„Das werden wir nicht umsetzen“

Mit knapper Mehrheit hat der Stadtrat am Donnerstagabend einen Antrag der CDU beschlossen, das Parken auf dem Radweg entlang der Zurmaienerstraße während der Heimspiele der Eintracht zu erlauben. Der Entscheidung vorausgegangen war eine lebhafte Debatte, bei der Vertreter von CDU und FWG die Baudezernentin heftig kritisierten. Sozialdemokraten und Grüne verteidigten die Linie der Verwaltung. Simone Kaes-Torchiani (CDU) hatte bereits vor der Abstimmung deutlich gemacht, dass die Verwaltung den Beschluss nicht umsetzen werde. Das Straßenverkehrsamt könne sich nicht über geltendes Recht hinweg setzen. 

TRIER. Dass Beschlüsse des Stadtrats nicht umgesetzt werden, kommt häufiger vor. Entscheidungen verlaufen im Sande, weil das Geld für ihre Umsetzung fehlt oder Rat und Verwaltung plötzlich andere Schwerpunkte setzen. Dass eine Dezernentin vor einer Abstimmung erklärt, dass sie eine Entscheidung des Rats nicht umsetzen wird, dürfte noch nicht oft vorgekommen sein. So gesehen war die Ratssitzung am Donnerstagabend ein denkwürdiges Ereignis.

Die CDU hatte beantragt, während der Heimspiele des Fußballregionalligisten Eintracht Trier die Radwege entlang der Zurmaienerstraße für einen Zeitraum von drei bis vier Stunden zu entwidmen. Dadurch werde das Parken auf diesen Flächen für einen überschaubaren Zeitraum ermöglicht, argumentiert die Union. Rechtlich sei dies nach Paragraph 46 der Straßenverkehrsordnung möglich, die Regelung werde bereits regelmäßig bei anderen Veranstaltungen angewandt, sagte CDU-Ratsmitglied Friedl Schulz. Zwar handele es sich um eine „geringfügige Beeinträchtigung des Radverkehrs“, doch verlaufe parallel der ohnehin viel stärker frequentierte Radweg an der Mosel. Mindestens 200 bis 300 Fans kämen nicht mehr zu den Heimspielen der Eintracht, seit die Stadt auf dem Radweg an der Zurmaienerstraße Knöllchen verteilt. Zuvor hatte Schulz die Baudezernentin attackiert: Dass das Thema seit fast einem Jahr derart leidenschaftlich diskutiert werde, sei der Tatsache geschuldet, „dass hier plötzlich und unerwartet ein seit Jahrzehnten geduldetes völlig normales Szenario geahndet wurde: Das Parken eines Autos in relativer Nähe zu einer Großveranstaltung“.

Ernser (FWG): Das hat 40 Jahre keinen gestört

Rainer Lehnart (SPD) warf Schulz und der CDU-Fraktion daraufhin „reinen Populismus“ vor. „Wir sollen uns für etwas stark machen, obwohl wir wissen, dass wir nicht die Entscheider sind“. Ein solcher Beschluss habe „überhaupt keine Rechtswirksamkeit“, so Lehnart, das wisse auch die CDU. Der Sozialdemokrat verlangte „einen ganzheitlichen Ansatz“. In einer „durchaus zumutbaren Entfernung“ gebe es schon jetzt rund 3.000 Stellplätze, die Freigabe des Radwegs werde zu zusätzlichem Parksuchverkehr führen, warnte er. Auch Richard Leuckefeld lehnte die Forderung der Union ab: „Ihr Antrag hat den Fehler, dass er nicht konsequent ist. Deshalb ist er auch nicht glaubwürdig“, warf der Grüne den Christdemokraten vor. Seine Fraktion habe überlegt, einen Ergänzungsantrag zu stellen, der das Parken auf Radwegen auch während Konzerten im Ex-Haus, an Allerheiligen für Friedhofsbesucher, bei Familienfesten und anderen größeren Veranstaltungen ermögliche. „Wenn schon, dann gleiches Recht im Unrecht für alle“, ironisierte Leuckefeld und erklärte: „Das eigentlich Skandalöse ist doch, dass diese Ordnungswidrigkeit über Jahrzehnte geduldet wurde.“

Für Hans-Alwin Schmitz (FWG) liegt der Skandal anders: dass über Jahrzehnte nie kontrolliert wurde und dann im Oktober letzten Jahres ohne Vorankündigung Knöllchen verteilt wurden. Der Baudezernentin warf der Eurener vor, eine „Provinzposse“ abgeliefert zu haben. Bei jeder überregionalen Veranstaltung würden Straßen gesperrt und Schilder abgehangen, auch bei der Eurener Kirmes sei das möglich. „Das hat damit zu tun, wie die Straßenverkehrsordnung ausgelegt wird“, so Schmitz, „wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“. Auch die Liberalen unterstützten den Antrag. Felix Brand nannte diesen „richtungsweisend für Trier“ und fügte hinzu: „Aus beruflicher Sicht hätte ich natürlich meine Probleme damit, aber ich bin ja Stadtrat“. Im Hauptberuf ist Brand Polizist.

