange verlängern, bis die Stadt die nötigen Mittel für die Schaffung der Grünanlage habe, wurde angeregt. Allerdings wurden in den Beratungen hinter verschlossenen Türen auch die Lärmbelästigungen, die zu nächtlicher Stunde von Kunden des Tankstellen-Shops ausgehen sollen, ins Feld geführt. Zudem wurde die Forderung erhoben, den Alleenring in diesem Bereich endlich aufzuwerten – ein Ansinnen, das sich mit den Vorstellungen der Verwaltung deckt. Andere Ausschussmitglieder sollen sich schon damals für den bedingungslosen Erhalt der Tankstelle ausgesprochen haben, so auch ein Vertreter des FWG-Vorläufers UBM. Als sich jedoch für keine der Optionen eine Mehrheit abzeichnete, wurde die Entscheidung vertagt. In der folgenden Sitzung sollte das Thema erneut auf die Tagesordnung kommen. Zwischenzeitlich, so die Anregung von Baudezernentin Simone Kaes-Torchiani (CDU), werde die Stadt in Gesprächen mit der Deutschen BP sondieren, ob das Unternehmen sich eventuell stärker am Rückbau der Tankstelle beteiligen würde.

Offenbar waren die Bochumer nicht abgeneigt, denn am 3. März 2009 ermächtigte der Ausschuss die Stadtverwaltung, mit BP einen Kompromiss zu schließen: Der Vertrag wird um zwei Jahre bis zum 31.12.2012 verlängert, wenn der Konzern im Gegenzug zusichert, sich über das zuvor schon vertraglich vereinbarte Maß am Rückbau der Tankstelle zu beteiligen. Angeblich soll es vonseiten des Konzerns sogar eine Zusage gegeben haben, nach Abriss der Gebäude eine bestimmte Anzahl von Bäumen zu pflanzen. Nach Informationen von 16vor fand dieser Deal im Bauausschuss breite Unterstützung, es gab nur vier Gegenstimmen. Eine deutliche Mehrheit des Bauausschusses stimmte also im März 2009 für eine Beendigung des Pachtvertrags zum 31. Dezember nächsten Jahres.

Kommunikationsdesaster der Verwaltung

Eine Entscheidung, die bis vor wenigen Wochen von niemandem öffentlich infrage gestellt wurde – bis 16vor darüber berichtete, dass die von einer Schließung betroffenen Beschäftigten und Aushilfskräfte im Rahmen des Trierer Bürgerhaushalts mobil gegen das drohende Ende der Tankstelle machten. Weitere Berichte in den lokalen Medien lösten dann eine regelrechte Welle der Empörung aus, vor allem im Internet formierte sich massiver Widerstand. Tausende unterzeichneten eine Online-Petition auf Facebook. Dort äußerten sich auch Kommunalpolitiker wie die FWG-Fraktionsvorsitzende Christiane Probst: „Wir kämpfen weiter für den Erhalt der Tankstelle – verlasst euch drauf“, postete Probst am Mittwochabend, und weiter: „Wir brauchen keinen Luxusfahrradweg – sondern ein vernünftiges, finanzierbares Radwegekonzept – ohne Arbeitsplätze dafür zu opfern!“

Im Rathaus ging man derweil auf Tauchgang, und so geriet die Tankstellen-Debatte auch zu einem regelrechten Kommunikationsdesaster der Verwaltung. Anstatt in die Diskussion einzusteigen und mit Argumenten und Informationen die Kritik zu kontern, ließ man am Augustinerhof die Debatte laufen. So konnte sich die Diskussion verselbstständigen. Beispiel Radweg: Bei der Entscheidung, den Pachtvertrag nicht ein weiteres Mal zu verlängern, habe der Radweg seinerzeit gar keine Rolle gespielt, versicherte am Donnerstag auf Anfrage der Sprecher des Rathauses, Ralf Frühauf. Im Vordergrund hätten vielmehr Beschwerden von Anwohnern über die Lärmbelästigung gestanden, vor allem aber das Bestreben, den Alleenring aufzuwerten.

