Keine Mehrheit für „BVB“ in Trier

trier mitgestaltenEs soll Leute geben, die greifen zum Hörer und rufen direkt beim Oberbürgermeister an – sei es, weil der Bürgersteig nicht gekehrt wurde oder eine Straßenlampe defekt ist. Meist werden die Anrufer vom Vorzimmer des Stadtchefs ans zuständige Fachamt verwiesen – oder auf digitale Wege und Möglichkeiten, ihren Unmut oder auch konstruktive Anregungen an den Augustinerhof zu übermitteln. Mit „trier-mitgestalten.de“ startete das Rathaus im September eine neue Online-Plattform. Die wird rege genutzt, täglich gehen mehrere Anfragen und Vorschläge bei der Verwaltung ein. Allerdings ist der Kreis der Absender noch recht überschaubar. Als die FDP nun im Stadtrat forderte, für ältere und in Sachen Internet weniger erfahrene Menschen eine „Bürgervorschlagsbox“ aufzustellen, ernteten die Liberalen vor allem Hohn und Spott. Der Antrag fand am Ende keine Mehrheit, der OB verwies auf den vorhandenen Briefkasten am Rathaus.

TRIER. Sven Teuber ist Fan von Borussia Dortmund. Für den SPD-Fraktionschef bot der FDP-Antrag deshalb eine Steilvorlage. „Bürgervorschlagsbox“ lasse sich doch auch schön mit „BVB“ abkürzen, fand der Sozialdemokrat, der einen grauen Briefkasten mitgebracht hatte. Den schenke seine Fraktion nun der Stadt, damit habe sich das Ansinnen der Liberalen wohl erledigt. Sagte es, und überreichte Jensen den Kasten. „Das wäre dann der am schnellsten erfüllte Antrag, ohne dass Kosten entstanden sind“, scherzte Teuber.

Allerdings lehnte seine Fraktion den Antrag ab, wie auch eine klare Mehrheit des Stadtrats sich für den Vorstoß der Freidemokraten nicht begeistern konnte. FDP-Chef Tobias Schneider hatte diesen mit dem Anliegen begründet, er und seine Fraktionskollegen wollten mit der Box auch jenen Menschen ein Angebot bieten, für die das Internet noch eine Hürde darstelle und die sich lieber „analog“, also mit Zettel und Stift an die Stadt wenden wollten. „Wir sollten alle Möglichkeiten ausschöpfen, dass sich jeder einbringen kann“, verlangte Schneider.

Solche Möglichkeiten gibt es mittlerweile en masse, und vor allem im Web wurden in den vergangenen Jahren einige neue Wege ins Rathaus eröffnet. Über den Bürgerhaushalt etwa können Menschen sich bei haushalterischen Fragen einbringen. Nicht neu, aber manchem vielleicht noch nicht bekannt: Die Sitzungen der Ortsbeiräte sind in aller Regel öffentlich, Zuhörer genießen dort jedoch in aller Regel kein Rederecht. Ebenso tagen der Stadtrat und die Dezernatsausschüsse überwiegend öffentlich, lediglich Vertrags- und Personalangelegenheiten werden hinter verschlossenen Türen beraten. Wer an den öffentlichen Sitzungen nicht teilnehmen kann oder will, kann anschließend im Ratsinformationssytem die beratenen und beschlossenen Vorlagen aufrufen; auch die jeweiligen Sitzungsprotokolle finden sich dort.

55 Mitglieder zählt der Stadtrat, deutlich mehr Kommunalpolitiker sind in den Ortsbeiräten aktiv. Ansprechpartner, die sich das eigene Anliegen anhören und eventuell sogar in die zuständigen Gremien transportieren würden, sollten sich also finden lassen. Doch den Weg zu den Sitzungen finden nur sehr wenige Bürger, sieht man einmal von jenen ab, in denen heftig umstrittene Vorlagen wie jene zum Schulentwicklungskonzept debattiert wurden. Vor wenigen Wochen kam nun eine weitere Möglichkeit hinzu, sich an die Verwaltung zu wenden: trier-mitgestalten.de. Offenbar wird die Online-Plattform bereits rege genutzt, wie ein Blick auf die Seite zeigt, doch scheint die Zahl der Nutzer noch sehr überschaubar; gefühlt jeder zweite Eintrag auf der Plattform stammt aktuell von einem Bürger mit dem Pseudonym „Treveris“.

Die Liste der Einträge reicht von Anregungen wie „Public Art in Trier fördern“ bis hin zu Forderungen nach der verstärkten Kontrolle des Anliegerverkehrs in der Engelstraße. „KatrinH“ fordert mehr Basketballkörbe zum Trainieren und Spielen, besagter „Treveris“ verlangt mehr Zebrastreifen auf dem Petrisberg. Wie die Verwaltung hierzu steht, ist der Plattform noch nicht zu entnehmen. Deutlich Position bezieht man im Rathaus hingegen bei einer Forderung desselben Bürgers: „Subunternehmer in Haftung nehmen“, verlangt „Treveris“ und beklagt sich über einen „Auftragnehmer der Stadt“, der mit seinem schweren Traktor im Herbst 2012 in der Grünanlage Im Avelertal einen Rasenschnitt durchgeführt hat. Durch das schwere Gerät hätten sich breite und tiefe Spurrillen gebildet, welche für spielende Personen eine gewisse Gefährdung bedeuteten. Die Spurrillen seien in diesem Frühjahr von dem Verursacher „soweit wie möglich beseitig“ worden, aus Sicht des Fachamtes bestehe „deshalb kein weiterer Handlungsbedarf“, reagierte die Verwaltung.

Aber besteht nun weiterer Handlungsbedarf, was den Teil der Bevölkerung anbelangt, der sein Anliegen analog an die Stadt herantragen will? Gerd Dahm (B90/Die Grünen), der wie Teuber auch nicht mit Spott in Richtung Liberale sparte, übersetzte den Antrag der FDP als Forderung, dem Beauftragten für Bürgerbeteiligung im Rathaus einen eigenen Briefkasten anzuschrauben. OB Klaus Jensen erklärte, täglich würden Bürger Anliegen vortragen und sich online oder offline an die Stadt wenden. Doch habe er bis heute noch keine einzige Beschwerde erhalten, dass es hierfür keinen Extra-Schlitz am offiziellen Briefkasten des Rathauses gibt.

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