Bürgerbeteiligung 2.0

Mit www.sags-deiner-stadt.de startet am Freitag ein interaktives Videoportal für Trier. Bürgerinnen und Bürger werden dazu aufgerufen, Trier in einem kurzen Video ihre Meinung zu Themen rund um die Stadt sagen. Die Beiträge sollen dann auf der Internetseite veröffentlicht und in einem Archiv gesammelt werden. Das Projekt der „Kultur- und Kreativstation Trier“ steckt zwar noch in den Kinderschuhen, birgt aber großes Potenzial: Nicht nur könnte es die Bürgerbeteiligung in Trier langfristig bereichern und das Meinungsbild prägen; es könnte auch als Vorbild für andere Städte dienen.

TRIER. „Trier ist für mich die heimliche Hauptstadt des Weines“, erzählt Manuela Schewe in ihrer 50-sekündigen Videobotschaft. „Heimlich deshalb, weil es den guten Moselwein bis jetzt nur an ausgesuchten Plätzen zu probieren gibt.“ Das würde die Vinothek-Besitzerin gerne ändern. Sie wünscht sich mehr Riesling von lokalen Winzern auf den Getränkekarten der hiesigen Lokale. Mit „Sag´s Deiner Stadt“ findet Schewes Anliegen nun nicht nur Gehör, sondern bekommt auch ein Gesicht. Denn ihr Beitrag wird für jedermann zugänglich sein, wenn die Portalseite für einen neuen Meinungsaustausch in Trier am Freitag startet. Das Projekt soll Möglichkeiten schaffen, sich als Trierer direkt und barrierefrei zu allen Themen rund um die Stadt äußern zu können und damit die Öffentlichkeit zu erreichen. Das können Stellungnahmen zum tagesaktuellen Stadtgeschehen, Wünsche, Kritik oder auch Lob sein. Die einzigen Voraussetzungen: Die Aufnahmen sollten nicht länger als 90 Sekunden sein, eine Dateigröße von 100 MB nicht übersteigen und weder Werbung noch Beschimpfungen enthalten.

Das Youtube für Trier ist der jüngste Streich der „Kultur- und Kreativstation Trier“ (KUKS). Autor Dorian Steinhoff und Konzept-Entwickler Kay Spiegel haben die KUKS im April dieses Jahres gegründet, um die Kultur- und Kreativwirtschaft in der Region Trier zu fördern und mitzugestalten. Sie verstehen sich als Anlaufstelle für alle Kulturschaffenden, die innovative Geschäftsideen umsetzen wollen. „Wir vernetzen, wir beraten, wir stiften an“, heißt es auf der Internetseite der KUKS. „Ursprünglich wollten wir mit dem Videoportal die Stadt speziell auf die Wünsche und Erwartungshaltungen der Trierer Kulturschaffenden aufmerksam machen“, erzählt Mitgründer Kay Spiegel. Doch die beiden Jungunternehmer haben sich entschieden, die Seite für alle Stadtthemen zu öffnen. „Wir wollen den Bürgern eine kräftigere Stimme geben“, fasst Projektmanager Spiegel zusammen.

Eine Vorlage habe es dafür nicht gegeben. Überhaupt habe man etwas Vergleichbares auch in anderen Städten noch nicht auf die Beine gestellt, berichtet Spiegel. Dabei besticht das Konzept vor allem durch seine Einfachheit. Die Internetseite ist schlicht und leicht verständlich: Links ein Infotext, der erklärt wie alles funktioniert, daneben kann Name und E-Mail-Adresse, wahlweise noch eine Beschreibung, eingefügt und das Video hochgeladen werden. Mindestens einen Beitrag will die KUKS pro Woche veröffentlichen. Ab Freitag kann man sich dann durch eine Bildergalerie klicken und sich die Videobeiträge anschauen.

Doch warum müssen es Videos sein? Was kann per Videoaufnahme gesagt werden, dass nicht auch schriftlich kommuniziert werden könnte? Andere Formen der Bürgerbeteiligung, wie der Leserbrief, hätten nur eine bestimmte Reichweite und eine kurze Haltbarkeit, weiß Spiegel. „Der Leserbrief wird schon übermorgen nicht mehr gelesen. Die Videos dagegen sind beständig.“ Es sei zudem immer noch ein Unterschied, wenn man seine Meinung tatsächlich ausspricht und auch mit Gesicht und Namen dahinter steht. „Das bekommt einen viel persönlicheren und unverfälschten Kontext“, meint der Projektmanager. Er ist sich sicher, dass es auf der Seite einen regen Meinungsaustausch geben werde, wenn „Sag´s Deiner Stadt“ erst einmal die nötige Berühmtheit erlangt hat.

Derzeit arbeiten Steinhoff und Spiegel noch an einer Applikation, die es ermöglichen soll, die Videobotschaften direkt vom Smartphone aus auf die Internetseite zu stellen. Ob auf einer Kunstausstellung oder auf einer Demonstration – man könne dadurch spontan und direkt vor Ort seine Meinung oder sein Fazit zum Thema abgeben, so Spiegel. Zudem wollen die beiden künftig bei ausgewählten Veranstaltungen selbst mit der Kamera anwesend sein, um dort die eine oder andere Stimme, auch von Leuten, die das Internet noch nicht so selbstverständlich benutzen, einzufangen. Insbesondere für die auch schon mal zähen, von der Stadt initiierten Podiumsdiskussionen könnte das von großem Mehrwert sein. An Ideen mangelt es den Jungunternehmern also nicht. Ob „Sag´s Deiner Stadt“ es tatsächlich schafft, den Meinungsaustausch in Trier mitzugestalten und zu prägen, wird jedoch erst die Resonanz der Nutzer zeigen. Sollte das Konzept ein Erfolg werden, hat das lokale Videoportal eine echte Chance, auch von anderen Städten wahrgenommen und kopiert zu werden. „Es gibt sogar schon konkrete Anfragen aus Mainz und Zürich.“

Anm. d. Red.: Der Trierer Produzent Uwe Thein von „theinmedia“ weist darauf hin, dass er im Februar 2011 ein ähnliches Projekt der Stadt vorgestellt hat. In der „Trier-Box“ – einer mobilen Aufnahmestation – sollten Bürger gefilmt werden. Laut Thein wurde die Idee aus finanziellen Gründen jedoch nicht umgesetzt.

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