„Ein unmöglicher Vorgang!“

Die Bürgermeisterin verschafft sich einen Überblick: Vor einem Jahr trat Angelika Birk ihr neues Amt an. Foto: Marcus StölbSie ist die Nummer Zwei des Stadtvorstands und Stellvertreterin des OB: Angelika Birk. Im Februar 2010 übernahm die Grüne die Leitung des Dezernats für Bildung, Soziales, Jugend und Sport. Die Erwartungen an die ehemalige Kieler Ministerin waren hoch, doch inzwischen scheint in ihrem Dezernat der Haussegen mächtig schief zu hängen. Nach exklusiven Informationen von 16vor stellten gleich drei ihrer wichtigsten Mitarbeiter einen Antrag auf dringende Versetzung. Ein bislang wohl einmaliger Vorgang – und nicht der einzige, der bei manchen in Rat und Verwaltung bereits die Frage aufwirft, ob denn die 58-Jährige ihrem Amt noch gewachsen ist. Birk sei „desorganisiert“ und habe wiederholt unentschuldigt bei Terminen gefehlt, ist zu hören. Auf Anfrage gibt sich die Verwaltung bedeckt und verweist auf die schutzbedürftigen Rechte ihrer Mitarbeiter.

TRIER. Am Tag danach ist Hans-Alwin Schmitz noch immer verstimmt. Von einem „unmöglichen Vorgang“ spricht er, „so etwas ist mir in 19 Jahren noch nicht passiert“. Seit 19 Jahren gehört der Eurener schon dem Stadtrat an, doch am Dienstagabend machte er eine ganz neue Erfahrung – gemeinsam mit einer Handvoll weiterer ehrenamtlicher Kommunalpolitiker: Allesamt wurden sie versetzt; nicht von irgendwem, sondern von der Bürgermeisterin.

Angelika Birk hatte die schulpolitischen Sprecher der Fraktionen für 17.30 Uhr zu einer nichtöffentlichen Sitzung eingeladen, über den Stand in Sachen Egbert-Schule wollte die Grüne informieren. Ein spannendes Thema, dachte sich Schmitz. Doch während die Ratsmitglieder fast durchweg pünktlich im Raum „Gangolf“ des Rathauses erschienen, glänzte Birk mit Abwesenheit. Gegen 18 Uhr löste sich die Runde wieder auf, zog man unverrichteter Dinge von dannen. Denn auch zu diesem Zeitpunkt ward von der Bürgermeisterin nichts gesehen oder gehört. „Es kann ja einen guten Grund geben, weshalb Frau Birk nicht kommen konnte, aber dann teilt man das doch mit“, empört sich Schmitz. Eine Erklärung für das Fernbleiben der Dezernentin hatte den FWGler indes auch am Mittwochabend noch nicht erreicht – kein Anruf, keine Mail, nichts, was den Vorgang hätte erklären oder vielleicht sogar entschuldigen können.

Eine offizielle Erklärung hätte man auch gerne für das, was sich in den vergangenen Monaten im unmittelbaren Umfeld der Bürgermeisterin zugetragen haben soll. Wie 16vor aus mehreren Quellen unabhängig voneinander erfuhr, stellten gleich drei, für das Funktionieren des Dezernats wichtige Mitarbeiter einen Antrag auf dringende Versetzung. Neben dem für das Controlling zuständigen Mann sollen sich auch die für die Vorbereitung der Ausschusssitzungen zuständige Kraft und der im Rathaus-Jargon „Budgetierer“ genannte Mitarbeiter nicht mehr in der Lage gesehen haben, mit der Bürgermeisterin vertrauensvoll zusammenzuarbeiten. Welches die jeweiligen Gründe für die Zerwürfnisse sind, lässt sich von außen schwer beurteilen. Dass aber drei der wichtigsten Mitarbeiter eines Dezernats binnen weniger Wochen auf eigenen Wunsch versetzt werden, ist ein wohl beispielloser Vorgang, der viele Fragen aufwirft.

Rathaus hält sich bedeckt

Doch die Antworten, die 16vor auf eine umfassende Anfrage an die Verwaltung erhielt, fallen dürftig aus. „Wir bitten um Verständnis, dass wir zu internen Personalangelegenheiten der Verwaltung mit einem persönlichen Bezug zu den einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zum Schutze der Rechte unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter grundsätzlich keine Auskunft geben können“, lässt das Presseamt wissen. Und obwohl die Anfrage über das Presseamt auch der Bürgermeisterin zuging, unternahm Angelika Birk nicht den Versuch, von sich aus über den Sachverhalt aufzuklären.

