„Das wird eine klasse Geschichte“

Gestern Kraft, morgen Kramp-Karrenbauer: Während die SPD am Sonntag die NRW-Ministerpräsidentin aufbot, hat sich bei der CDU für Dienstagabend die saarländische Regierungschefin angesagt. Für Malu Dreyer, die in der kommenden Woche Kurt Beck ablösen soll, war dieser Neujahrsempfang der letzte in ihrer Funktion als Chefin der Trierer SPD. Ihre Nachfolge in diesem Amt soll bald geregelt sein, drei Bewerber sind im Gespräch. Kraft freut sich derweil auf die Zusammenarbeit mit ihrer künftigen Kollegin; die setzt auf die Erfahrung der wenige Monate jüngeren Genossin aus Düsseldorf. Krafts Ansprache geriet zur Grundsatzrede, die Vize-Bundesvorsitzende beschwor die Werte ihrer Partei und erinnerte an deren 150-jährige Geschichte. Den gegenwärtigen Kanzlerkandidaten erwähnte sie hingegen kaum.

TRIER. Hannelore Kraft hat Platz genommen, blickt interessiert um sich, guckt in die Luft – neben ihr der Oberbürgermeister. Klaus Jensen erläutert, was es mit dem römischen Gemäuer und der Vitrine darüber auf sich hat. Wo Triers SPD traditionell ihren Neujahrsempfang abhält, ist die Frau aus dem Pott schließlich noch nicht gewesen. „Nach den Winterferien der erste Termin in den Thermen“, kommentiert sie ebenso amüsiert wie trocken den Veranstaltungsort. Da hat Kraft die ersten Lacher auf ihrer Seite, und es dauert nicht lange, da hat sich die stellvertretende Bundesvorsitzende auch in die Herzen ihrer Zuhörer geredet – zumindest derjenigen mit SPD-Parteibuch oder die der Sozialdemokratie nahestehen. In die Viehmarkttherme sind indes auch zahlreiche Mitglieder anderer Parteien gekommen, ebenso Verbandsvertreter von Karneval bis Einzelhandel.

Bevor Kraft spricht, hat Malu Dreyer ihren Auftritt. Es ist ihr letzter Neujahrsempfang als Trierer SPD-Vorsitzende, das Amt wird sie bald abgeben. Die Person, die ihr an der Spitze der Partei nachfolgen wird, ist an diesem Mittag im Publikum, auch wenn noch nicht bekannt ist, wer es am Ende machen wird. „Ich bin absolut zuversichtlich, dass die Nachfolge überhaupt kein Problem wird“, sagt Dreyer und stellt schon mal vorsorglich klar: „Ihr bleibt meine Partei, mein Stadtverband“. Es gilt als sicher, dass nur einer ihrer drei Stellvertreter für den Parteivorsitz infrage kommt: Markus Nöhl, Sven Teuber oder Begoña Hermann gelten als Anwärter, alles andere wäre eine Überraschung. Seit acht Jahren steht Dreyer an der Spitze der Trierer SPD, ihr Rückzug wird für die Genossen der Moselstadt eine Zäsur bedeuten.

Von einem „Einschnitt für unser Land“ spricht die 51-Jährige, als sie auf den bevorstehenden Wechsel von Kurt Beck zu ihr zu sprechen kommt. Am 16. Januar wird Dreyer im Mainzer Landtag mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zur neuen rheinland-pfälzischen Regierungschefin gewählt. Als dritte Sozialdemokratin in der Geschichte der Bundesrepublik regiert sie dann ein Bundesland – nach Heide Simonis und Hannelore Kraft. Simonis und Kraft sind nicht wirklich vergleichbar, sieht man einmal davon ab, dass beide schon mit Peer Steinbrück am gleichen Kabinettstisch saßen. Simonis soll in Kiel einen derart herrischen Führungsstil an den Tag gelegt haben, dass es selbst dem nicht eben zart besaiteten Steinbrück mitunter zu viel wurde. Nur spricht von Simonis heute niemand mehr, derweil der SPD-Kanzlerkandidat für immer neue Schlagzeilen sorgt – aus Sicht seiner Partei nicht für die besten, um es vorsichtig auszudrücken.

Steinbrück war es, der nach seiner Niederlage bei der Landtagswahl 2005 maßgeblich dafür sorgte, dass seine vormalige Wissenschaftsministerin Kraft an die Spitze der SPD-Fraktion im Düsseldorfer Parlament rückte. Die seit Jahrzehnten von den Mühen der Opposition entwöhnten NRW-Genossen standen vor einem Scherbenhaufen, doch nach nur fünf Jahren gelang ihnen über die Bildung einer rot-grünen Minderheitsregierung die Rückkehr an die Macht. Inzwischen regiert Kraft mit Mehrheit und gilt als die aktuell populärste Sozialdemokratin. Als „eine der bedeutendsten Politikerinnen Deutschlands“, bezeichnet Dreyer am Sonntag ihre künftige Amtskollegin; Kraft sei „mutig und authentisch“, sie hoffe, dass sie von deren Erfahrung als Regierungschefin lernen könne. Das wiederum kontert Kraft in der ihr eigenen Art mit dem Hinweis: „Kurt Beck war länger Ministerpräsident, als ich SPD-Mitglied bin“. Tatsächlich trat sie erst 1994 in die Partei ein.

