„Das müssen auch Sie aushalten“

Der Stadtrat hat am Donnerstagabend mit großer Mehrheit den Haushalt für das kommende Jahr beschlossen. Während CDU, SPD, FWG und FDP zustimmten, lehnten Grüne und Linke die Vorlage ab. Wirklich begeistert von der Finanzsituation Triers ist naturgemäß niemand, und so sparten auch die Sprecher jener Fraktionen, die dem Budget ihr Plazet gaben, nicht mit Kritik. In einem Punkt waren sich sogar CDU und Linke einig: Der Einfluss der Kommunalaufsicht sei inzwischen höher als der des Stadtrats. Dennoch hätte der Oberbürgermeister eigentlich allen Grund zur Freude gehabt, hatte der Etat doch mühelos den Rat passiert; wäre da nicht der Auftritt der Grünen-Finanzexpertin gewesen.

TRIER. Die Verabschiedung des Haushalts gilt als die Stunde des Stadtrats. Es gibt keine Debatte, die Vertreter der Fraktionen tragen lediglich ihre vorformulierten Reden vor. Das Prozedere hat sich eingespielt, dass das Gesagte während der Ratssitzung unwidersprochen bleibt, wird von allen anerkannt.

Wurde, müsste man nun sagen. Denn als am Donnerstagabend alle Reden gehalten waren, ergriff der OB überraschend das Wort und wies die Kritik von Linken und Grünen in einem Punkt zurück. Beide Fraktionen hatten beklagt, dass im Bereich Soziales gespart worden sei. Dem sei nicht so, konterte Jensen, schließlich sei der Etat des zuständigen Dezernats höher als je zuvor. Er wolle da einer „Mythenbildung“ vorbeugen, begründete der OB sein überraschendes Statement.

Daraufhin meldete sich nun Reiner Marz zu Wort und erinnerte Jensen daran, dass es unüblich sei, die Haushaltsreden der Fraktionen zu kommentieren. Das habe auch Jensens Vorgänger Helmut Schröer so akzeptiert, fuhr der Grüne fort, „das müssen auch Sie aushalten“. Der OB antwortete trocken:“Ich halt‘ das aus“. Dabei dürfte der Auftritt der Grünen-Haushaltsexpertin Jensen arg zugesetzt haben. Petra Kewes ging mit dem OB derart hart ins Gericht, dass man den Eindruck gewinnen konnte, die Grünen kündigten dem von ihm im Wahlkampf 2006 unterstützten Jensen die Unterstützung auf.

Gegen ihre Stimmen und die der Linken wurde der Haushalt verabschiedet. Der schließt mit einem Defizit von rund 52,6 Millionen Euro. Der Schuldenberg der Stadt wird also weiter steigen, auf mehr als 700 Millionen im nächsten Jahr. Obwohl der Fehlbetrag um etwa 10 Millionen Euro niedriger ausfällt als im vergangenen Jahr, wird sich die Situation wohl weiter verschärfen. Auch im nächsten Jahr wird die Stadt mehr Geld für den Schuldendienst (29,4 Millionen) aufwenden müssen, als für Investitionen und Investitionsfördermaßnahmen (28,3 Millionen) vorgesehen ist.

Ulrich Dempfle (CDU): Es gibt keine Alternative

Der Haushaltsplan 2012 weist im Vergleich zu 2011 einen um knapp 10 Millionen Euro reduzierten Fehlbetrag auf. Aber diese Verbesserungen werden im Wesentlichen mit Einnahmenerhöhungen und weniger mit Ausgabenreduzierungen erreicht – das darf nicht zum Automatismus werden. Wir müssen die Einsparbemühungen konsequent fortsetzen. Wir brauchen im Baubereich eine Diskussion über die geltenden Standards, die teilweise überzogen sind; entscheidendes Kriterium sollte ausschließlich die Funktionalität sein.

Wir müssen unsere Verwaltungsstrukturen endlich der Produktorientierung anpassen, um mittelfristig im Rahmen natürlicher Fluktuation schlankere Strukturen zu erreichen. Obwohl wir über 50 Millionen Euro neue Schulden beschließen und nach wie vor das Geld unserer Kinder und Enkel ausgeben, um unsere heutigen Sozialleistungen und freiwilligen Ausgaben zu finanzieren, wird die CDU-Fraktion diesem Haushalt 2012 zustimmen – weil es keine Alternative gibt. Solange die Landesregierung ihre Hausaufgaben nicht macht und eine finanzielle Ausstattung der Gemeinden sicherstellt, die eine kommunale Selbstverwaltung ermöglicht, wird jeder Sachbearbeiter der ADD mehr Einfluss auf den städtischen Haushalt haben, als der Stadtrat.