Dass es im Dezernat II zu mindestens einer bedeutsameren Veränderung kommen wird, konnte indes jeder in der Rathaus-Zeitung nachlesen. Dort, wie auch in anderen Medien, suchte die Stadt kürzlich nach einer neuen Büroleiterin für besagtes Dezernat. Zuvor war bereits eine interne Ausschreibung erfolgt, für diese Woche war das Auswahlverfahren angesetzt. Gerüchte, denen zufolge die zu besetzende Stelle höher gruppiert sein soll als die vorherige, dementiert die Stadt: Dies treffe nicht zu, heißt es aus dem Presseamt, „da ein inhaltlich geänderter Arbeitsinhalt zu der vormaligen Struktur der Funktion vorliegt, wurde die Stelle auch neu bewertet, was zu einer niedrigeren Eingruppierung führte“.

Nur stellt sich auch die Frage, ob bei einer Besetzung der Stelle mit einem externen Bewerber nicht auch automatisch der Stellenplan der Stadt ausgeweitet würde, was wiederum jeglichen Sparbemühungen zuwider liefe. Hierzu teilt das Presseamt mit: „Es gibt in dem relativ großen Dienstleistungsbetrieb Stadt Trier im Rahmen der Personalwirtschaft fortlaufend durch Ausscheiden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und durch Veränderungen in der Arbeitszeit und durch Stellenwechsel eine Vielzahl von Bewegungen im Personalkörper. Die Besetzung der Funktion der Büroleitung wird budget- und stellenneutral abgewickelt und in der laufenden Personalbudgetbewirtschaftung aufgefangen“.

Nicht äußern möchte sich die Stadt dazu, wie viele Mitarbeiter aus dem engeren Umfeld der Bürgermeisterin um eine Versetzung gebeten haben. Dass es mindestens drei sind, darf aber als sicher gelten. Denn die Vorgänge machen längst im Rathaus die Runde – und darüber hinaus. Dem Vernehmen nach ist OB Klaus Jensen (SPD) schon seit längerer Zeit damit beschäftigt, mit dafür zu sorgen, dass das Dezernat noch ordnungsgemäß seiner Arbeit nachkommen kann. „Halten der Oberbürgermeister und die Bürgermeisterin die Arbeitsfähigkeit des Dezernats II angesichts der personellen Veränderungen derzeit im vollen Umfang für gewährleistet?“, wollte 16vor von der Verwaltung wissen. Die Antwort aus dem Rathaus: „Die zügige Besetzung der Funktion der Büroleitung dient dazu, die Arbeitsfähigkeit des Dezernates auf Dauer sicherzustellen“.

Derweil machen unter Ratsmitgliedern schon Spekulationen die Runde, die Bürgermeisterin könne über kurz oder lang hinwerfen; zu augenscheinlich seien die Probleme in der Führung des Dezernats. Dem Vernehmen nach sollen die Amtsleiter schon mehrmals das Gespräch mit ihrer Chefin gesucht haben, doch habe sich bis dato an den Problemen nichts Nennenswertes geändert. Selbst jene, die der Grünen attestieren, fachlich und politisch über hohe Kompetenz zu verfügen, zweifeln hinter vorgehaltener Hand nunmehr an, dass Birk, die bis 2018 gewählt ist, ihrem Amt gewachsen ist.

Daran zweifelte vor Jahren offenbar auch Heide Simonis. Allerdings war die heute 58-Jährige da noch Landesministerin in Schleswig-Holstein und hätte sich wahrscheinlich niemals erträumen lassen, dass sie zwölf Jahre später erste grüne Dezernentin Triers werden würde. Im Oktober 1998 berichtete der  Spiegel über den angeblichen Unmut der seinerzeitigen Kieler Ministerpräsidentin über ihr Kabinettsmitglied. „Angelika Birk schützt die Solidarität der eigenen Partei vor Simonis‘ Würgegriff, obwohl auch die Alternativen ihre Frauenministerin längst für eine Fehlbesetzung halten“, schrieb das Hamburger Nachrichtenmagazin.

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