„Dann gehen die Eltern auf die Barrikaden“

Vor allem der Tunnel Richtung Wasserweg bereitet vielen Eltern Kürenzer Grundschulkinder Bauchschmerzen. Die Stadt sagt, der Weg ist zumutbar und mitnichten gefährlich. Foto: Marcus StölbVor 185 Jahren gegründet, sind die Tage der Grundschule Kürenz gezählt. Im Rahmen des Schulentwicklungskonzepts soll die Schule  aufgegeben werden, und um ein „Sterben auf Raten“ zu vermeiden, boten Eltern und Lehrer an, schon zum kommenden Schuljahr komplett nach Ambrosius umzuziehen. Zur Bedingung machten sie, dass im Gegenzug allmorgendlich ein Schulbus die Kinder nach Trier-Nord bringt. Das Anliegen wird vom Ortsbeirat und vier Ratsfraktionen unterstützt, doch die Stadtspitze weist die Forderung zurück; der Schulweg nach Ambrosius sei zumutbar mitnichten gefährlich. Zudem drohten Konflikte, weil Kürenzer Kinder, die zum Schuljahr 2014/15 in Ambrosius angemeldet würden, den Bus dann nicht nutzen dürften. Eltern und Schulleitung sind verärgert, auch weil Bürgermeisterin Birk vor dem Stadtrat den Eindruck erweckte, sie könnten auch mit einem Kompromiss zufrieden sein.

KÜRENZ. Die Avelsbacher Straße zählt zu den am meisten befahrenen der Stadt. In Stoßzeiten staut sich der Verkehr auf den zwei Fahrspuren, reiht sich zwischen Kürenz und dem Norden Triers ein Fahrzeug an das andere. Die Bahnunterführung kurz vor der Einmündung in die Metternichstraße ist nur mäßig ausgeleuchtet, der schmale Bürgersteig kaum von der Fahrbahn abgesetzt; Geländer fehlen komplett. Es gibt schönere Verbindungen als jene von Altkürenz in Richtung Wasseweg und Franz-Georg-Straße, doch für knapp 60 Kürenzer Kinder könnte sie bald zum Schulweg werden – dann, wenn die Grundschule wie geplant schon zum kommenden Schuljahr nach Ambrosius umzieht.

Eltern und Lehrer haben das der Stadt angeboten, nachdem der Rat auf Vorschlag der Verwaltung das Aus für die 1828 gegründete Grundschule beschlossen hatte. Statt den Standort Soterstraße schrittweise aufzugeben und so ein „Sterben auf Raten“ zu provozieren, wolle man einen „richtigen Neuanfang“, so Schulelternsprecherin Tanja Wilhelm. Es sei in jeder Hinsicht sinnvoller, wenn die Klassen und das Lehrerkollegium nicht auseinander gerissen würden, erklärt Wilhelm im Gespräch mit 16vor. Nach einem Besuch der Ambrosiusschule sei man zudem zu dem Ergebnis gelangt, dass die Bedingungen dort optimal sind und ein kompletter Umzug in einem Aufwasch sich auch deshalb anbieten würde. Allerdings stellten die Kürenzer Eltern eine Bedingung: Damit die Kinder, die bislang zur Grundschule in der Soterstraße gehen, gefahrlos an den neuen Standort Ambrosius gelangen, müsse die Stadt eine morgendliche Schulbuslinie einrichten und finanzieren. Der Weg entlang von Avelsbacher Straße und durch die Unterführung sei problematisch und auch gefährlich. CDU, SPD, FDP und die Linke unterstützen das Ansinnen, gemeinsam brachten sie einen Antrag im Stadtrat ein.

Doch der Rat entschied, das Thema in den zuständigen Ausschuss zu verweisen und dort auch über den Antrag zu entscheiden. Für die betroffenen Eltern und auch die Lehrer bedeutet dies, dass die Ungewissheit weitere Wochen anhalten wird; und die kurze Debatte im Stadtrat sowie die Vertagung der Entscheidung dürfte nicht wenige zusätzlich verunsichern und manche Eltern auch empören. Denn Bürgermeisterin und Bildungsdezernentin Angelika Birk (B90/Die Grünen) machte deutlich, dass die Stadtspitze die Forderung im Kern ablehnt. Dass, wie im Vier-Fraktionen-Antrag verlangt, eine Schulbuslinie über einen Zeitraum von vier Jahren eingerichtet wird, „bis alle Schüler der bisherigen Grundschule in die neue Schule integriert sind, und zwar beginnend ab dem Schuljahr 2013/2014“, sei aus vielerlei Gründen nicht machbar.