Im Rahmen des Stadtmarketingprojektes „Zukunft Trier 2020“ sei 2003 der Gedanke aufgekommen, langfristig den Standort der Tankstelle in der Ostallee aufzugeben, erläutert Frühauf und ergänzt: „Einer der dabei entwickelten Visionsbausteine hatte unter anderem zum Inhalt, den gesamten, über 200 Jahre alten Alleenring seiner Bedeutung für die Stadt entsprechend aufzuwerten“. Im Auftrag der Stadt führte die Lokale Agenda 21 daraufhin ein Bürgerbeteilungsverfahren durch, um Ideen zu diesem Thema zu entwickeln. „Dieses Verfahren unter dem Titel ‚Grün in der Stadt‘ wurde 2004/2005 durchgeführt und hatte zum Ergebnis, dass der gesamte Alleenring (nicht nur die Ostallee) seiner innerstädtischen Bedeutung entsprechend aufgewertet werden sollte“, teilte der Rathaussprecher mit. Als ein Ergebnis habe man in den Schlussbericht aufgenommen, „dass die Tankstelle in der Ostallee als störendes Element mittelfristig aufgegeben werden soll. Unterstrichen wurde dies durch Berichte von Anliegern über Belästigungen und Störungen infolge des nächtlichen Alkoholverkaufes an der Tankstelle“.

Heftiger Konter aus dem Rathaus

Mittlerweile gibt es eine Planung für einen Radweg in diesem Bereich, doch nach den 16vor vorliegenden Informationen spielte dieser im März 2009 bei den Beratungen im Ausschuss tatsächlich keine Rolle, zumindest keine entscheidende. Doch es war die Verwaltung, die die Diskussion über den Radweg befeuerte, indem sie vor zwei Wochen erklärte, dass auf dem Areal ein solcher angelegt werden solle. Damit war ein kausaler Zusammenhang hergestellt und der Beitrag auf der Online-Plattform des Bürgerhaushalts schien plausibel: „Tankstelle weg für einen Fahrradweg? Nein!“ Am Augustinerhof legt man nun Wert auf die Feststellung, dass vonseiten des Pächters oder der Deutschen BP bislang auch kein Angebot vorliege, den Radweg auf eigene Kosten anzulegen.

Bei den Anfang 2009 geführten Gesprächen zwischen Stadt, Pächter sowie Deutscher BP wurde übrigens auch die Möglichkeit erörtert, nach 22 Uhr keinen Alkohol mehr zu verkaufen. Das lehnte der Pächter dem Vernehmen nach mit einem Verweis auf die Bedeutung dieser Einnahmenquelle ab.  Gegenüber dem Trierischen Volksfreund bezifferte er seinen Umsatz in der vergangenen Woche auf 1,5 Millionen Euro jährlich, rund 50.000 Euro Pacht und Gewerbesteuer flössen an die Stadt. Was die Pacht anbelangt, so kann sich die Deutsche BP AG über die Konditionen nicht beklagen: Nach Informationen unserer Redaktion beträgt der Festmietzins für das Gelände zwischen Ostallee und der Straße An der Schellenmauer inklusive vertraglich vereinbarter Abschlagszahlungen kaum mehr als 2.000 Euro monatlich. Vonseiten der Verwaltung hieß es, dass man zu derartigen vertraglichen Einzelheiten grundsätzlich keine Auskunft gebe.

Im Rathaus macht man unterdessen deutlich, dass an dem Beschluss vom März 2009 festgehalten werden soll. „Die für den Ausbau erforderlichen Kosten werden im Haushalt 2013 veranschlagt und es ist vorgesehen, etwa Mitte 2013 die Ausbaumaßnahmen nach Genehmigung des Haushaltes durchzuführen“. Dabei werde ein kombinierter Fuß- und Radweg angelegt und durch entsprechende Bepflanzungen mit Bäumen der Alleencharakter an dieser Stelle wieder hergestellt. Die Stadt vertrete die Ansicht, „dass den in Bürgerbeteiligungsverfahren entwickelten stadtplanerischen Belangen und den berechtigten Bürgeranliegen hinsichtlich der nächtlichen Ruhestörungen der Vorzug vor den nächtlichen Partygelüsten einzelner einzuräumen ist“. Weiter erklärte der Rathaussprecher: „Sicherlich ist der Verlust von Arbeitsplätzen ein gewichtiges Argument, dem sich jedoch in erster Linie die Pächterin, die Deutsche BP, in jahrelanger Kenntnis der Vertragslage durch Bemühungen um einen Ersatzstandort gegenüber ihrem Unterpächter und dessen Beschäftigten hätte stellen können und müssen“. Dies könne der Stadt nicht angelastet werden.

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