Dempfle (CDU): Zwei Juristen, drei Meinungen

Brands Äußerung machte die Baudezernentin einigermaßen fassungslos. „Als ich hier angetreten bin, habe ich einen Eid geleistet“, sagte Kaes-Torchiani und ergänzte, dass sie sich an Recht und Gesetz gebunden fühle. Mit Blick auf Brand sei sie „sehr erstaunt“ über dessen Bemerkung: „Sie wissen es eigentlich, dass das nicht geht“. Sodann übergab sie das Wort an Christian Fuchs, Sachgebietsleiter beim Straßenverkehrsamt. Fuchs erklärte nicht nur die Rechtslage, sondern leistete sich – für einen Verwaltungsmitarbeiter unüblich  – ein paar Seitenhiebe auf politische Entscheidungsträger. Er habe im Gespräch mit einzelnen Ratsmitgliedern „eigentlich ganz klar erklärt“, wie die Rechtslage sei, aber offenbar hätten die „nicht richtig zugehört“. Eine Bemerkung, die wohl auch auf Schmitz gemünzt war. So werde eine Veranstaltung wie die Eurener Kirmes nach einem anderen Paragraphen geregelt, weil es sich um eine Veranstaltung im öffentlichen Straßenraum handele. Bei der Eintracht sei es aber so, dass diese im Moselstadion spiele. Die zeitweise Entwidmung des Radwegs am Moselstadion könne, wenn überhaupt, nur genehmigt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung diene. Dieser Fall sei hier aber nicht gegeben.

Richard Ernser (FWG) zeigte sich von Fuchs‘ Ausführungen unbeeindruckt: „Das hat 40 Jahre keinen gestört. Bitte lassen Sie das Parken doch weiter zu“, appellierte er. Sein Fraktionskollege Peter Spang erklärte: „40 Jahre lang hat die Stadt einen rechtswidrigen Zustand geduldet“, man müsse nun auch die „normative Kraft des Faktischen“ berücksichtigen. Und Jurist Ulrich Dempfle, Chef der CDU-Fraktion, konstantierte trocken: „Zwei Juristen, drei Meinungen“. Wenn jemand klagen wolle, müsse man eben schauen, wie die Gerichte entschieden. Der Rat habe aber „sehr wohl das Recht, seine politische Meinung abzugeben“, erklärte er unter lautstarkem Beifall.

Für viel mehr als eine politische Meinungsbekundung hält die Baudezernentin den Beschluss offenbar nicht: Sie werde die Entscheidung in keinem Falle umsetzen, hatte sie bereits vor der Abstimmung angekündigt. Bei der Überwachung des ruhenden Verkehrs könne sich das Straßenverkehrsamt nicht über die geltenden Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung hinwegsetzen, so Kaes-Torchiani. Für sie ist es binnen weniger Wochen das zweite symbolträchtige Thema, bei dem ihr die eigenen Parteifreunde den Kampf ansagten: Vor der Sommerpause brachte die CDU eine Entscheidung über den Bebauungsplan Loebstraße zu Fall – trotz eindringlicher Appelle der Christdemokratin. Nun kündigte die Union ihr auch beim Thema Parken am Moselstadion die Unterstützung auf.

Die Ankündigung der Dezernentin, den Beschluss nicht umzusetzen, änderte am Ergebnis nichts mehr, die Fronten waren geklärt: Mit 25 Stimmen von CDU, FWG und FDP beschloss der Rat den Antrag, 23 Sozialdemokraten, Linke und die Grünen stimmten dagegen. Auch Bürgermeisterin Angelika Birk (Grüne) votierte gegen den CDU-Antrag. Birk hatte Klaus Jensen vertreten, der sich bei diesem Tagesordnungspunkt für befangen erklärte. Der OB ist Mitglied im Aufsichtsrat des Fußballclubs.

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