Danke, Dieter

In Trier nicht nur für den Journalismus ein großer Verlust: Dieter Lintz ist am vergangenen Samstag gestorben. Archiv-Foto: Marcus StölbAm Samstagabend verstarb völlig überraschend Dieter Lintz, Leitender Redakteur des Trierischen Volksfreunds. Ein Mann, von dem wir dachten, ihn könne nichts umwerfen – auch weil ihn, bei allem unermüdlichen Arbeitseifer, der den Kollegen auszeichnete, kaum etwas aus der Ruhe zu bringen schien. Mit Dieter verliert die Stadt ihren bedeutendsten und wirkmächtigsten Journalisten, der TV seinen heimlichen Chefredakteur und vielseitigsten Schreiber, und die Trierer Kulturszene ihren besten Kenner. Und die beiden Gründer von 16vor verlieren mit ihm einen freundschaftlichen Kollegen, dem sie viel zu verdanken haben. Ein Nachruf.

TRIER. Die Szene liegt schon ein paar Jahre zurück, Christian Jöricke und ich arbeiteten noch als freie Mitarbeiter beim Trierischen Volksfreund. Unser Lokalchef lag im Krankenhaus, was ihm genau fehlte, vermochte uns in der Redaktion am Nikolaus-Koch-Platz niemand zu sagen. Also fuhren wir nach Saarburg und machten uns selbst ein Bild vom Patienten. Wir trafen Dieter im weißen Bademantel an. Er lag nicht, sondern spazierte erkennbar missmutig über den Klinikflur. Ein wenig wirkte er wie einer dieser eingesperrten Eisbären, die zum Nichtstun verdammt sind und sich gelangweilt auf und ab bewegen. Unfreiwillig an einem Ort festgehalten und am Arbeiten gehindert zu sein – das war Dieters Sache nicht. Die Arbeit war sein Leben, mit Fragen nach seiner Work-Life-Balance hätte man ihm nicht zu kommen brauchen – sie stellten sich ihm schlicht nicht. Am nächsten Tag verließ er die Klinik, womöglich hatte es ihm an nichts gefehlt, außer an der Möglichkeit, gleich wieder in die Tasten zu hauen.

Was uns und dieser Stadt fehlen werden, war uns schlagartig klar, als wir erfuhren, dass Dieter tot ist. Erst war es nur eine anonyme Unfallmeldung aus Temmels, dann folgte die Gewissheit: Der Kollege, der uns fast von Beginn unserer journalistischen Laufbahn an begleitet hatte, lebt nicht mehr. Der Mann, den viele für den Chefredakteur des Trierischen Volksfreunds hielten, obschon er diese Funktion nie innehatte, der über nahezu zwei Jahrzehnte das Gesicht und auch die Stimme des TV war – als großartiger Schreiber und routinierter Moderator unzähliger Veranstaltungen, ist von uns gegangen. Die oft bemühte und nur selten zutreffende Zuschreibung, dass hier ein Mensch starb, der nicht zu ersetzen ist, in diesem Falle trifft sie zu.

Das gilt allen voran für den Mann und Vater. Für seine Frau und Töchter wiegt der Verlust am größten, vor allem ihnen gilt unser Mitgefühl. Aber auch für das Blatt, das er seit Ende der 90er Jahre prägte, ist sein Tod ein unglaublicher Verlust, und es drängt sich ein nur auf den ersten Blick vielleicht unangemessener Vergleich auf – der mit dem vor wenigen Wochen ebenfalls völlig überraschend verstorbenen Frank Schirrmacher. Wie der nur wenige Monate jüngere FAZ-Herausgeber für sein Haus kaum zu ersetzen ist, vermag man sich kaum vorstellen, wie die Lücke geschlossen werden soll, die nun Dieter hinterlässt. Was Schirrmacher für die Republik, war der Konzer für die Trierer Kommunalpolitik – ein oder besser, der wirkmächtigste Journalist.

Nicht nur distanzierter Beobachter, sondern auch Akteur

So sehr galt sein Urteil, dass man bisweilen den Eindruck gewinnen musste, hier sei einer nicht mehr nur distanzierter Beobachter, sondern vielmehr Akteur. Als Dieter einmal das auf den letzten Drücker präsentierte Programm für die Antikenfestspiele zerriss, zogen der damalige Kulturdezernent und mit ihm der Stadtrat die Notbremse und sagten die Festspiele kurzerhand ab. Die Begründung vieler Redner: Der negative Tenor der Berichterstattung von Herrn Lintz werde den Vorverkauf verhageln, dieses Risiko könne man nicht eingehen.

