Bürgervision autofreie Römerbrücke

Die Römerbrücke als Einbahnstraße? Zwei statt drei Spuren und dafür mehr Platz für Radfahrer und Fußgänger? Oder gar eine völlig vom Autoverkehr befreite Querung über die Mosel? Wege und Möglichkeiten, Triers Welterbe übers Wasser stärker in Szene zu setzen, entwickelten am vergangenen Freitag rund zwei Dutzend Bürger. War der Workshop zum geplanten städtebaulichen Wettbewerb auch auf ein eher verhaltenes Interesse gestoßen, so machte die Veranstaltung in den Viehmarkt dennoch deutlich, wie wichtig und bereichernd Bürgerbeteiligung für die weitere Entwicklung Triers sein kann, wenn sie denn konstruktiv ist. Moderatorin Christa Reicher zeigte sich jedenfalls beeindruckt von der Vielfalt an Ideen. Zugleich zeigte die Dortmunder Professorin eine der wesentlichen Herausforderungen auf: Es gelte jetzt, realistische Perspektiven von perspektivischen Visionen zu unterscheiden.

TRIER. Mehr als zwei Jahrzehnte lebte Eva-Jeannette Scholzen in Köln, dann kehrte sie wieder in ihre Geburtsstadt zurück. Die sei zwischenzeitlich „viel lebenswerter“ geworden, stellte sie rasch fest, und wo sie schon einmal vor Ort sei, wolle sie sich auch wieder stärker einbringen. Gesagt, getan – den vergangenen Freitagnachmittag verbrachte Scholzen gemeinsam mit rund 25 weiteren Trierern in den Viehmarktthermen. „Wenn sich die Gelegenheit zur Bürgerbeteiligung bietet, dann sollte man sie auch nutzen“, sagte die 44-Jährige im Anschluss. Die Möglichkeit, dass einige oder vielleicht sogar alle ihre Ideen nie umgesetzt werden, weil am Ende das Geld oder der politische Wille fehlen könnten, schreckte sie nicht ab: „Meine Erfahrung ist: Irgendwann passiert auch was“, konterte Scholzen entsprechende Nachfragen und ergänzte: „Ich erwarte auch keine Wunder, aber nach 15 bis 20 Jahren wird die Arbeit schon Früchte tragen“.

In solchen Zeiträumen muss denken, wer sich mit Stadtentwicklung befasst. Angesichts knapper Kassen, aber auch aufgrund langwieriger Beteiligungsverfahren und Entscheidungsprozesse, gehen meist etliche Jahre ins Land, bis Pläne in die Tat umgesetzt werden können. Nicht selten verschwinden preisgekrönte Entwürfe auch auf Nimmerwiedersehen in der Schublade. Oder plötzlicher Unmut in der Bevölkerung bringt Politiker dazu, im Rahmen von Bürgerbeteiligungsverfahren entwickelte Konzepte zu Fall zu bringen. Ein anschauliches Beispiel hierfür liefert in diesen Wochen die Diskussion zur Tankstelle in der Ostallee. Wer seinerzeit einige Stunden seiner Freizeit in den entsprechenden Bürgerworkshop investierte und darauf vertraute, dass die politischen Entscheidungen Bestand haben würden, ist nun um eine ernüchternde Erfahrung reicher – oder um eine Illusion ärmer.

Gastronomie in alten Moselkränen?

Die Teilnehmer des Bürgerworkshops am Freitag ließen sich hiervon nicht beeindrucken. In mehreren Arbeitsgruppen entwickelten sie verschiedene Ideen, die nun in den geplanten städtebaulichen Wettbewerb zur Römerbrücke einfließen sollen. Bei der Präsentation der Ergebnisse wurden rasch deutlich: Über die Gruppen hinweg bestand in zahlreichen Fragen Konsens. So war man sich einig, dass die Treppenauf- und abgänge zwischen den Brückenköpfen und der Uferebene attraktiver und nach Möglichkeit sogar barrierefrei gestaltet werden sollten. Eine weitere einhellige Forderung: Die Wege entlang des Moselufers müssen verbreitert werden, damit Fußgänger und Radfahrer gefahrlos aneinander vorbeikommen. Die Bürger wünschen sich einen besseren Zugang von der Krahnenstraße zum Moselufer. Wo heute der Hochwasserdamm wie eine Mauer den Weg abschneidet, könnten ein Tunnel oder eine neue Querung der Straße eine direkte Verbindung zum Fluss schaffen.

