Das Rein-Raus-Dilemma des Felix Brand

Der Fraktionszwang habe ihm zu schaffen gemacht, mehrfach habe er gegen seine Überzeugung abstimmen müssen, erklärte Felix Brand zur Begründung, weshalb er wenige Monate vor der Kommunalwahl die Seiten wechselt. Ähnliche Gründe führte Peter Spang an, als er aus der SPD austrat, um – ebenfalls bei den Freien Wählern – sein neues kommunalpolitisches Glück zu suchen. War die FWG 2009 noch als die große Verliererin aus der Kommunalwahl hervorgegangen, ist sie nunmehr die einzige Fraktion im Rat, deren Mitglieder nicht nur allesamt an Bord blieben, sondern die während der laufenden Wahlperiode auch noch Zuwachs bekam. Unterdessen schlossen die Freidemokraten Brand am Montagabend aus der Fraktion aus und legten ihm nahe, sein Mandat niederzulegen. Das habe der Polizist schließlich „auf dem Ticket der FDP“ gewonnen. Brand will jedoch als Fraktionsloser weitermachen, weshalb es im Rat nun zu einer einigermaßen grotesken Situation kommt.

TRIER. Am 9. Dezember postete Felix Brand auf Facebook: „Ein Herr Lindner grüßt heute im Trierischen Volksfreund mit militärischem Gruss. Ich fühle mich nicht wohl dabei, wenn ein Ungedienter diese Geste an den Tag legt!“ Gut möglich, dass das Unwohlsein über den reaktivierten Hoffnungsträger der Bundes-FDP in den vergangenen Wochen überhand genommen hat. Brand neigt ohnehin mehr zu Freidemokraten vom Format eines Dirk Niebel. Den lernte der Trierer Polizist einst bei der Bundeswehr kennen, weshalb er diesen meist auch „Kamerad Niebel“ nennt. Zur Erinnerung: Dirk Niebel ist der Mann, der vor vier Jahren an die Spitze eines Ministeriums rückte, dessen Abschaffung seine Partei zuvor noch gefordert hatte – weshalb die FDP gleich zum Start der schwarz-gelben Koalition ein ernstes Glaubwürdigkeitsproblem hatte.

2009 kandidierte Felix Brand erstmals für den Stadtrat, rückte aber erst 2010 für Thomas Egger nach, nachdem dieser auf sein Mandat verzichtet hatte, um Dezernent zu werden. Von den vier Liberalen, die vor viereinhalb Jahren in den Rat gewählt wurden, gehören drei ihm nicht mehr an – und mit Egger und Brand traten zwischenzeitlich zwei von ihnen sogar aus der Partei aus. Eine prozentual höhere Fluktuation hat lediglich die Linke vorzuweisen, von deren aktueller Zwei-Frau-Fraktion es auf Anhieb niemand in den Rat schaffte – weder Katrin Werner noch Linde Andersen. Marc-Bernhard Gleißner und Dr. Johannes Verbeek legten nach innerparteilichen und persönlichen Auseinandersetzungen ihre Mandate nieder; Gleißner noch vor der konstituierenden Sitzung. Von den sozialdemokratischen Genossen, die bei der letzten Kommunalwahl erfolgreich antraten, verließen zwischenzeitlich zwei die Fraktion: Bruno Cordel nur wenige Wochen nach dem Wahltag. Für ihn sollte Stephan Wonnebauer nachrücken, doch der verzichtete auf ein Mandat, für das er noch wenige Wochen zuvor angetreten war. Klaus Blum, so viel darf als sicher gelten, hätte auf sein Mandat nicht verzichtet, wäre er nicht schwer erkrankt. Aus den Reihen der CDU verschwanden die Brüder Helmut und Norbert Freischmidt, beide gewissermaßen aus beruflichen Gründen. Bei den Grünen verzichteten Manfred Becker und Corinna Rüffer auf ihr Mandat – ersterer, weil er einen Job beim städtischen Projekt „Lernen vor Ort“ annahm, Rüffer, weil sie in den Bundestag gewählt worden war und findet, dass sich der Spagat zwischen Berlin und Trier auf Dauer kaum leisten lässt.   Nur einer Fraktion gelang es, alle Leute an Bord zu halten und während der Wahlperiode noch zwei Neuzugänge zu verzeichnen – die der FWG.

