Brandschutz des Theaters bis zu 75 Prozent teurer

Stell dir vor, du gehst ins Theater, Feuer bricht aus und die Wasserversorgung funktioniert gerade nicht, weshalb das Löschwasser knapp wird. Dieses wenig wahrscheinliche Szenario lag einer Aufsehen erregenden Kostenkalkulation zugrunde. Im maroden Theater könnte schon bald für eine halbe Million Euro ein Wassertank eingebaut werden; in einem Gebäude, von dem nicht sicher ist, ob es über kurz oder lang einem Neubau weichen muss. Wurden im Mai 2010 für Maßnahmen in Brandschutz und Sicherheitstechnik 1,2 Millionen Euro veranschlagt, rechnet man im Rathaus nun mit 2,1 Millionen – ein Plus um fast 75 Prozent. Die Zahlen fachen die Debatte um ein Gesamtkonzept für das Theater neu an. Kulturdezernent Thomas Egger kündigte am Dienstagabend im Stadtrat an, in diesem Jahr ein Grundsatzentscheidung herbeizuführen. Was den Wassertank anbelangt: Die Stadtwerke prüfen bereits günstigere Alternativen, und eine eventuelle Versorgungsunterbrechung sei auch gar nicht das Problem.

TRIER. Im Januar 2009 schreckte eine Vorlage des Stadtvorstands auf: In aller Deutlichkeit benannte das Papier den  Zustand des 1964 eröffneten Theaters. „In baulicher, sicherheitstechnischer und energetischer Sicht entspricht es (das Theater; Anm. d. Red.) weder den heutigen Anforderungen an eine Versammlungsstätte, noch den räumlichen Anforderungen, die ein modernes Theater benötigt“, hieß es in der Drucksache, die sechs Schwerpunktbereiche für eine Sanierung benannte. Diese sollten nach damaligem Planungsstand voraussichtlich 18,5 Millionen Euro kosten.

Längst ist von mehr als 20 Millionen Euro die Rede, auch 30 Millionen liegen im Bereich des Möglichen. Doch niemand spricht mehr von dem, was in der besagten Vorlage auch stand: „Die einzig sinnvolle Vorgehensweise ist die komplette Schließung des Hauses für die Zeit der Umbaumaßnahmen und die Verlagerung des Spielbetriebes und der Büros und Werkstätten in eine Ersatzspielstätte“. Und weiter: „Aufgrund des Umfanges der Umbauarbeiten können die Maßnahmen in Einzelabschnitten während der Theaterferien aus wirtschaftlichen und organisatorischen Gründen nicht durchgeführt werden“.

Eigentlich eine klare Ansage, doch eine komplette Schließung steht momentan nicht zur Debatte, und entgegen der Empfehlung verfolgt man im Rathaus die Spielpausen-Lösung. Die nächste Etappe steht im kommenden Sommer an, dann sollen weitere Maßnahmen zu Brandschutz- und Sicherheitstechnik umgesetzt werden. Außerdem soll das Große Haus barrierefreundlicher werden – besser gesagt: es soll ein erster Schritt in Richtung Barrierefreiheit unternommen werden. Denn für Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt und auf einen Rollstuhl angewiesen sind, ist das Theater eine einzige Zumutung. Investitionen in diesen Bereich sind also überfällig, weshalb es am Dienstagabend im Stadtrat für die entsprechende Vorlage durchweg Zustimmung gab. Der Rat bewilligte mehr als 300.000 Euro für diese Vorhaben.

Doch bei einer anderen Maßnahme, die schon bald in Angriff genommen werden könnte, hegt auch der geneigte Betrachter ernsthafte Zweifel, ob sie wirklich nötig sind. In einer kurzfristig ergänzten Vorlage, die der Stadtrat am Dienstagabend vorgelegt bekam, fand sich plötzlich ein Posten, von dem selbst gemeinhin gut informierte Ratsmitglieder erst in dieser Woche erfuhren: die Errichtung eines Wassertanks als Vorratsbehälter für die Sprinkleranlage. Die Begründung für diese Maßnahme: „Die Wassereinspeisung in die Sprinklerleitungen erfolgt unmittelbar über die Wasserversorgungsleitung der Stadtwerke. Bei Störung bzw. Ausfall der Versorgung steht kein Löschwasser zur Verfügung. Um die Löschleistung zu garantieren, ist der Speicher erforderlich“.

Stadtwerke: Suchen nach günstigerer Lösung

Doch ist der Tank wirklich erforderlich? Und wenn ja, wofür? Nachfrage bei den Stadtwerken: Nach Darstellung eines Unternehmenssprechers geht es weniger um eine eventuelle Versorgungsunterbrechung, „sondern eher um das strenge Trinkwasserregelwerk“.  Die SWT sind für die Lieferung qualitativ hochwertigen Trinkwassers verantwortlich. Um die hohen Qualitätsanforderungen auch in Zukunft zu gewährleisten, müsse „laut Regelwerk die Hausanschlussleitung des Theaters verkleinert werden. Damit reicht die Kapazität der Leitung nicht mehr aus, um die dortige Sprinkleranlage zu betreiben. Aus diesem Grund wird eine Wasserbevorratung notwendig“, erklärt der SWT-Sprecher. Die Stadtwerke gewährleisten über das Trinkwassernetz eine Art „Grundschutz“ in Sachen Löschwasser, der einen Umfang von 96 Kubikmeter pro Stunde über einen Zeitraum von zwei Stunden hat. „Für Objekte, die diesen Bedarf übersteigen, sind Individuallösungen erfoderlich“, heißt es, und dass Stadtwerke und Stadt schon in Gesprächen stünden, um eine günstigere Lösung zu finden.

