Carl-Ludwig Wagner ist tot

Er war der einzige Trierer, der es an die Spitze einer Mainzer Landesregierung schaffte, doch dass Dr. Carl-Ludwig Wagner dieses Amt angestrebt hätte, lässt sich nicht behaupten. So lag auch eine gewisse Tragik über diesem politischen Höhepunkt seiner Karriere – nach kaum mehr als zwei Jahren als Ministerpräsident erlitt die CDU bei der Landtagswahl 1991 eine schwere Niederlage und musste in die Opposition gehen. Auch als Trierer Oberbürgermeister amtierte Wagner nur wenige Jahre, seine stärkste Zeit hatte der gebürtige Düsseldorfer als Finanzminister, hier schrieb er Landesgeschichte. Am Freitag verstarb Wagner im Alter von 82 Jahren nach längerer Krankheit. Ministerpräsident Kurt Beck würdigte seinen Vorgänger als „Mann des Ausgleichs und der Integrität, dem die Menschen in Rheinland-Pfalz viel zu verdanken haben“. Ein Nachruf.

TRIER. Wenn Carl-Ludwig Wagner die Parteitage der Trierer CDU besuchte, was bis zuletzt der Fall war, war er ein gern gesehener und doch fast unscheinbarer Gast. Meist nahm er in der ersten Reihe Platz, verfolgte einige Stunden lang aufmerksam das Geschehen und verschwand dann ebenso lautlos und sich freundlich verabschiedend wieder vom Ort des Geschehens. Das Wort ergriff er nie, sich lautstark einzumischen war seine Sache nicht. Er hatte etwas Zurückhaltendes, und als ihm die heutige CDU-Landesvorsitzende Julia Klöckner einmal bei einem Regionalforum ihrer Partei in der Europahalle um den Hals fiel, da glaubte man Wagner anzumerken, dass es schon fast zu viel des Guten war. „Ein Politiker der leisen Töne“ sei sein Vor-Vorgänger gewesen, erklärte Kurt Beck am Samstag.

Carl- Ludwig Wagner hat Stadt- und Landesgeschichte geschrieben, doch seine besondere Leidenschaft galt auch Europa. Nach dem Jurastudium in Mainz und Montpellier und seiner Promotion, heuerte der gebürtige Düsseldorfer 1959 beim Generalsekretariat des Europäischen Parlaments in Luxemburg an. 1964 stieg er zu dessen Direktor auf. Bereits 1951 war Wagner in die CDU eingetreten, von 1969 bis 1976 gehörte er dem Bonner Bundestag an. Doch dann verschlug es ihn in die Trierer Kommunalpolitik. Im Februar 1976 trat Wagner die Nachfolge Josef Harnischs als Oberbürgermeister an. Es war die Zeit, als die Christdemokraten noch eine klare Mehrheit im Stadtrat stellten und der OB noch nicht direkt gewählt wurde. 1976 war auch das Jahr, in dem Bernhard Vogel in Mainz Ministerpräsident wurde und Helmut Kohl als Oppositionsführer nach Bonn ging.

Wagners Zeit an der Trierer Stadtspitze war nur von kurzer Dauer, doch sie hatte es in sich. Vor allem das von einer Mehrheit des Trierer Stadtrats verfolgte Ansinnen, im Weißhauswald eine große Ferienappartement-Siedlung zu errichten, sorgte für heftige Auseinandersetzungen in der Kommunalpolitik. Es formierte sich eine Bürgerinitiative gegen das Vorhaben, für dessen Realisierung einige Hektar Stadtwald hätten weichen müssen. Mehr als 20.000 Menschen protestierten per Unterschrift gegen die Pläne. Ironie der Geschichte: Zu den Wortführern der Bürgerinitiative zählte seinerzeit ein gewisser Klaus Jensen, der erst kurz zuvor nach Trier gezogen war. Der OB und mit ihm Stadtvorstand und Rat ruderten zurück, das Weißhaus und der Wald wurden erhalten. Wenig später ereilte Wagner der Ruf aus der Landeshauptstadt, Vogel ernannte den Juristen 1979 zum Justizminister – als Nachfolger von Otto Theisen, der ebenfalls aus Trier stammte. 1981 übernahm Wagner dann das Schlüsselressort der Finanzen, und wäre es nach ihm und großen Teilen der rheinland-pfälzischen CDU gegangen, dann wäre dieses Amt wohl auch der Höhepunkt und Abschluss seiner politischen Karriere gewesen.