Sven Teuber: Politik muss sparen und gestalten

Durch den zu großen Schuldenberg sind der Stadt Trier die Hände gebunden. Um wieder mehr gestalten zu können, ist es für die SPD geboten, dass Ziel der Konsolidierung zu unterstützen. Unsere Teilnahme am Entschuldungsfonds des Landes ist dazu ein wichtiger Schritt. Das strukturelle Problem alljährlich defizitärer Haushalte lösen wir hiermit jedoch nicht. Dazu bedarf es anderer Einnahmeaufteilungen und Lastenverteilungen von Bund und Land zugunsten der Kommunen. Mit dem Haushalt 2012 leisten wir überzeugend eigene Beiträge zur Reduzierung der Neuverschuldung.

Die SPD begrüßt die Schwerpunktsetzung des Haushalts auf das Thema Bildung. Es ist, auch dank unseres Engagements, eine wichtige Weiterentwicklung erkennbar. Hierzu tragen unter anderem die Ausweitung von Lehr- und Lernmitteln oder die Sanierung von Schulen wie in Trier-Nord oder dem AVG bei. Aus Überzeugung haben wir uns erfolgreich gegen Kürzungen bei freiwilligen Leistungen im Bereich Soziales gewehrt. Präventive Angebote wie Schulsozialarbeit oder Jugendarbeit sind inhaltlich wichtig und entlasten bei finanziell erheblich teureren nachsorgenden Angeboten wie der Sozialhilfe. Für die SPD ist der Charakter einer Gesellschaft vor allem am Umgang mit den benachteiligten Menschen zu erkennen. Hier gibt es mit uns daher keine pauschalen Kürzungen.

Petra Kewes: Alle unsere Anträge fanden keine Mehrheit

Da dieser Haushalt unserer Ansicht nach die falschen inhaltlichen Schwerpunkte setzt, lehnen wir ihn ab. Schließlich ist die Botschaft dieses Haushalts, dass Straßen vor Schulen und Sozialem kommen. Wir Grüne wollten unter dem Schwerpunkt „Nachhaltigkeit“ in den Bereichen Bildung und Erziehung, Verkehr und Klimaschutz klare Zeichen gesetzt sehen. Alle unsere Anträge mit dieser Zielsetzung fanden keine Mehrheit.

Die Vorgaben für diesen Haushalt waren die Offenheit, mit der alle Aufgaben, Produkte und Abläufe hinterfragt werden sollten. Soweit die Theorie. Aber wo war zum Beispiel der Sparwille bei der Stadtentwicklung? Die CDU stellte einen Antrag auf Erhöhung des Budgets für den Straßenunterhalt von zwei Millionen Euro! Und dies ohne einen Vorschlag, in welchem anderen Haushaltsbereich dieses Geld eingespart werden soll. Die Lösung: Im Bereich der Pflichtaufgaben im Jugendamt und im Amt für Soziales und Wohnen wurde von jetzt auf gleich ein Batzen von fast 800.000 Euro gestrichen.

Wie sich die Haushaltssituation in der Zukunft weiterentwickeln wird, ist klar absehbar. Wegen der weiter zunehmenden Verschuldung sind Land und Bund in der Pflicht: Endlich den Kommunalen Finanzausgleich, die Unternehmens- und Kapitalbesteuerung zu reformieren und die Finanztransaktionssteuer einzuführen.

Christiane Probst: Die Stunde der Wahrheit wird kommen!

Die FWG Fraktion hat dem Haushalt zugestimmt – alleine und nur alleine deshalb, um den beabsichtigten Beitritt zum kommunalen Entschuldungsfonds im Jahr 2012 nicht zu gefährden. Wir haben erstmals auch bei dem Stadtvorstand einen Sparwillen erkennen können, der zwar bei weitem nicht ausreicht, aber zumindest ein erster Schritt in Richtung Konsolidierung darstellt, den es zu respektieren gilt. Enttäuschend ist die Tatsache, dass der derzeitige Haushaltsentwurf vornehmlich auf Einnahmeverbesserungen durch Steuererhöhungen, Steuermehreinnahmen und positiven konjunkturellen Einflüssen basiert. Hier hätten wir uns gewünscht, dass noch mehr Einsparungen auf der Ausgabenseite erfolgen.