Dass alles unternommen werden muss, um die Sicherheit der Theaterbesucher zu gewährleisten, steht außer Frage. Doch dass allein für diese eine Maßnahme fast 500.000 Euro veranschlagt werden, sorgte im Rat erwartungsgemäß für eine kontroverse Debatte. Zumal es noch dicker kommt: Das Amt für Gebäudewirtschaft rechnet damit, dass sich die gesamte Baumaßnahme insgesamt um fast 900.000 auf nunmehr knapp 2,1 Millionen Euro verteuern könnte.  Als Gründe werden „zusätzliche unvorhersehbare und unabweisbare Bauteilertüchtigungen“ ins Feld geführt, darunter Brandschutzmaßnahmen in der Druckkammer unter dem Zuschauerraum und die besagte Erweiterung der Sprinklerzentrale mit Wasserspeicher. Ein Umbau des Bühneneingangs mit separatem Notausgang ist vonnöten, die Erneuerung des Bühnen- und des Lastenaufzuges angezeigt.

War auch der nun zur Debatte stehende Bau des Wassertanks unvorhersehbar? Nachfrage im Rathaus: „Im Rahmen der Erstabnahme der Sprinkleranlagenerweiterung des Theaters wurde Ende Oktober 2011 ein Gutachten durch einen staatlich anerkannten Sachverständigen erstellt, auf dessen Basis sich die Notwendigkeit eines Nofalltanks ergibt“. Die Notwendigkeit der Maßnahme ergebe sich aus der VDS Richtlinie 2109 („Sprühwasserrichtlinie“) und der Trinkwasserverordnung 2001 mit den Ergänzungen und Änderungen von 2011. Einen Löschwassertank gebe es im Übrigen auch für die Europahalle. In anderen Großeinrichtungen wie etwa dem Klinikum Mutterhaus der Borromäerinnen braucht es jedoch offenbar keiner Tanklösung: „Unser Krankenhaus verfügt an zwei zentralen Stellen über Trockeneinspeisungspunkte. Hier kann unabhängig von den Wasserleitungen an zwei Seiten des Hauses Wasser eingespeist werden“, erklärte Manfred Lauer, Heizungs-Sanitär-Meister und Brandschutzbeauftragter im Mutterhaus am Dienstag auf Anfrage gegenüber 16vor. Das Wasser käme im Notfall aus den Tankfahrzeugen der Feuerwehr. Eine derzeitig im Bau befindliche Sprinkleranlage im Kellerbereich werde aber über einen Tank versorgt, der fünf Kubikmeter Wasser fasse, so Lauer weiter.

Egger kündigt Grundsatzentscheidung an

Dass an einem Tank kein Weg vorbeiführt, daran wollte auch die meisten Ratsmitglieder nicht so recht glauben, die sich am Dienstagabend zu Wort meldeten. Der Rat forderte den Kulturdezernenten auf, alternative Optionen zu prüfen – was dieser zusagte. Was Egger auch versprach: Noch in diesem Jahr will er eine Grundsatzentscheidung in Sachen Theater herbeiführen. Denn beinahe hätte die offenbar kurzfristig getextete Vorlage dazu geführt, dass der Dezernent ins Kreuzfeuer der Kritik geriet. Die für ihre sachlichen Redebeiträge bekannte Dorothee Bohr (CDU) etwa legte den Finger in die Wunde, als sie zu bedenken gab, dass immerzu Einzelmaßnahmen beschlossen würden, ohne das ein Gesamtkonzept erkennbar wäre. „Auf das Ziel kommt es an“, gab die Unionsfrau zu bedenken, eine Gesamtkonzeption tue Not. Und vor allem müsse geklärt werden, ob es einen Neubau geben solle, oder im Bestand saniert werde. Auch Markus Nöhl (SPD) forderte ein Gesamtkonzept, bei dem auch inhaltliche Fragen geklärt werden müssten. Während Hermann Kleber (FWG) keinerlei Bedenken gegen die Vorlage äußerte und diese als „Einstieg in ein Gesamtkonzept“ lobte, verlangte Karl-Josef Gilles (FDP), dass die Frage des Wassertanks auf den Prüfstand gehöre. Das forderte auch Uschi Britz von den Grünen, die sich zugleich für den Erhalt des Standorts am Augustinerhof aussprach.

Die Standortfrage soll nun in diesem Jahr geklärt werden, und konnte sich Egger zu Beginn seiner Amtszeit noch grundsätzlich vorstellen, dass das Theater dereinst im Westen neu gebaut wird, so hat er sich von solchen Ideen zwischenzeitlich verabschiedet. „Wir können nicht mehr lange warten“, erklärte er mit Blick auf das noch ausstehende Gesamtkonzept. An diesen Worten wird man den Freidemokraten am Ende des Jahres messen müssen.

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