Wegen Wilhelm wider Willen an die Spitze

Doch nach dem legendären Koblenzer Parteitag von 1988, bei dem der damalige Umweltminister Hans-Otto Wilhelm in einer Kampfabstimmung um den CDU-Landesvorsitz Vogel besiegte, der daraufhin nach zwölf Jahren das Amt des Regierungschefs hinschmiss, musste ein Nachfolger für das Ministerpräsidentenamt gefunden werden. Die Situation innerhalb der Landes-CDU war völlig verfahren. Wilhelm konnte nicht, hatte er doch mit dem Argument, dass Parteivorsitz und Ministerpräsidentenamt personell getrennt werden sollten, seinen Wahlkampf um den Landesvorsitz bestritten. Wagner wollte nicht, stand er doch auf Seiten Vogels und hatte die Kampfkandidatur abgelehnt. Doch gerade seine Nähe zum zurückgetretenen Regierungschef ließ ihn für das Wilhelm-Lager und auch viele Vogel-Getreue als idealen Konsenskandidaten erscheinen.

Der Trierer ließ sich schließlich in die Pflicht nehmen, doch von Beginn an galt Wagner parteiintern und in den Medien als Verlegenheitslösung. Der Spiegel nannte ihn einen „farblosen Finanzpolitiker“, Wilhelm habe in Wagner lediglich einen „Platzhalter“ gefunden. Als die CDU sich nicht von ihren inneren Auseinandersetzungen erholte und im Umfragetief verharrte, ersann die Partei dann auch noch eine Tandem-Lösung: In die Landtagswahl 1991 zogen Wilhelm und er nun gemeinsam – und verloren. Erstmals seit dem Krieg wurde die SPD stärkste Kraft und Wagner musste die Staatskanzlei nach nur etwas mehr als zwei Jahren räumen. Ein Jahr später übernahm er als Vorstandsvorsitzender der Thüringer Aufbaubank in Erfurt eine neue Aufgabe. In Trier machte er sich unter anderem als langjähriger Vorsitzender der Gesellschaft der Freunde des Trierer Theaters verdient.

Dass die Niederlage der CDU von 1991 vor allem das Ergebnis der von Wilhelm ausgelösten parteiinternen Verwerfungen sowie heftigen Bonner Gegenwinds – Stichwort „Steuerlüge“ – war, geriet bei manchen zwischenzeitlich in Vergessenheit. Wohl war Wagner als Landesvater keine optimale Besetzung – Ansehen hatte er vor allem als Fachminister erworben, etwa bei der Haushaltskonsolidierung in den 80er Jahren. Ein „Mann des Ausgleichs und der Integrität, dem die Menschen in Rheinland-Pfalz viel zu verdanken haben“, sei Wagner gewesen, würdigte Kurt Beck am Samstag. „Für mich persönlich waren die Begegnungen mit ihm immer eine Bereicherung. Carl-Ludwig Wagner war ein zurückhaltender Politiker, der mit leisen Tönen überzeugte, dem politischen Gegner trat er immer mit Respekt gegenüber“, so Beck weiter.

Unter Wagner als Ministerpräsident habe Rheinland-Pfalz deutlich an Wirtschaftskraft aufgeholt, sagte der Ministerpräsident noch. In seine Amtszeit falle auch die Einführung der Direktwahl der Oberbürgermeister und der Landräte. Unter Führung von Wagner sei zudem die Partnerschaft Rheinland-Pfalz-Thüringen und die Zusammenarbeit mit der chinesischen Provinz Fujjan vereinbart worden. Als erster deutscher Politiker reiste Wagner nach dem Massaker von 1989 auf den Platz des Himmlischen Friedens in Peking. Beck weiter: „Er war ein herausragender Mittler zwischen Ost und West im nicht immer einfachen Wiedervereinigungsprozess.“

Kaster würdigt Wagner: Überzeugter Europäer aus tiefstem Herzen

Mit Wagner verlören die Trierer Christdemokraten „ein großes Vorbild als Politiker und Mensch“ , erklärte am Samstag der Trierer CDU Vorsitzende Bernhard Kaster. Der Verstorbene habe seine zahlreichen Funktionen „mit beispielhaftem Pflichtgefühl, mit über die Parteigrenzen hinaus anerkannter Kompetenz sowie einer von den Menschen so geschätzten sympathischen persönlichen Art wahrgenommen“, würdigte der Bundestagsabgeordnete. In seiner Persönlichkeit habe er „Kompetenz, hohes Engagement mit feinem Humor und Bescheidenheit verbunden“. Sein „ausgesprochenes Können als Finanzfachmann einerseits und seine Förderung der Kultur andererseits“ zeigten das weite Spektrum von Wagners politischem Wirken. Kaster bezeichnete Wagner als „überzeugten Europäer aus tiefstem Herzen“.

 

Print Friendly, PDF & Email

von

Schreiben Sie einen Leserbrief

Angabe Ihres tatsächlichen Namens erforderlich, sonst wird der Beitrag nicht veröffentlicht!

Bitte beachten Sie unsere Kommentarrichtlinien!

Noch Zeichen.

Bitte erst die Rechenaufgabe lösen! * Time limit is exhausted. Please reload the CAPTCHA.