Kraft: Und zur Krönung ein Kanzler Steinbrück

Ihre Ansprache gerät zu einer Art Grundsatzrede an die Partei. Kraft beschwört die lange Geschichte der deutschen Sozialdemokratie, 2013 werde schon deshalb ein besonderes Jahr, weil die Genossen das 150-jährige Jubiläum feierten. „Keine Partei hat mehr durchgestanden und durchgesetzt“, sagt sie und zitiert Otto Wels, der gegen das Ermächtigungsgesetz stimmte: „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht“. Dass vor der Tür zum gleichen Zeitpunkt eine kleine Ansammlung NPD-Anhänger demonstriert, hat Kraft vernommen und veranlasst sie nun zu einem eindringlichen Appell – dem, immer wieder für Demokratie und Menschenwürde einzustehen. Es ist der Moment ihrer Ansprache, an dem sie den größten Applaus erhält. Die Werte, für die die SPD eintrete, hätten sich über die Jahrzehnte nie verändert, auch wenn jede Zeit neue Antworten verlange, nahm Kraft dann noch eine rhetorische Anleihe bei Willy Brandt.

Quasi als Krönung des Jubiläumsjahres könne dann gegen Ende die Wahl Peer Steinbrücks zum neuen Kanzler stehen, sagt Kraft. Viel mehr Worte wird sie an diesem Mittag über ihren ehemaligen Chef nicht verlieren. Mit dem sich „Um Kopf und Kanzleramt“ redenden Kandidaten, wie Der Spiegel auf seiner aktuellen Ausgabe titelt, sind auch viele Sozialdemokraten nicht mehr zufrieden – was sie allerdings mehr hinter vorgehaltener Hand einräumen. Kraft zeigt sich dennoch zuversichtlich und will Anzeichen für eine gute Ausgangsposition ihrer Partei für die Bundestagswahl ausgemacht haben: Alle Umfragen zeigten schließlich, dass eine ganz klare Mehrheit der Deutschen keine Fortsetzung der amtierenden Berliner Koalition wünsche; „wenn das keine Wechselstimmung ist, dann weiß ich es nicht“. Natürlich weiß aber auch Kraft, dass eine Große Koalition mit einem Juniorpartner SPD noch kein wirklicher „Wechsel“ wäre.

Für Dreyer stellt der Urnengang im Herbst eine „Richtungswahl“ dar. Die Menschen hätten unter anderem die Wahl zwischen einem gesetzlichen Mindestlohn und Lohndumping. An die Unternehmer appellierte sie, sich einem Mindestlohn nicht mehr zu verschließen – dann, so Dreyers Argumentation, müssten sie sich auch nicht mehr mit den Firmen „rumschlagen, die Lohndumping betreiben“. Die Wähler könnten entscheiden, „ob die Gesellschaft in Deutschland weiter auseinander driftet, oder ob es wieder solidarischer zugehen wird“. Angela Merkels Äußerung, die amtierende seit die beste Bundesregierung seit der Wiedervereinigung, sei wohl eher dem Karneval geschuldet, höhnt Dreyer. Einen Ausblick auf die nächsten Monate wirft sie auch, sowohl was die Stadt anbelangt als auch ihre neue Aufgabe. Die designierte Ministerpräsidentin verspricht, das Land werde jene Kommunen entlasten, die unter besonders hohen Ausgaben für Sozialleistungen zu leiden hätten – also Städte wie Trier. Klaus Jensen, Dreyers Mann und Triers OB, der auch Vorsitzender des rheinland-pfälzischen Städtetags ist, wird sie mit dieser Ankündigung nicht mehr überrascht haben, gefreut haben dürfte er sich gleichwohl.

Seine Frau wird Jensen künftig noch seltener sehen, das bringt das neue Amt mit sich. Hannelore Kraft freut sich nach eigenem Bekunden auf die Zusammenarbeit mit Dreyer: „Wir beide im Bundesrat, das wird eine klasse Geschichte“. Mit dem Rückzug Becks wird die NRW-Regierungschefin ihren Einfluss auf Bundesebene ausbauen, denn noch im Januar übernimmt sie von dem Pfälzer die Aufgabe, die SPD-regierten Länder im Bundesrat zu koordinieren.

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