Die wesentlichen Einsparvorschläge der FWG Fraktion betrafen millionenschwere investive Projekte im Bereich Bauen und Verkehr. Wir wollten mit dem Zurückstellen und Verzicht von Luxusprojekten (beispielsweise Aulbrücke, Regionalbahnhaltepunkt Trier-Süd) erreichen, dass zumindest ein Teil der Ausgaben in die Sanierung von Straßen und Wegen erfolgt, also eine Investition in das städtische Anlagevermögen. Leider ist man unseren Vorschlägen nicht gefolgt. Die Stunde der Wahrheit wird jedoch kommen, dann werden unsere Einsparvorschläge in unveränderter Form eine ganz andere Überzeugungskraft haben, denn Einnahmeverbesserungen in dieser Dimension sind nicht ständig wiederholbar.

Karl-Josef Gilles: Allzu optimistisch gerechnet

Wenn der Haushaltplan 2012 erstmals seit Jahren gleich im ersten Anlauf von der Kommunalaufsicht genehmigt werden sollte und zugleich die Kriterien für den Beitritt zum Kommunalen Entschuldungsfond des Landes erfüllt, womit der Stadt in den nächsten 15 Jahren eine Entschuldungshilfe in Höhe von 205 Millionen Euro winkt, ist dies primär auf die Erhöhung der Hebesätze für die Grundsteuer B und die Gewerbesteuer zurückzuführen. Da letzteres auf Dauer aber kontraproduktiv sein dürfte und zu Steuermindereinnahmen führen könnte, finden die Anhebungen bei der FDP-Fraktion keine ungeteilte Zustimmung. Wir warnen eindringlich davor, schon jetzt über weitere Gewerbesteuererhöhungen nachzudenken, da dies Gewerbetreibende nicht nur über eine Verlagerung ihrer Betriebe nachdenken lässt, sondern auch potentielle Investoren abschreckt.

Trotz aller Vorbehalte stimmt die FDP dem Haushalt zu. Wir hätten uns gewünscht, dass alle Dezernate einen größeren Sparwillen an den Tag gelegt hätten. Spätestens wenn die allzu optimistisch gerechneten Einnahmen aus der Gewerbesteuer konjunkturbedingt wieder rückläufig sein sollten – das Ifo-Institut geht derzeit für 2012 nur noch vom einem Wirtschaftswachstum von 0,4 % aus – sind neue Überlegungen für Einsparungen angesagt, um dem Entschuldungsfond gerecht zu werden.

Katrin Werner: Intransparent, unsozial und undemokratisch

Die Linksfraktion im Trierer Stadtrat wird dem Haushalt nicht zustimmen. Denn dieser Haushalt ist intransparent, unsozial und undemokratisch. Die Linksfraktion hat sich über die Sinnhaftigkeit sowie die Richtigkeit der Zahlen den Kopf zerbrochen. Wir waren sehr erleichtert, als im Steuerausschuss die anderen Fraktionen auch die Lesbarkeit des Haushaltes anzweifelten und der Stadt zurückmeldeten: Dieser Haushalt ist nicht lesbar! Diese Intransparenz des Haushaltes will die Linksfraktion nicht länger dulden. Der Hauptgrund jedoch, diesen Haushalt abzulehnen, liegt darin, dass er unsozial ist.

Als ob Trier in den letzten Jahren nicht schon genug Sozial- und Kulturkahlschlag mitgemacht hätte, wird dies nun mit dem Beitritt in den Entschuldungsfond verstärkt. Dabei tilgt die Auszahlung aus dem Entschuldungsfond noch nicht einmal ein Drittel der Liquiditätskredite von 2010. In der Zwischenzeit wird aber im sozialen, öffentlichen und Bildungsbereich gespart. Der dritte Grund, warum wir diesen Haushalt nicht zustimmen können, ist weil er undemokratisch ist. Denn gemäß Landtagspräsident Christoph Grimm ist der Stadtrat „…doch heute – stärker als früher – nur noch eine pseudo-parlamentarisch-demokratische Veranstaltung. Er hat nichts mehr zu entscheiden, ist seiner eigentlichen Funktion beraubt. Auch wenn die Ratsmitglieder es nicht gerne hören: Sie haben weniger zu sagen als ein Sachbearbeiter in der Abteilung Kommunalaufsicht bei der ADD.“

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