„Dem Zuschauer Grenzsituationen nahebringen“

Uraufführung am Trierer Theater: Am Samstag um 19.30 Uhr legt im Großen Haus „Das Narrenschiff“ ab. Das Tanzstück von Sven Grützmacher – inspiriert von Sebastian Brants gleichnamiger, spätmittelalterlicher Moralsatire (gedruckt 1494), in der zwölf Menschen auf einem Schiff auf sich allein gestellt sind, was zu Ausbrüchen verschiedenster Wesenszüge führt – ist nicht die einzige Premiere, die es zu feiern gibt. Der international angesehene Künstler Bodo Korsig, der in Trier und New York lebt und arbeitet, hat für dieses Stück zum ersten Mal ein Bühnenbild entworfen. Mit 16vor sprach er darüber, wie es dazu kam, was ihn an dem Thema reizte und warum er Trier und New York braucht.

16vor: Die Arbeit zu „Das Narrenschiff“ ist Ihr erstes Bühnenbild, oder?

Bodo Korsig: Ja. Ich habe bisher immer sehr große, aufwändige Installationen in Museen gemacht. Es ging mir immer darum, den Zuschauer zu fangen, dass er irgendwelche Gefühlszustände erleben kann. Die erlebt man natürlich am besten bei einer Rauminstallation, die man durchläuft. Insofern war das Bühnenbild jetzt eine tolle Geschichte.

16vor: Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit dem Theater? Hat der Intendant Sie einfach angerufen und gefragt?

Korsig: Ja. Aber es war nicht meine erste Anfrage für ein Bühnenbild. Ich wurde schon des Öfteren gefragt, aber ich habe es bisher abgelehnt a.) aus zeitlichen Gründen und b.) weil mich das Thema oft nicht interessiert hat. Das „Narrenschiff“ ist meine Thematik. Es geht um Zustände von verschiedenen Leuten, wie sie in einer bestimmten Situation reagieren. Das kann man in dem Stück ganz gut ausleben.

16vor: Haben Sie sich mit der Vorlage von Sebastian Brant und den Illustrationen darin oder anderen künstlerischen Arbeiten dazu wie von Hieronymos Bosch auseinandergesetzt?

Korsig: Hier geht es überhaupt nicht um das „Narrenschiff“ als Vorlage. Es geht darum, wie Leute eine Situation auf engem Raum meistern. Wie man mit Grenzsituationen umgeht. Die interessante Geschichte war, wie man das dem Zuschauer zeigen und nahebringen kann.

16vor: Ist es Zufall, dass man mit dem „Narrenschiff“ ein passendes Werk für Sie gefunden hat oder durften Sie sich eins aussuchen?

Korsig: Die Überlegungen für ein Stück gibt es schon seit zwei Jahren, aber ich habe es zeitlich nicht geschafft. Das Thema hat mich nun aber so interessiert, dass ich gesagt habe: „Das muss ich jetzt machen.“

16vor: Käme auch eine andere Theater-Gattung für Sie infrage?

Korsig: Ich wäre auch für das Schauspiel offen, aber der Tanz ist eine abstraktere Form, die mir mehr liegt, weil man mehr interpretieren kann. Man kann sich mehr treiben lassen. Das Bühnenbild ist daher gespickt mit Gedichten und Videos, es wird mit Licht gespielt, mit Leuchtschrift – es ist ein multimediales Ereignis.

16vor: Wo ist das Bühnenbild entstanden? Im Theater oder bei Ihnen im Atelier?

Korsig: Das war unterschiedlich. Ich war in Berlin und habe dort mit einem Schriftsteller eine Sache konzipiert, in Frankfurt haben wir das Video geschnitten, es gibt älteres Filmmaterial von mir, wir haben neue Sachen gedreht…

16vor: Wie lange haben Sie daran gearbeitet?

Korsig. Im Prinzip das ganze Jahr. Es ist ein langer Prozess. Man entwickelt Ideen, verwirft sie wieder. Bei einer Ausstellung, die man konzipiert, ist es ja genauso. Das geht ebenfalls über viele Monate. Auch dadurch, dass so viele Leute involviert waren, funktioniert das nicht von heute auf morgen.

16vor: Haben Sie sich Proben zu dem Stück angesehen?

Korsig: Jaja, klar. Danach habe ich auch wieder Dinge verworfen, weil man es so nicht hätte bringen können. Oder man wurde zu dominant und musste sich etwas zurücknehmen, damit die Tänzer auch einen Freiraum haben. Daraus entstand eine schlichte, aber sehr aufwändige Arbeit. Es geht alles sehr gut zusammen. Es ist letztenendes nichts anderes, als eine Ausstellung zu konzipieren. Nur hier kommt noch das Medium Tanz hinzu, was das Ganze noch spannender macht.

16vor: Wie kann sich das Theater eigentlich einen Künstler wie Sie leisten?

Korsig: Geld kann nie das Ziel sein. Es ging nie ums Geld. Wenn man die vielen Monate und die ganze Arbeit, die man dort hineingesteckt hat, zusammenrechnete, käme man auf einen Stundenlohn von zwei Euro. Ich übertreibe jetzt etwas. Es ging darum, einen Traum zu verwirklichen. Es ist toll, etwas geschaffen zu haben, womit man zufrieden ist und wofür man vielleicht auch noch ein Schulterklopfen bekommt.

Unser Leben ist von Verrückten geprägt, von Leuten die anders sind. Diese Charaktere entwickeln sich in einem geschlossenen Raum viel mehr als in einer offenen Gesellschaft, wo nicht jeder auf den anderen achtet und man vielleicht auch mehr den Mut zum Anderssein auslebt. Es wäre schön, wenn sich die Zuschauer nicht nur visuell, sondern auch gedanklich damit auseinandersetzen würden.

16vor: Sie leben in Trier und New York – welche Stadt empfinden Sie eher als ein „Narrenschiff“?

Korsig: Das ist schwer. Amerika hat mir geholfen, dieses Anderssein auszuleben. Mut zu haben, verrückt zu sein. In einer Stadt wie Trier wäre es schwierig, mich beispielsweise irgendwo hinzustellen und laut zu singen. Schon mit Kleidung oder einer Frisur, die sich von anderen abhebt, wird man schnell zum Außenseiter. Nichtsdestoweniger brauche ich die Atmosphäre in Trier, die Geborgenheit, die geringe Ablenkung. Das meiste, was ich gemacht habe, ist in Trier entstanden.

Weitere Infos zum Künstler unter http://www.korsig.com/.

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