Vorbild Rom
„Ante Romam Treveris stetit annis mille trecentis“, steht auf der Fassade des „Roten Hauses“ unweit des Hauptmarkts geschrieben. Würde man der erst zu Beginn des zweiten Jahrtausends entwickelten Gründungssage Glauben schenken und „Treveris“ tatsächlich schon 1300 Jahre länger existieren als Rom, die neue Sonderausstellung, die Ministerpräsidentin Malu Dreyer heute Abend im Rheinischen Landesmuseum eröffnen wird, müsste „Ein Traum von Trier“ heißen. Erstmals widmet sich eine Schau dem Einfluss Roms auf die Entwicklung von Städtebau und -kultur in römischen Provinzen. Die Metropole am Tiber war das Maß aller Dinge, vom heutigen Rottweil bis Ladenburg eiferte man dem großen Vorbild nach. Doch in Mitteleuropa sei es nur dem antiken Trier annähernd gelungen, Roms monumentaler Pracht nahe zu kommen, so Dr. Nina Willburger vom Landesmuseum Württemberg in Stuttgart, wo die Gemeinschaftsausstellung ab Oktober gezeigt wird.
TRIER. Nein, Dr. Marcus Reuter wollte keine Anspielung machen! Konnte ja auch niemand ahnen, dass zeitgleich mit der Presseführung in Trier im fernen München ein Aufsehen erregender Prozess seinem vorläufigen Höhepunkt entgegensteuern würde. „Die Steuereinnahmen von der Nordsee bis zur Schweiz flossen hier zusammen“, erklärt der Direktor des Rheinischen Landesmuseums am Donnerstagmittag denn auch ohne jeden ironischen Unterton und zeigt stolz auf das Monument zu Ehren des Titus Varius Clemens. Besagtem Titus Varius Clemens unterstand in der Mitte des zweiten Jahrhunderts die Finanzverwaltung des Territoriums der Belgica sowie der beiden germanischen Provinzen. Trier war für diesen Mann so etwas wie ein weiterer Meilenstein auf einer beachtlichen Laufbahn durch den römischen Verwaltungsapparat. Die führte ihn an zahlreiche Stationen des Reiches und auch nach Rom. Er kannte sie also beide, die „Ewige Stadt“ und die „Roma secunda“, wie Trier seit dem 10. Jahrhundert aufgrund seiner antiken Vergangenheit immer wieder genannt wird.
Marcus Reuter ist stolz, aber das sind an diesem Donnerstagmittag eigentlich alle, die an der großen Ausstellung mitgewirkt haben und den zahlreich erschienenen Medienvertretern nun Rede und Antwort stehen. „Ein Traum von Rom“ lautet der Titel, mit 300 Exponaten und auf 700 Quadratmetern Fläche wird „Römisches Stadtleben in Südwestdeutschland“ erklärt. „Trier war wahrscheinlich die Metropole nördlich der Alpen“, erklärt Thomas Metz, Generaldirektor der Generaldirektion Kulturelles Erbe in Koblenz. Reuter legt nach und spricht von einer „gigantisch großen Metropole“. Denn immerhin habe das antike Trier eine Fläche von rund 284 Hektar gehabt, gemessen daran sei die heutige Millionenstadt Köln mit ihren damaligen Ausmaßen von weniger als 100 Hektar Stadtfläche doch eher überschaubar gewesen. Trier sei denn auch „der richtige Ort“, um die bislang einzigartige Ausstellung zu präsentieren, ergänzt Nina Willburger.
Die Ausstellung konzentriert sich auf die römische Stadtkultur im Nordosten Galliens sowie im rechtsrheinischen Obergermanien. In punkto öffentlicher Baukultur, aber auch was die Ausstattung privater Domizile sowie die Organisation von Wirtschaft und Verwaltung anbelangt, stand Rom den Verantwortlichen in den Provinzen Pate. Anders als heutzutage, wo eine Stadt erst dann als Großstadt gilt, wenn sie mehr als 100.000 Einwohner zählt, spielte die Größe für die Römer eine eher untergeordnete oder gar keine Rolle. Entscheidend war, welche Rechte der Kaiser der jeweiligen Siedlung verlieh. Deshalb konnten auch schon kleinere Siedlung enorme Bedeutung erlangen.
