„Das kann nicht funktionieren“

Bei der Bundestagswahl 2009 fuhr die FDP mit 14,6 Prozent der Wählerstimmen ein Rekordergebnis ein – aktuell sehen Demoskopen die Partei deutlich unter 5 Prozent. Bei der Kommunalwahl 2009 kamen die Liberalen in Trier auf rund 8 Prozent – Wahlumfragen zur politischen Stimmung auf lokaler Ebene existieren nicht. Kreischef Tobias Schneider machte beim Neujahrsempfang seiner Partei am Sonntag keinen Hehl daraus, dass die FDP auf allen Ebene in einer Krise steckt. Sodann griff er die Landesregierung scharf an und warf den Grünen vor, in Mainz „Realsozialismus“ betreiben zu wollen. Gastredner Frank Schäffler lieferte anschließend eine Analyse der globalen Überschuldungskrise. Der Bundestagsabgeordnete plädierte für eine „neue Sparkultur“, doch konkrete Vorschläge, wie sich die anhaltenden Probleme lösen lassen, blieb er den Zuhörern schuldig.

TRIER. Frank Schäffler greift jetzt zu seiner Grafik, erläutert Kurven, ihre Auf und Abs. Wer sich bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht in einer VWL-Vorlesung wähnte, wird es spätestens jetzt. Eine Dreiviertelstunde referiert der Bundestagsabgeordnete nun schon über die globale Krise auf den Finanzmärkten, erklärt der Liberale, weshalb eine hohe Inflation, eine Hyperinflation gar nur noch eine Frage der Zeit sei, und wer am Ende die Leidtragenden sein werden. Schäffler ist mitten drin in der Materie, und als Zuhörer fragt man sich unwillkürlich, ob der von ihm im vergangenen Jahr initiierte Mitgliederentscheid noch bevorsteht.

Besagter Entscheid hatte die Freidemokraten bekanntlich bis kurz vor Weihnachten umgetrieben. Am Ende setzte sich die Parteiführung durch, doch noch bevor er das Ergebnis verkünden konnte, musste sich FDP-Chef Philipp Rösler einen neuen Generalsekretär suchen. Aus bis heute nicht abschließend geklärten Gründen hatte Christian Lindner völlig überraschend das Handtuch geworfen – jener Lindner, der noch im vergangenen Jahr seine Trierer Parteifreunde beehrte und seinerzeit selbst als aussichtsreicher Anwärter für den Bundesvorsitz der Liberalen galt. Zwischen beiden Neujahrsempfängen ist viel passiert, auch in der Trierer FDP. „Keine einfache Zeit“ sei 2011 für seine Partei gewesen, räumte Kreischef Tobias Schneider ein, „die Krise scheint sich immer weiter verfestigt zu haben“.

Turbulente Zeiten waren es allemal: Im April flog die FDP aus dem Mainzer Landtag, kurz darauf kündigten die Trierer Freidemokraten das Ampelbündnis im Stadtrat auf. Im Oktober verzichtete  Thomas Egger völlig überraschend auf eine erneute Kandidatur für den Kreisvorsitz, an seine Stelle trat der erst 26 Jahre alte Tobias Schneider. Kurz zuvor hatte Egger noch seinem Bundesvorsitzenden geraten, nach nur wenigen Monaten an der Spitze der Partei seinen Hut zu nehmen. Immerhin scheinen sich zwischenzeitlich die Querelen innerhalb der vierköpfigen Ratsfraktion gelegt zu haben. Fraktionschef Dr. Karl-Josef Gilles jedenfalls machte am Sonntag einmal mehr deutlich, wie erleichtert er doch rückblickend über das Ende des Ampelbündnisses ist. Kurz erinnerte der Filscher auch daran, dass die Aufkündigung des Bündnisses durch seine Fraktion auch für einigen Wirbel innerhalb der Partei gesorgt hatte – „aber jetzt herrscht wieder Einvernehmen“, so Gilles, weshalb man „leider nicht für Schlagzeilen sorgen“ könne, scherzte er.

Gilles sieht derweil die Handlungsfähigkeit des Stadtrats infolge der hohen Verschuldung Triers immer stärker gefährdet. Wohl oder übel habe man der Erhöhung des Hebesatzes der Gewerbesteuer zugestimmt, erklärte der Freidemokrat, obwohl diese Maßnahme „potenzielle Investoren eventuell abschreckt“. Namentlich an die Adresse der Grünen gerichtet warnte der FDP-Fraktionschef vor weiteren Forderungen nach einer Erhöhung der Gewerbesteuer – und davor, dass diese Einnahmen dann womöglich für „utopische Projekte“ eingesetzt würden. In einem Atemzug bekräftigte er dann die Forderung seiner Fraktion nach dem Moselaufstieg: „Dieses Projekt sollten wir weiterverfolgen“.

