Dann hätte die Stadt Trier ein Problem

Die zum Januar eingeführte Kultur- und Tourismusförderabgabe spült mehr Geld in die Stadtkasse als zunächst geplant. Im Rathaus geht man davon aus, dass der „Kultur-Euro“ allein in diesem Jahr rund 700.000 Euro einbringen wird. Angesichts der Heilig-Rock-Wallfahrt dürfte das Aufkommen 2012 noch steigen. Doch dass mit den Einnahmen Triers  Marketingaktivitäten nennenswert verstärkt würden, lässt sich nicht sagen. Vielmehr fließt das Geld in Zuschüsse, die ohne die Einführung der Abgabe wohl gekürzt worden wären, heißt es aus der Verwaltung. Das könnte Wasser auf die Mühlen der Kritiker lenken, die hoffnungsvoll nach Leipzig blicken: Dort wird das Bundesverwaltungsgericht über eine Revision gegen eine Entscheidung des Koblenzer OVG entscheiden müssen. Nicht ausgeschlossen, dass am Ende auch Karlsruhe angerufen wird.

TRIER. Vor zehn Jahren eröffnete Hildegard Neu ihr „Hilles Hostel„. Im Gartenfeld und damit nur wenige Fußminuten von der Trierer Innenstadt gelegen, kann man hier schon für 14 Euro unterkommen – im Mehrbettzimmer ohne Dusche. Das ist nicht ganz der Standard, der heute noch massenhaft nachgefragt wird, doch kann Hildegard Neu nicht klagen. Ihr Hostel laufe bestens, man sei meistens gut belegt. Dass sie aber Gäste, die für eine Nacht 14 oder 15 Euro zahlen, noch für den „Kultur-Euro“ heranziehen muss, verleidet ihr mitunter die Laune. „Peinlich“ sei das, sagt Neu.

Im November letzten Jahres beschloss der Stadtrat nach heftiger Debatte und mit knapper Mehrheit die Einführung einer Kultur- und Tourismusförderabgabe. Beinahe wäre das Vorhaben gekippt worden, wenn denn die Lobbyarbeit des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga auch die Liberalen überzeugt hätte. Dass es knapp werden würde, war anfangs nicht zu erwarten. Schließlich hatte der damalige CDU-Fraktionschef Berti Adams im Januar 2010 den neuerlichen Vorstoß gestartet, nachdem der mittlerweile zur FWG gewechselte Ex-Sozialdemokrat Peter Spang das Thema schon Jahre zuvor aufgegriffen hatte. Die Kritiker warnten vor den rechtlichen Unsicherheiten, und tatsächlich sind letzte Zweifel an der Rechtmäßigkeit bis heute nicht ausgeräumt. Zwar wies das Koblenzer Oberverwaltungsgericht im Mai die Klage eines Hoteliers gegen die Abgabe zurück, doch zog dieser daraufhin weiter zum Bundesverwaltungsgericht. Dort ist der Fall nun anhängig und wird nicht mehr in diesem Jahr verhandelt, geschweige denn entschieden. Denkbar auch, dass sich am Ende noch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe der „Bettensteuer“ annehmen muss.

Erhoben wird die Abgabe indes schon seit Januar, und wie das Rathaus nun auf Anfrage gegenüber 16vor mitteilte, dürften die Einnahmen spürbar höher ausfallen als zunächst veranschlagt. War man anfangs von einem jährlichen Steueraufkommen von rund 600.000 Euro ausgegangen, wurden allein in den ersten drei Quartalen schon knapp 555.000 Euro festgesetzt.  Das vierte Quartal wird erst Anfang 2012 abgerechnet. „Für diesen Zeitraum werden ca. 150 000 Euro Einnahmen erwartet“, erklärte Dr. Hans-Günther Lanfer, Sprecher des Rathauses. Das wären unterm Strich also mehr als 700.000 Euro, und für das kommende Jahr ist wegen der Heilig-Rock- Wallfahrt mit einem weiteren Einnahmenplus zu rechnen. Dieses könne aber noch nicht konkret beziffert werden, zumal „letztlich die touristische Gesamtentwicklung ausschlaggebend“ sei, die von vielen Faktoren beeinflusst werde, gibt die Verwaltung zu bedenken.

Der größte Posten geht an die TIT

Da es sich bei der Abgabe um eine kommunale Steuer handelt, ist diese nicht zweckgebunden. Die Einnahmen sind, wie alle anderen kommunalen Steuereinnahmen, sogenannte allgemeine Deckungsmittel, die in den Gesamthaushalt der Stadt einfließen. Aus diesem werden dann „zahlreiche Maßnahmen, darunter auch solche aus dem Kultur- und Tourismusbereich, finanziert“, erläutert die Stadt. Hildegard Neu und mit ihr die Kritiker der Abgabe beklagen, dass das Geld am Ende im Gesamtbudget untergehe und eben nicht, wie von den Befürwortern in Aussicht gestellt, der Kultur- und Tourismusförderung zugute komme.

