Baumfällung bringt Stadtspitze in Erklärungsnot

Vier Tage nach dem tragischen Unglück in der Altstadt, bei dem eine Triererin durch eine umstürzende Kastanie getötet wurde, hat das Grünflächenamt im Rautenstrauchpark einen etwa gleich alten und ebenfalls rund 15 Meter hohen Baum gefällt. Man habe im Rahmen einer Zweitkontrolle entschieden, statt des angedachten Kronenrückschnitts den Baum komplett zu entfernen, erklärte das Rathaus am Abend gegenüber 16vor. Eine solche Zweitkontrolle war auch für den Unglücksbaum vorgesehen. Darauf habe sie auch schon am vergangenen Freitag im Rahmen eines Pressegesprächs hingewiesen, behauptet Simone Kaes-Torchiani (CDU). In der offiziellen Mitteilung der Verwaltung wie auch in sämtlichen Medienberichten war hiervon allerdings nichts zu lesen. Der Vorgang bringt die Stadtspitze in Erklärungsnot. 

TRIER. „Ihr weiteres Vorgehen bei der Baumkontrolle werde die Stadt an dem Gutachten ausrichten, dessen Ergebnis nun zunächst abgewartet werden müsse“. So stand es in der Erklärung des Rathauses vom vergangenen Freitag. Der war eine fast einstündige Pressekonferenz vorausgegangen, in der OB Klaus Jensen (SPD), Ordnungsdezernent Thomas Egger (FDP) und Baudezernentin Simone Kaes-Torchiani (CDU) auch auf wiederholte Nachfrage hin erklärten, man werde erst dann handeln können, wenn Anhaltspunkte für die tatsächliche Ursache des „Baumversagens“ vorlägen (16vor berichtete). Deshalb wolle man zunächst die Ergebnisse des von der Staatsanwaltschaft Trier in Auftrag gegebenen Gutachtens abwarten. Bereits am Tag des Unglücks hatte OB Jensen eine „lückenlose Aufklärung“ der Unglücksursache zugesichert.

Nicht nur lückenhaft, sondern gar nicht existent war die Erklärung, die das Presseamt des Rathauses am Montagmittag zur Hand hätte haben müssen – als es darum ging zu erläutern, weshalb am Morgen im Rautenstrauch-Park eine rund 80 Jahre alte und etwa 15 Meter hohe Kastanie gefällt worden war. Offenbar sah man am Augustinerhof keinerlei Notwendigkeit, über die Maßnahme vorab oder zeitnah zu informieren. Das ist, man muss es so schreiben, an Dilettantismus kaum mehr zu überbieten und musste die Stadtspitze in Erklärungsnot bringen. Während das Unglück und dessen mögliche Ursache weiterhin Stadtgespräch sind und viele Trierer die „Restrisiko“-Argumentation der Baudezernentin durchaus teilen, sorgte die Baumfällung vom Montag für neuerliche Verunsicherung.

Baudezernentin Simone Kaes-Torchiani (CDU) wusste nach eigener Darstellung nichts über die geplante Fällung. Sie sei hierüber „nachträglich informiert“ worden, erklärte sie am Montagabend auf Anfrage. Erst als im Presseamt der Stadt Medienanfragen eingingen, erfuhr das für das Grünflächenamt zuständige Stadtvorstandsmitglied von dem Vorgang. Mehr noch: Während Jensen, Kaes-Torchiani und Egger am Freitagnachmittag die Presse informierten und auf mehrfache Nachfrage hin verneinten, dass unmittelbare Maßnahmen geplant seien, stand offenbar schon fest, dass sehr wohl gehandelt werden würde. „Sowohl der gefallene Baum als auch der heute gefällte Baum waren am 1. Oktober 2012 einer Kontrolle unterzogen worden und zur Zweitkontrolle gekennzeichnet. Anlass war eine geplante nähere Untersuchung des Kronenbereichs bei beiden Bäumen. Diese Zweitkontrolle wurde am vergangenen Freitag vorgenommen, als die Mitarbeiter vor Ort waren. Man kam dabei zu dem Ergebnis, dass die Krone entlastet werden muss“, erklärt das Baudezernat nun. Diese Arbeiten seien dann für diesen Montag angesetzt worden. „Während des Rückschnitts wurde dann heute festgestellt, dass die Defekte in der Baumkrone alleine durch den Rückschnitt nicht zu beseitigen waren“, so die Darstellung der Stadt.

Die Baudezernentin beharrt derweil darauf, bereits am Freitag im Rahmen des Pressegesprächs auf diese eigentlich auch für den Unglücksbaum fällige Zweitkontrolle hingewiesen zu haben. Von dieser sehr relevanten Informationen hatte indes offenbar niemand der anwesenden Journalisten etwas mitbekommen, zumindest tauchte der Begriff „Zweitkontrolle“ bislang in keiner Medienveröffentlichung auf – auch nicht in der offiziellen Erklärung der Stadt. In dieser wird lediglich darauf abgehoben, bei der Kontrolle am 1. Oktober sei „keine Umsturzgefahr“ festgestellt worden. Wohl auch unter dem Eindruck der Ereignisse vom vergangenen Donnerstag ging man am Montag bei der Kastanie, die etwa genauso alt und hoch war wie der umgestürzte Baum, auf Nummer Sicher: Der Amtsleiter ordnete die sofortige Fällung an.

Folgt man der Version der Stadt, dann fand die heutige Zweitkontrolle „im Rahmen der üblichen Kontrollen“ statt. Soll heißen: Die Kastanie stand ohnehin auf einer Liste von rund 100 Bäumen, die nach der Sichtprüfung eingehender untersucht werden mussten. „Die notwendige Baumfällung war nicht geplant“, erklärt das Amt, erst bei der Bearbeitung sei der „Umfang der tatsächlichen Schäden erkennbar geworden“. Zwei speziell geschulte Mitarbeiter sind kontinuierlich mit der Überprüfung des Baumbestandes betraut. „Im Stadtgebiet gibt es rund 30.000 Bäume. Davon ist allerdings ein großer Teil Jungbäume, die schnell überprüft sind“, heißt es. Spekulationen, wonach die Baumkontrollen infolge der Konsolidierungsbemühungen der Stadt eingeschränkt wurden, weist das Rathaus entschieden zurück: Der Personalbestand für diesen Bereich sei gleich geblieben.

Bei der Staatsanwaltschaft hieß es am Montag auf Anfrage, man könne zeitlich nicht abschätzen, wann das in Auftrag gegebene Gutachten vorliegen wird.

Weitere Informationen: „Es ist für alle Beteiligten unfassbar“ und Passantin von Baum erschlagen

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