„Das schaffe ich auch noch“

Eigentlich hatte der Kulturausschuss beschließen sollen, die Förderung von Martinszügen einzustellen. Doch dann stand Dezernent Egger (FDP) fast allein auf weiter Flur, nur ein Grüner mochte noch für seine Vorlage votieren. Weil aber ein Liberaler und ein Linker dagegen stimmten und sich die weiteren Mitglieder des Ausschusses enthielten, was die Überraschung groß und die kleine Sensation perfekt. Es geht um 50 bis 150 Euro pro betroffenem Ortsteil – und um die Frage, wie ein städtischer Haushalt konsolidiert werden soll, wenn selbst derart bescheidene Sparbemühungen keine Mehrheit mehr finden? Ein Triumph ist die Ablehnung von Eggers Vorlage für dessen Parteifreund Dr. Karl-Josef Gilles. Im Gespräch mit 16vor erklärt der Filscher, weshalb die Eingemeindungsverträge von 1969 für ihn weiter Gültigkeit haben und er eine Ausgemeindung seines Stadtteils ablehnt.

TRIER. Auch am Tag danach kann Karl-Josef Gilles sein Glück kaum fassen. Natürlich habe er „jubiliert“ und tue dies noch immer, räumt er freimütig ein und genießt den unerwarteten Erfolg. Mit einem derartigen Abstimmungsergebnis habe er jedenfalls nicht gerechnet: „So etwas habe ich auch noch nie erlebt“, ergänzt der erfahrene Kommunalpolitiker, der sich 2014 von allen politischen Ämtern zurückziehen will. Als „Retter der Martinsbrezel“ möchte der Filscher Ortsvorsteher und Chef der FDP-Fraktion im Stadtrat indes nicht gesehen werden; um den mit Hagelzucker bestreuten Hefeteig sei es am Dienstagabend ja eigentlich auch gar nicht gegangen.

Der Stadt ging es jedenfalls um eine Einsparung von jährlich insgesamt 1.150 Euro, verteilt auf elf (!) Stadtteile – von Quint bis Kernscheid, von Zewen bis Ruwer-Eitelsbach. „Die Unterstützung hat ihre rechtliche Grundlage in den Eingemeindungsverträgen des Jahres 1969“, erläutert die Stadt. Auf den Eingemeindungsvertrag berufen sich auch die Pfalzeler in ihrem Kampf für die örtliche Grundschule – deren Erhalt sei ihnen schließlich vor 43 Jahren zugesichert worden.

16vor: Glückwunsch, Herr Dr. Gilles, die städtischen Zuschüsse für die Martinsbrezeln werden nicht gestrichen. Sind die Filscher eigentlich allesamt traumatisiert?

Karl-Josef Gilles: (lacht) Nein, wie kommen Sie darauf? Das kann man nicht sagen. Die Brezeln sind ja das eine, darum ging es uns ja eigentlich weniger. Aber als die Zuschüsse gestrichen werden sollten, da haben bei uns natürlich schon die Alarmglocken geläutet.

16vor: Sie betonen immer wieder, dass 1968 mehr als 95 Prozent der Filscher gegen die Eingemeindung stimmten. Wenn Sie könnten, würden Sie dann eigentlich gerne wieder aus dem Stadtverband austreten und zur Landgemeinde werden?

Gilles: Wissen Sie, das müssen Sie die Filscher fragen.

16vor: Ich frage aber Sie als Filscher…

Gilles: Ich glaube nicht, dass das Sinn machen würde. Die Zeiten haben sich geändert. Wir haben heute beispielsweise eine bessere Busanbindung an die Stadt, das hat es vorher ja nicht gegeben. Allerdings fühlt man sich schon mal über den Tisch gezogen, wenn man sieht, was in anderen Stadtteilen an Maßnahmen realisiert wird. Wir können immer nur das machen, was unser Ortsteilbudget hergibt.

16vor: Am Dienstagabend drohten Sie, notfalls juristisch gegen eine Streichung der städtischen Zuschüsse vorzugehen. Können Sie verstehen, dass uns eine solche Drohung angesichts der Summe, um die es geht, ziemlich absurd vorkommt?

Gilles: Es geht ja nicht um die Summe, das haben die wenigsten kapiert. Das schaff‘ ich auch noch, die 50 Euro aufzutreiben. Es geht uns darum zu verhindern, dass die Eingemeindungsverträge weiter ausgehöhlt werden. Was die Möglichkeit eines Rechtsstreits anbelangt – das ist das letzte, was ich will.

16vor: Sie pochen immer wieder auf die Einhaltung der Eingemeindungsverträge von 1969. Weshalb sollte ich mich als gebürtiger Heiligkreuzer und in Kürenz wohnender Trierer eigentlich an Verträge aus einer Zeit halten, als der Opa meines Zahnarztes Oberbürgermeister war und Josef Harnisch hieß?

Gilles: Also weder mit Heiligkreuz noch mit Kürenz wurden vergleichbare Eingemeindungsverträge abgeschlossen. Was Filsch betrifft – man hat uns damals eingemeindet, obwohl fast alle Filscher dagegen waren. Die Stadt hat sich dann die Filetstücke genommen und als Bauland verkauft. Und kein einziger Pfennig ist danach wieder nach Filsch zurückgeflossen…

16vor: Also doch traumatisiert?

Gilles: Nein! Ich habe damals doch noch gar nicht in Filsch gewohnt.

16vor: Fühlen Sie sich denn heute mehr als Filscher oder als Trierer?

Gilles: Ich fühle mich zunächst mal als Moselaner, und dann als Trierer. In Filsch genieße ich seit 29 Jahren Wohnrecht. Ich stehe hier in der Pflicht als Ortsvorsteher, und da habe ich mich für die Belange der Filscher einzusetzen.

Print Friendly, PDF & Email

von

Schreiben Sie einen Leserbrief

Angabe Ihres tatsächlichen Namens erforderlich, sonst wird der Beitrag nicht veröffentlicht!

Bitte beachten Sie unsere Kommentarrichtlinien!

Noch Zeichen.

Bitte erst die Rechenaufgabe lösen! * Time limit is exhausted. Please reload the CAPTCHA.