Dass ein gewähltes Ratsmitglied nicht die vollen fünf Jahre durchhält, dafür kann es im Einzelfall gute Gründe geben. Meist sind sie beruflicher oder privater Natur. Bei Felix Brand und Peter Spang stellt sich die Situation anders dar: beide verzichteten nicht auf ihr Mandat und ihr Seitenwechsel war eher politisch-persönlich motiviert. Beide haben sie sich von ihren früheren Parteien entfremdet oder gar mit ihnen überworfen. Beide fühlten sich in den eigenen Reihen weitgehend isoliert. Und beide waren es nach eigener Darstellung satt, einer Art Fraktionszwang ausgesetzt zu sein. Von einigen der Newcomer, die 2009 erstmals in den Rat gewählt wurden und dieses Mal entweder nicht antreten werden oder sich von ihren Parteien noch ein weiteres Mal haben überreden lassen, hört man, dass der Frust über das politische Geschäft bisweilen groß ist. Stundenlange Fraktions-, Rats- und Ausschusssitzungen, dazu Ortsbeiräte und Aufsichtsgremien, offizielle Termine und Parteiveranstaltungen – man muss das wollen, will man es volle fünf Jahre durchhalten. Die Gestaltungsmöglichkeiten sind begrenzt, wirklich bewegen kann man wenig. Statussymbole à la Dienstwagen gibt es nicht, obendrein handelt es sich um ein Ehrenamt, weshalb der schnöde Mammon auch kein wirklicher Anreiz ist. Da verwundert es schon, dass sich viele allzu gerne aufstellen lassen und in diesen Tagen und Wochen um einen der vorderen Plätze ihrer Parteien konkurrieren; für die ersten zehn der CDU-Liste gebe es erfahrungsgemäß 20 Interessierte, berichtet Dr. Uli Dempfle, der wohl konkurrenzlos auf Platz 1 starten wird. Brand kandidiert nun auf Platz 12 der FWG-Liste, und wäre es nach ihm und den Freien Wählern gegangen, dann hätte er die Zeit bis zur Kommunalwahl noch auf seinem Platz in der FDP verharrt. FWG-Fraktionschefin Christiane Probst wollte so verhindern, dass erneut die Ausschüsse neu gewählt werden müssten. Auch Brand hoffte auf vorübergehende Duldung durch seine frühere Partei, wie er gegenüber 16vor bestätigte.

In der FDP hielt man das Ansinnen wahlweise für einen Scherz oder eine Frechheit. „Als engagiertes FWG-Mitglied kann Herr Brand unmöglich Mitglied der FDP-Fraktion bleiben, wie es von der FWG wohl nicht ernsthaft gewünscht wurde. Welche Partei würde bei Fraktionssitzungen ein Mitglied einer anderen Partei dulden?“, frage Fraktionschef Dr. Karl-Josef Gilles am Montagabend rhetorisch. Da hatte die FDP Brand gerade einstimmig aus ihren Reihen verbannt. Es liege nun am Ex-Liberalen zu verhindern, dass es zu Ausschussneuwahlen komme, so Gilles, der auch gleich einen Tipp auf Lager hatte: Brand solle einfach auf „sein auf dem Ticket der FDP gewonnenes Mandat“ verzichten. Wenn nun aufwendige Neuwahlen für die Ausschüsse notwendig werden, liegt das allein in der Verantwortung von Herrn Brand und der FWG, so Gilles, der während der laufenden Wahlperiode selbst einmal kurz vor dem Parteiaustritt stand, sich dann aber damit begnügte, seine Parteimitgliedschaft vorübergehend ruhen zu lassen, um dann als Eggers Nachfolger auf dem Posten des Fraktionschefs weiterzumachen.

Tatsächlich kann Brand eine Neuwahl der Ausschüsse verhindern, ohne auf sein Mandat zu verzichten. Wie das Presseamt der Stadt auf Anfrage mitteilte, müsste er lediglich die verbleibenden Monate als Fraktionsloser weitermachen. Sobald er jedoch in die FWG-Fraktion einrückt, müssen die 13-köpfigen Ausschüsse neu bestimmt werden. Brand und Probst einigten sich denn auch darauf, es so zu machen – „um Verwaltungsaufwand zu vermeiden“, wie es heißt. So kommt es zu der Situation, dass ein Ratsmitglied bei den einen raus ist und bei den anderen nicht rein darf, zumindest noch nicht so richtig. Formal macht Brand noch bis zur Kommunalwahl als Fraktionsloser weiter, doch nimmt er an den Fraktionssitzungen der FWG, deren Mitglied er seit vergangenem Mittwoch ja schon ist, bereits teil. Man kann das eine vernünftige Lösung nennen, oder eine Farce.

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