An der Trierer Kulturpolitik hat sich Dieter zeitlebens gerieben, da konnte auch ein in sich ruhender Mensch wie er schon mal verzweifeln. Doch beließ er es nicht beim journalistischen Kritisieren vom Seitenrand aus, und fiel die Kritik auch schon mal geharnischt aus, schwang doch immer auch ein wohlwollender Respekt für die Sache mit. Früh engagierte er sich, hatte so beispielsweise maßgeblichen Anteil am Entstehen der Tufa. Aber auch als Journalist brachte er sich immer wieder selbst ein, befeuerte die Diskussionen mit eigenen Ideen und Vorschlägen, organisierte federführend auch kulturelle Großereignisse mit – etwa die Gala zum 10-jährigen Bestehen der Arena Trier. Ob er sich einen Seitenwechsel hätte vorstellen können? Von der relativ komfortablen Warte des journalistischen Beobachters auf die des politisch Handelnden und Verantwortlichen? Wie fast jeder Journalist war auch Dieter nicht frei von Eitelkeit, und als 2009 die Wahl eines neuen Kulturdezernenten anstand, kolportierten politische Kreise hinterher, Herr Lintz sei wohl ein wenig verschnupft, da man ihm das Amt nicht angetragen habe.

Mag sein, dass er die Gelegenheit zum „Nein“-Sagen gerne erhalten hätte, doch dass ihm für einen Dezernentenjob maßgebliche Voraussetzungen fehlten, wusste er selbst nur zu gut – und räumte es, darauf angesprochen, auch offen ein. Dieter war gesegnet mit außergewöhnlichen Begabungen und Fähigkeiten, und weil er vom Radio kam, war ihm nicht nur die Gabe der Schreibe, sondern auch gleich noch die der Rede eigen. Doch Führungsaufgaben lagen ihm nicht, mühsam Kompromisse suchen ebenso wenig. Dann konnte auch er, was höchst selten vorkam, ungeduldig werden. Dieter war ein politischer Mensch, und in seinen frühen Jahren auch parteipolitisch engagiert, und bisweilen hätten wir uns gewünscht, einer wie er würde sich in der Politik versuchen – doch als Politiker taugte er nicht, die hierfür notwendigen Rücksichten hätte er nicht genommen.

Journalistischer Brückenbauer

Mochte Dieters Tag auch 14 Stunden haben und abends mit der Moderation einer Diskussionsrunde in der Volkshochschule abschließen – nie, wirklich nie haben wir ihn gestresst erlebt; allenfalls ein wenig gedanklich abwesend. Wenn er dann die Diskussion gewohnt souverän moderiert hatte, trieb es ihn bisweilen noch dazu, eine seiner beliebten Mensch-Kolumnen zu verfassen; oder die nächste Ausgabe der „Kultur de Lux“ fertigzustellen, eine regelmäßige Beilage, die er beinahe im Alleingang verfasste. Er war es der dafür sorgte, dass das reichhaltige Kulturgeschehen im Nachbarland auch im Volksfreund stattfand; so gesehen war Dieter auch eine Art journalistischer Brückenbauer nach Luxemburg und in die Großregion.

Er arbeitete für drei, doch Dieter konnte damit gut leben. Für ihn gingen Arbeit und Leben ineinander über. Er hatte das große Glück, dass er seine Leidenschaften zum Beruf gemacht hatte. Wer seinen Beruf liebt, hat er einmal sinngemäß gesagt, der braucht keine Hobbys mehr. Dieter hatte unzählige Interessen und auch einige Hobbys – die Musik, das Theater, der Karneval, auch der Basketball zählten dazu; aber er hätte diese Leidenschaften nie hermetisch von seinem Arbeitsleben abgeschottet, warum auch? Dass die Leser vielmehr Anteil an seiner Begeisterung hatten, war das eigentlich Unbezahlbare an seiner Arbeit für den Trierischen Volksfreund.

Wer schreibt, der bleibt. Dieter hat sehr viel geschrieben. Masse und Klasse waren bei ihm nie ein Widerspruch – im Gegenteil. Mit seinen Begabungen hat er ungezählten Menschen geholfen, hat mit Wort und Stimme Initiativen wie „Nestwärme“ und „Da-Sein“ zum Durchbruch verholfen. Er fand Gehör, aber er hörte auch zu – zumindest, wenn jemand etwas zu sagen oder eine interessante Idee hatte. Ihn zeichnete aus, was man bei Journalisten allzu selten antrifft – eine Haltung, die es einem ermöglicht, auch die eigene Meinung zu korrigieren, wenn man zwischenzeitlich neue Kenntnisse erlangt hat.

Mit Dieter Lintz stirbt einer der bekanntesten Trierer, der – Ironie der Geschichte – eigentlich immer ein Konzer war. Mit ihm verliert die Kulturszene ihren besten Kenner und die Kommunalpolitik einen ihrer wichtigsten und schärfsten, in jedem Falle aber kenntnisreichsten Beobachter. Wir verlieren einen freundschaftlichen Kollegen, der unsere Arbeit beim TV, vor allem aber auch als Gründer und Herausgeber von 16vor mit großer Wertschätzung und auch durchaus kritisch begleitet hat. Ohne Dieter, das sei posthum verraten, und seine großherzige Spende für den Förderverein 16vorliebe, hätte dieses Online-Magazin nicht so lange durchgehalten. Danke Dieter, auch hierfür!

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