Liberaler bemüht Lenin

Die Forderung nach dem Moselaufstieg hatte zuvor schon Schneider wiederholt, der mit markigen Worten vor allem die rot-grüne Landesregierung aufs Korn nahm. Vor allem die Grünen schonte der FDP-Chef nicht: Diese stünden in Mainz für „Rückschritt, Wirtschaftsfeindlichkeit und Realsozialismus“, wetterte der 1985 im Osten des damals noch geteilten Deutschlands geborene Schneider. Den Vorwurf des Realsozialismus begründete er mit dem kürzlich vom Grünen-Fraktionschef im Mainzer Landtag, Daniel Köbler, bekräftigten Ziel, „eine Schule für alle“ anstreben zu wollen. Doch auch in anderen Politikfeldern wie der Hochschul- und der Wirtschaftspolitik sparte er nicht mit Kritik an Rot-Grün.

In Berlin regiert seit dem Herbst 2009 bekanntlich eine schwarz-gelbe Koalition. Man musste sich das am Sonntag wiederholt in Erinnerung rufen, als Frank Schäffler sprach und sich über weite Strecken der Eindruck aufdrängte, der Mann sei gar nicht Mitglied einer Regierungsfraktion. Tatsächlich ist der Ostwestfale ein Mann mit eigenem Kopf, der Fraktions- und Parteidisziplin hat er sich in den vergangenen Monaten wiederholt widersetzt – aus guten Gründen, wie er noch immer findet. Schäffler setzte sich in seinem gut einstündigen Referat mit seiner Sicht auf die Ursachen der weltweiten Überschuldungskrise auseinander. Erstmals seien nicht einzelne Länder oder Erdteile von dieser Krise betroffen, diese sei vielmehr weltumspannend. Dass im Zuge der Rettungsschirme ein wesentliches Prinzip der Marktwirtschaft außer Kraft gesetzt worden sei, dass nämlich „individuelle Freiheit auch Verantwortung für das eigene Handeln voraussetzt“, habe die Probleme noch verschärft, so Schäffler.

Der Versuch, mit immer neuen Milliarden der Krise Einhalt zu gebieten, werde zwangsläufig zu Inflation, wenn nicht sogar zu einer Hyperinflation führen, warnte der Freidemokrat. Und über eine Inflation würden die Sparer enteignet; ausgerechnet jene, die im Alter unabhängig sein wollten und für diese Zeit ansparen würden. Nach Schäfflers Verständnis würde eine Finanztransaktionssteuer an den Problemen nichts ändern, im Gegenteil: Einmal mehr wären vor allem die Sparer betroffen, behauptete der Liberale und ergänzte: „Die Antwort auf die Krise darf aber nicht sein, dass wir das Sparen diskriminieren“. Das sei ohnehin schon viel zu sehr geschehen. Schäffler kritisierte, dass Banken und Notenbanken in den vergangenen Jahren zu viel billiges Geld auf den Markt gebracht hätten. Und nur weil so viel billiges Geld in Umlauf gewesen sei, habe beispielsweise Porsche zu seinem letztlich gescheiterten Übernahmeversuch von VW ansetzen können.

„Kreditschöpfung aus dem Nichts“ habe über all die Jahre stattgefunden, „das kann nicht funktionieren“. Stattdessen müsse es eine neue Sparkultur geben: „Im Kern geht es darum, dass man nur das ausgibt, was man hat“, so Schäfflers Credo. Wenn es der FDP gelänge, „die Schuldenuhr zurück zu drehen, dann hätten wir wirklich was erreicht“. Doch obwohl die Republik im vergangenen Jahr das höchste Steueraufkommen seit ihrem Bestehen verzeichnete, wurden noch zusätzliche Schulden gemacht, beklagte er. War das nun Kritik an der schwarz-gelben Bundesregierung, oder an Kreisverbände, die weiterhin an Verkehrsprojekten festhalten, deren Realisierung einen dreistelligen Millionenbetrag verlangen würde? Wenn es um konkrete Lösungsvorschläge ging, blieb Schäffler jedenfalls höchst vage. Und dass der Liberale am Ende ausgerechnet Lenin als Kronzeugen anführte, entbehrte auch nicht einer gewissen Komik: „Wer die bürgerliche Gesellschaft zerstören will, muss ihr Geldwesen verwüsten“. Es liege auch an seiner Partei, zu verhindern, dass genau dies nicht geschehe.

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