Auch Andrea Weber vom Hotel „Deutschen Hof“ weist auf dieses Dilemma hin. Zwar habe es in ihrem Haus bislang „keine schwerwiegenden kritischen Anmerkungen“ von Gästen gegeben, berichtet sie, aber es werde schon mal nachgefragt, für was denn das Geld eingesetzt werde. Und gerade Geschäftsreisende, die das Kultur- und Tourismusangebot kaum nutzten, erkundigten sich nach dem Zweck der Abgabe. Weber sieht im „Kultur-Euro“ denn auch einen „Etikettenschwindel“ und erinnert daran, dass OB Klaus Jensen (SPD) zugesagt hatte, gemeinsam mit dem Hotel- und Gaststättenverband zu überlegen, wie zumindest ein Teil des Geldes eingesetzt werden könnte. Laut Dehoga-Chef Helmut Scheuring hat es zwischenzeitlich ein Gespräch zwischen ihm und Jensen sowie Tourismusdezernent Thomas Egger (FDP) gegeben. Dabei sei man aber übereingekommen, dass zunächst die abschließenden gerichtlichen Entscheidungen abgewartet werden sollten, bevor man über eine Verwendung der Einnahmen spreche.

Tatsächlich wird das Geld aber schon längst ausgegeben, und im Rathaus wehrt man sich gegen Darstellungen, die Einnahmen versickerten im städtischen Budget. Schon im Stadtratsbeschluss vom 16. November letzten Jahres sei von der „hohen haushaltspolitischen Bedeutung“ der Abgabe die Rede gewesen, da sie „letztlich die Gestaltungsspielräume in allen freiwilligen Leistungsbereichen der Stadt und damit auch die von Kultur und Tourismus mit sichern hilft“. So fließe etwa auch der Tourist-Information eine städtische Unterstützung zu, die „ohne die Abgabe aufgrund der Haushaltslage nicht mehr möglich wäre“. Konkret zahlt die Stadt an die Tourist-Information Trier Stadt und Land e.V., kurz TIT, einen jährlichen Betriebskostenzuschuss von 484 .000 Euro. Darüber hinaus wird der TIT jährlich ein Budget für Werbe- und Marketingmaßnahmen in Höhe von 200.000 Euro zur Verfügung gestellt. „Die hierfür getätigten Mehraufwendungen liegen im Vergleich zu den Vorjahren bei rund 50.000 Euro“, beziffert Lanfer.

Hinzu kommen laut Verwaltung Mitgliedsbeiträge an touristische Organisationen wie die TIT, den Tourismus- und Heilbäderverband Rheinland-Pfalz e.V., den Historic Highlights of Germany e.V., den Erholungsgebiet Hochwald e.V. sowie den Verein Meulenwald e.V. – jährlich insgesamt etwa 28.000 Euro. Aus der Beteiligung der Stadt Trier an der Moselland-Touristik GmbH Bernkastel-Kues trage man einen maximalen Verlustanteil in Höhe von jährlich rund 81.700 Euro . Darüber hinaus unterstützt die Stadt das Engagement der Mosel Musikfestival Veranstaltungsgesellschaft mbH mit einem jährlichen Verlustübernahmebetrag in Höhe von 10.000 Euro . „Diesen Unterstützungsbetrag will die Stadt Trier bei entsprechender Gegenleistung in den nächsten Jahren noch erhöhen“, wiederholt der städtische Sprecher eine Ankündigung Eggers von vergangener Woche.

Trierer Hoteliers setzen auf Leipziger Richter

Für die touristischen Premiumwanderwege „Eifelsteig“, „Saar-Hunsrück-Steig“ sowie „Moselsteig“ beziehungsweise Erlebniswanderrouten, die durch das städtische Gebiet führen, fallen laut Verwaltung Unterhaltungs- und Marketingaufwendungen an, die sich jährlich auf ca. 36.000 Euro beziffert belaufen. Für den Ausbau des neuen Moselsteigs sowie für die Herstellung einer Trierer Traumschleife des Saar-Hunsrücksteigs seien in 2011 und 2012 Gesamtinvestitionen in Höhe von 21 .000 Euro eingeplant worden. Und die Energiekosten für die Anstrahlung historischer Bauwerke sowie die Unterhaltung der dafür errichteten Beleuchtungsanlagen schlagen mit 6.000 Euro pro Jahr zu Buche.

Bei fast allen diesen Ausgaben handelt es sich um freiwillige Leistungen, die schon zuvor aus dem städtischen Haushalt finanziert wurden – und die jederzeit auf Druck der Kommunalaufsicht zur Disposition gestellt werden könnten. Mit der Einführung der Abgabe gelingt es der Stadt also offenbar nur, den Status quo zu halten. Wirklich spürbare Aktivitäten, wie sich die Moselstadt besser vermarkten und neue Besucher locken könnte, sind derweil nicht zu erkennen.

Hildegard Neu hofft nun auf das Bundesverwaltungsgericht. Sollte Leipzig die Entscheidung der Koblenzer Richter kassieren, hätte die Stadt allerdings ein gewaltiges Problem. Denn dann müssten auf einen Schlag gut 700.000 Euro aufgetrieben werden – oder der Etat der Tourist-Information müsste gnadenlos zusammengestrichen werden. Hostel-Inhaberin Neu weiß, dass man ihr die von der schwarz-gelben Bundesregierung zum 1. Januar 2010 gesenkte Mehrwertsteuer auf Übernachtungen entgegenhalten könnte. Für die sei sie in der Tat dankbar, betont die Unternehmerin, denn das habe ihr die Möglichkeit gegeben, endlich eine Festkraft einzustellen.

Weitere Informationen zum Thema: Knappe Mehrheit für Kultur-Euro, Koblenzer Richter akzeptieren Trierer Bettensteuer und Dehoga-Chef attackiert die Liberalen

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