An der Bedeutung Triers in der Antike zweifelt heute niemand mehr. Als „Urbs opulentissima“, als sehr wohlhabende Stadt galt die Metropole der Treverer schon im 1. Jahrhundert. Derart reich und auch reich an Funden war und ist die zeitweilige Kaiserresidenz, dass im Landesmuseum immer nur ein Bruchteil der Relikte aus jener Zeit gezeigt werden kann, derweil das Gros in Depots lagert. Einige der Exponate, die nun ausgestellt werden, sind erstmalig oder zumindest erstmals seit vielen Jahrzehnten wieder zu sehen, frohlockt Reuter; darunter imposante Mosaike und Wandmalereien. In elf Räume ist die Ausstellung unterteilt, von einer allgemeinen Einführung, welche die Stadtgrundrisse von Rom bis Ladenburg in einem einheitlichen Maßstab zeigt und so einen Vergleich ermöglicht, betritt der Besucher ein nachgestelltes Forum. Hier stehen die Eliten der Verwaltung im Vordergrund, auch sie bilden einen wichtigen Indikator für die Bedeutung einer antiken Stadt, wie das Beispiel des Titus Varius Clemens zeigt.
Um eine Vorstellung vom damaligen „Weltmarkt“ zu bekommen, bauten die Ausstellungsmacher eine typische römische Ladenstraße nach. Diese fällt naturgemäß deutlich schmäler und kleiner aus als die gut zehn Meter breiten Originale, doch vermitteln die in den kleinen Läden ausgestellten Waren eine Vorstellung davon, wie weit der grenzüberschreitende Warenverkehr und der römische Binnenmarkt damals entwickelt waren. Aus Indien wurden Pfeffer und Zimt ins Reich importiert, derweil sich Tongefäße aus Trier zum Exportschlager entwickelten. Nina Willburger zeigt auf Krüge, die vor 1700 Jahren von der Mosel ins heutige Baden-Württemberg geliefert wurden und nun erstmals an den Ort ihrer Herstellung zurückkehren.
Um sich ein noch besseres Bild von der Materie zu machen, werden die antiken Städte in der 240-Grad-Animation des „Naexus Virtual Space Scope“ veranschaulicht. Von einem „Illusionsraum“ spricht Professor Claus Dießenbacher von der Hochschule Anhalt in Dessau. Nahtlos projizieren vier Beamer Bilder auf eine Leinwand, der Betrachter taucht ein in die Vergangenheit und wird in dem gut 10-minütigen Film über die wesentlichen Inhalte der Ausstellung informiert. „Aus der Traum“ steht über einen aufgeschütteten Kalkberg geschrieben, denn auch wenn die Ausstellung sich vor allem mit der Blütezeit urbanen Lebens in der Antike befasst, so wird doch auch der Niedergang der südwestdeutschen Römerstädte nicht ausgeblendet.
Von einstiger Größe ist Trier bekanntlich bis heute weit entfernt, auch wenn das heutige Stadtgebiet das zu Zeiten der Antike weit übertrifft. Die ansprechend gestaltete Ausstellung ruft vor allem die glorreiche Epoche der einst größten römischen Stadt in Mitteleuropa in Erinnerung und führt so auch dem einheimischen Besucher vor Augen, wovon die Monumente außerhalb des Museums wie Porta Nigra oder Kaiserthermen nur noch eine Ahnung vermitteln. Ab dem 25. Oktober wird die Gemeinschaftsausstellung der Landesmuseen Trier und Stuttgart auch in der baden-württembergischen Landeshauptstadt gezeigt. Drei Jahre dauerten die Vorbereitungen, seit der großen Konstantin-Ausstellung von 2007 habe sein Haus nichts Vergleichbares gezeigt, so Reuter. Von den Dimensionen der Konstantin-Ausstellung ist die jetzige Schau zwar deutlich entfernt, doch ein Besuch lohnt „Ein Traum von Rom“ allemal.
Weitere Informationen zur Ausstellung und zum Begleitprogramm finden Sie auf folgender Homepage.
von Marcus Stölb