Birk erklärte, der Schulweg sei im Sinne des Paragraphen 69 des rheinland-pfälzischen Schulgesetzes als nicht besonders gefährlich einzustufen, weshalb die Übernahme der Kosten für eine Schülerbeförderung eine „freiwillige Leistung“ darstelle, die gegenüber der Kommunalaufsicht gerechtfertigt werden müsste. Hinzu komme, dass Kürenzer Schüler, die zum Schuljahr 2014/2015 in Ambrosius angemeldet würden, den Bus nicht nutzen dürften. „Wird ab dem 1.8. 2013 ein Schülertransport am Morgen für die jetzigen Kürenzer Kinder eingerichtet, so können ab dem 1.8. 2014 diese Kinder noch drei Jahre mit dem Bus fahren. Die Kürenzer Kinder, die 2014 jedoch in Ambrosius angemeldet werden müssen, dürfen den Bus dann nicht nutzen, da sie nicht unter die Ausnahmeregelung fallen“, erläuterte Birk dem Stadtrat und prophezeite: „Dies würde vorhersehbar zu erheblichen Beschwerden führen, wie sie jetzt auch schon aus der Konstruktion Feyen/Matthias kommen.“ Die Grüne schlug stattdessen vor: „Wenn der Stadtrat ein Entgegenkommen wünscht, dann sollte die Einrichtung der Buslinie auf ein Jahr begrenzt werden, denn dann kommen auch die Kinder hinzu, die in Ambrosius angemeldet werden. Hier können nicht zwei unterschiedliche Maßstäbe gelten.“

Eltern und Schulleitung weisen Birks Darstellung zurück

Fraglich ist, ob viele der betroffenen Eltern auf einen solchen Vorschlag eingehen werden. Birk erweckte vor dem Stadtrat bereits den Eindruck, als könnten sich Elternvertretung und Schulleitung mit einem solchen Kompromiss durchaus einverstanden erklären. Eine Darstellung, der Tanja Wilhelm und auch die kommissarische Schulleiterin Carolin Temmel entschieden widersprechen. Wilhelm betont, dass die Eltern an ihrer Forderung festhielten. „Wenn die Buslinie nicht kommt, werden sicherlich einige bei der noch anstehenden Befragung durch die ADD gegen einen Komplettumzug nach den Sommerferien stimmen“, ist sie überzeugt und ergänzt: „dann werden manche Eltern wohl auch auf die Barrikaden gehen“. Das erwartet auch der Kürenzer Ortsvorsteher Bernd Michels: „Die Eltern wollen ganz klar, dass der Bus kommt, sonst gehen sie da nicht hin“, ist der Christdemokrat überzeugt. Es dürfe nun keine Zeit mehr verloren werden, warnte Michels, die Eltern hätten ein Recht auf Klarheit. Carolin Temmel unterstreicht: „Unsere Linie ist klar: der Weg ist unzumutbar und wir brauchen die Buslinie“. Sie erwartet, dass die städtischen Gremien entsprechend entscheiden.

Rückendeckung bekam Birk lediglich von den Grünen: Der Antrag der vier Fraktionen sei sicherlich „gut gemeint, aber nicht unbedingt gut gedacht“, erklärte Ratsmitglied Gerd Dahm und ergänzte: „Wir erkennen den Versuch an, den Eltern entgegen zu kommen. Aber wir haben auch den Eindruck, dass da eine Portion schlechtes Gewissen mitspielt“. Die Grünen wollten nicht, dass die Eltern bei ihrer Anmeldung auf einen Ratsbeschluss setzten, dessen Halbwertzeit sehr begrenzt sei.  Hans-Alwin Schmitz (FWG), dessen Fraktion das Schulentwicklungskonzept und die Schließung der Kürenzer Grundschule abgelehnt hatte, sah sich unterdessen bestätigt: „Schneller als erwartet holt uns der Stadtratsbeschluss vom 14. März ein“. Offenbar wollten die vier Fraktionen „diese klare Fehlentscheidung wohl durch den Antrag heilen“. Er sei sehr erstaunt, „dass noch kein Elternteil den Klageweg beschritten hat“.  Regina Bux wies die Vorwürfe zurück: „Wir haben uns entschieden, die Grundschule aufzugeben. Die Schule hat beschlossen, diesen Prozess zu beschleunigen. Dass wir denen etwas entgegenkommen, hat weniger mit schlechtem Gewissen zu tun als mit einer Unterstützung der Entscheidung der Eltern“. Katrin Werner (Die Linke) erklärte: „Ich finde, Schule und Eltern haben ihre Aufgaben gemacht und überlegt, was nötig ist“. Nun sei es an Rat und Verwaltung, dem Angebot entgegen zu kommen, und diesem Ziel diene der Antrag.

Der wurde erst einmal in den Schulträgerausschuss verwiesen, wo er weiter beraten werden soll. Viel Zeit bleibt nicht mehr, denn vor den Sommerferien sollte feststehen, ob die Kinder im kommenden Schuljahr nach Ambrosius gehen müssen. Birk verspricht:“Nach einem Jahr sind alle möglichen Schulwegverbesserungen ohnehin hergestellt.“ Doch ob sich die Eltern durch solcherart Versicherungen besänftigen lassen, ist ungewiss. Wilhelm erklärt, durch einen Komplettumzug würden für die Stadt wöchentlich vier Hin- und Rückfahrten mit Bussen von der Soterstraße in die Turnhalle der Wilhelm-Cüppers-Schule auf dem Trimmelter Hof wegfallen. In der Ambrosiusschule könnten die Kinder ihren Sportunterricht vor Ort absolvieren. Zudem verlange man ausdrücklich keinen nachmittäglichen Rücktransport nach Kürenz, da die meisten Kinder dann ohnehin in der Nachmittagsbetreuung seien. „Wir sind der Stadt sehr entgegengekommen und haben wirklich intensiv nach Lösungen gesucht. Jetzt erwarten wir auch, dass da was kommt“, so die Schulelternsprecherin.

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