„Das kann uns nicht gleichgültig sein!“

Orchester2KleinEinen eher ungewohnten Empfang bereiteten am Mittwochabend mehr als 100 Nachwuchsmusiker den Mitgliedern des Stadtrats sowie dem Stadtvorstand: Im Foyer des Großen Rathaussaals spielten sie vor Beginn der Sitzung auf. Anlass war die Diskussion über die Zukunft des Theaters und den von Dezernent Thomas Egger vorgelegten Entwurf für ein Kulturleitbild. Grundsätzlich begrüße man zwar eine offene Debatte über Ziele und Prioritäten in der städtischen Kulturpolitik, erklärte das Landesvorstandsmitglied des Verbands Deutscher Schulmusiker (VDS), Dr. Andreas Wagner, doch müsse das Philharmonische Orchester auf jeden Fall erhalten bleiben. Zudem dürfe die musikalische Erziehung junger Menschen unter den geplanten Maßnahmen keinesfalls leiden, verlangt der Verband.

TRIER. Man versteht sich als „Sprachrohr der Musiklehrer an allgemeinbildenden Schulen in der Region“, und auch als „Anwalt der Schülerinnen und Schüler“ sei man unterwegs, so Wagner. Da verstehe es sich von selbst, dass die aktuelle Debatte auch seinen Verband umtreibe. Mit zahlreichen seiner „Mandanten“ hat der Lehrer am Humboldt-Gymnasium im Eingangsbereich des Trierer Rathauses Position bezogen, gemeinsam wollen sich Verband und Nachwuchsmusiker Gehör verschaffen. Der Oberbürgermeister und auch der Kulturdezernent sind unter den Zuhörern, auch einige wenige Ratsmitglieder haben sich eingefunden. Was dann folgt sind keine Misstöne, sondern ein harmonisch musizierender Klangkörper – ein überzeugender Auftritt!

Ob Fraktionen und Stadtvorstand sich auch von den Argumenten des Verbandes überzeugen lassen, steht auf einem anderen Blatt und auf vier Seiten: auf einem im Juni verabschiedeten Positionspapier, das als „Expertenkommentar“ zum Kulturleitbild zu verstehen sei, wie Wagner erklärt. Es gehe ihm und seinen Kollegen um die Frage „der musikalischen Bildung im Speziellen und der kulturellen Bildung im Allgemeinen“.  Ziel des VDS sei es, „die uns in den Schulen anvertrauten Kinder und Jugendlichen bestmöglich musikalisch zu fördern. Dafür brauchen wir außerschulische Partner. Deswegen kann die Thematik uns nicht gleichgültig sein.“

OrchesterKleinDamit ergebe sich „keineswegs ein Automatismus, an hergebrachten Strukturen stur festzuhalten“, betont Wagner. Allerdings dürfe es  in der gegenwärtigen Diskussion auch „nicht nur um die vordergründige Frage von Budgetierung und Organisationsstruktur des Ensembletheaters in Trier“ gehen. Das Ensembletheater sei ein Kulturträger, dessen Wert unter anderem darin liege, „dass eine große und vielfältige Tradition hier (und nur hier) wachgehalten, gepflegt und weitergegeben wird“. Man sehe es als Aufgabe der Stadt an, „den Theaterensembles einen Rahmen zu verschaffen, dass sie diese Aufgabe erfüllen können“. Mit Konzertreihen wie der „Weltmusik-Reihe“ begebe sich das Philharmonische Orchester bereits auf einen „innovativen Weg zwischen Publikumsorientierung, musikalischem Wagnis und kulturellem Anspruch“. Neben der freien Kulturszene und der Kulturwirtschaft benötige die Region das Orchester „als dauerhaften Leuchtturm, an dem sich zum Beispiel die Laienmusik auch orientieren kann“, verlangt der Verband. Musikalisch-künstlerische Qualität könne „nicht gänzlich unabhängig vom Publikumsgeschmack in einer Art Elfenbeinturm gedacht werden. Aber umgekehrt kann musikalisch-künstlerische Qualität auch nicht einfach mit dem Geschmack der Mehrheit gleichgesetzt werden“.

Ein wesentlicher Kulturimpuls in der Region gehe von Projekten aus, die an der Schnittstelle von Theater und Schule angesiedelt seien, so der Verband, der unter anderem auf den ermäßigten Eintritt für Schulklassen in reguläre Vorstellungen hinweist; aber auch auf Projekte wie die Patenschaft des städtischen Orchesters für die Streicherklasse der Grundschule Trier-Olewig oder Gastspiele von Schauspiel, Musiktheater und Orchester an den Schulen. „Vergleichbare Projekte lassen sich weder mit der Kulturwirtschaft realisieren, noch mit auswärtigen Ensembles, die als Kooperationspartner oder im Rahmen eines Gastspiels das Trierer Haus bespielen. Dafür bedarf es eines festen Ensembles vor Ort, zumal es im Umkreis weder eine Musikhochschule noch ein Rundfunkorchester gibt, das diese Rolle übernimmt“, sind Wagner und seine Kollegen überzeugt. Der Verband warnt denn auch davor, den kulturelle Bildungsauftrag institutionell allein an die Schule auszulagern. Diesem Auftrag seien die Schulen „nicht gewachsen“. Denn schon heute mangele es vielerorts an Musikfachkräften an den Schulen. „Vor diesem Hintergrund darf die Stadt unter keinen Umständen den wichtigsten außerschulischen Partner der Schulmusik weiter schwächen!“, verlangen die Musiklehrer.

Vielmehr müsse die Verbindung zwischen Theater und Schule durch die Schaffung einer institutionalisierten Musikpädagogik am Theater gestärkt werden. Die meisten Häuser in Rheinland-Pfalz verfügen laut VDS über eine feste Stelle im Bereich der Musikpädagogik. Im Übrigen sei das „außergewöhnlich hohe Niveau der Trierer Schulensembles nicht denkbar, wenn nicht in unermüdlicher Aufbauarbeit über Jahre und Jahrzehnte hinweg die Ensemblemitglieder des Trierer Theaters junge Musikerinnen und Musiker stetig gefordert und gefördert hätten“.  OB Klaus Jensen erklärte, man nehme die Argumente und Anliegen ernst und werde sie in die Diskussion mit einfließen lassen. Abgesehen davon könne er sich aber durchaus vorstellen, dass der Stadtrat künftig immer mit einem solchen Vorspiel tage, scherzte der Stadtchef.

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