Überhaupt das Krahnenufer: Gerade in diesem Bereich sehen die Teilnehmer des Workshops großes Entwicklungspotenzial. Denkbar sei etwa eine gastronomische Nutzung der denkmalgeschützen Moselkräne. Oder die Errichtung eines Stegs für Sportboote. Auch auf dem gegenüberliegenden Ufer müssten attraktivere Verweilflächen geschaffen werden, was unter anderem durch eine bessere Anbindung der Gastronomie der Kunstakademie an den Rad- und Fußweg möglich wäre. Auseinander gingen die Meinungen, ob die Uferzonen „eher urban oder naturräumlich gestaltet werden sollten“, berichtete Scholzen, die der Arbeitsgruppe „Archäologie und Denkmalpflege“ angehörte. Diese schlug auch vor, dass kleine, bislang völlig unscheinbare Denkmäler wie die Konstantin-Statue oder das alte Pegelhäuschen auf der Ostseite des Ufers stärker herausgestellt werden.

Im Mittelpunkt aller Überlegungen stand natürlich die ältestes noch erhaltene Römerbrücke nördlich der Alpen. Weil diese täglich von bis zu 14.000 Fahrzeugen passiert wird und sowohl der östliche als auch der westliche Brückenkopf vor allem von Verkehrsflächen in Beschlag genommen werden, scheint der Spielraum hier auf den ersten Blick gen Null zu tendieren. Nach Ansicht der Bürger muss deshalb über größere Lösungen nachgedacht werden. So herrschte weitgehend Konsens, dass die Brücke auf lange Sicht völlig vom Autoverkehr befreit werden sollte. Weil man sich in den verschiedenen Arbeitsgruppen jedoch ebenso einig war, dass eine solche Lösung auf absehbare Zeit nicht umgesetzt werden dürfte, entwickelte man Alternativen. So wurde eine Einbahnstraßenlösung vorgeschlagen, wobei der Verkehr in Richtung Innenstadt fließen sollte. Ein anderer Vorschlag: Aus den derzeit drei sollten zwei Spuren werden, damit mehr Platz für Fußgänger und Radfahrer vorhanden wäre – und eventuell für die ein oder andere Verweilmöglichkeit auf der Brücke. Denkbar auch, das Bauwerk zumindest für Events – beispielsweise „Trierer Brückentage“ – zu sperren. Das gab es zuletzt vor zwei Jahren, als aus Anlass des 2025. Geburtstags der Stadt auf dem Welterbe eine Tanzmeile ausgerichtet wurde; Salsa und Rumba inklusive.

Grün kann auch urban gestaltet sein

Für Christa Reicher macht insbesondere die Verkehrsproblematik die Herausforderung des Projekts deutlich. Für den städtebaulichen Wettbewerb gelte es nun zu differenzieren zwischen „realistischen Konzepten und perspektivischen Visionen“, erklärte die Architektin und Stadtplanerin, die an der Technischen Universität in Dortmund lehrt und den Prozess begleitet. Überhaupt sei das Spannende, die tatsächlichen oder vermeintlichen Widersprüche zwischen unterschiedlichen Bürgerwünschen auszutarieren. Etwa der Konflikt zwischen einer eher steinernen oder grünen Ufergestaltung. Hier plädierte Reicher für ein ausgewogenes Verhältnis: „Grün kann auch urban gestaltet sein“, gab die Professorin zu bedenken. Soll heißen: Die Alternative zu einer Steinwüste muss nicht naturnaher Wildwuchs sein. In anderen Bereichen könnte die Auflösung von Widersprüchen indes schwieriger sein, beispielsweise bei einer gastronomischen Nutzung der alten Moselkräne, die beide unter Denkmalschutz stehen.

Waltraud Rosar radelt fast täglich am Krahnenufer entlang. Seit einem Jahrzehnt wohnt sie in der Moselstadt. „Es ist einfach nur schön, in Trier zu leben“, sagt die 71-Jährige, die ebenfalls am Workshop teilnahm: „Wenn ich zu Wort kommen kann, dann bringe ich meine Vorstellungen auch mit ein“, erklärte sie im Anschluss an die Veranstaltung im Gespräch mit 16vor ihre Motivation. „Ein guter Tag“ sei es gewesen, in den von Mitarbeitern des Stadtplanungsamts moderierten Arbeitsgruppen habe eine sehr angenehme Atmosphäre geherrscht. Ob sie damit rechnet, dass die Ideen auch umgesetzt werden: „Da bin ich realistisch, aber auch nicht negativ eingestellt“, antwortet sie und fügt sichtlich zufrieden hinzu: „Unterm Strich kommt was bei rum, und sei es erst 2025“.

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