Aussteigen oder auf Vergleich einlassen?

Vier Jahre nachdem der Trierer Stadtrat den Stadtwerken grünes Licht für eine Beteiligung am Gemeinschaftskraftwerk Steinkohle (Gekko) gab, ist die Diskussion über das Projekt wieder voll entbrannt. Auch aus den Reihen der einstigen Befürworter kommen kritische Stimmen, die vor allem den Stil des RWE-Konzerns beklagen. SWT-Aufsichtsratsmitglied Karl Biegel spricht von „Gutsherrenart“. Die Essener haben den an „Gekko“ beteiligten Stadtwerken einen Vergleich angeboten, über den schon bald die Aufsichtsgremien entscheiden sollen. Das „Bündnis für Erneuerbare Energien Trier“ (BEET) verlangt, dass RWE die Anteile der Stadtwerke zurückkauft. Und auch die Grünen fordern, die Beteiligung möglichst rasch abzustoßen. Der Zeitpunkt sei so günstig wie lange nicht, ist Ratsmitglied Gerd Dahm überzeugt. CDU und SPD sind da skeptischer.

TRIER. Am Montagnachmittag traf sich OB Klaus Jensen, der auch Aufsichtsratschef der SWT Stadtwerke Trier Versorgungs-GmbH ist, mit SWT-Vorstand Dr. Olaf Hornfeck und SWT-Vertriebsleiter Matthias Sommer. Es ging, nicht zum ersten Mal in den vergangenen Monaten, um die Beteiligung des Unternehmens am Gemeinschaftskraftwerk Steinkohle („Gekko“). Gemessen an den rund 2,3 Milliarden Euro, welche die Doppelblockanlage im westfälischen Hamm am Ende kosten dürfte, nimmt sich der Anteil der Trierer eher bescheiden aus: Mit weniger als 13 Millionen Euro sind sie beteiligt.

Im Gegenzug sicherten sich die Stadtwerke eine so genannte „Scheibe“ von zehn Megawatt Strom. Damit könnten rund 13 Prozent des in Trier benötigten Strombedarfs gedeckt werden, bezifferte Hornfeck am 8. Dezember 2007 bei einer Expertenanhörung. Eine Aussage, die den Chef der Stadtwerke bald einholen könnte. Denn nach Informationen von 16vor werden die SWT den in Hamm produzierten Strom nicht zur Versorgung ihrer Kundschaft nutzen. Stattdessen sollen die zehn Megawatt andernorts über einen Großhändler vermarktet werden. Vonseiten der Stadtwerke wollte man sich am Dienstag nicht zu dem Sachverhalt äußern.

Auskunftsfreudiger zeigte sich das Unternehmen in anderer Hinsicht: RWE habe den beteiligten Stadtwerken einen Vergleich „in Millionenhöhe“ vorgeschlagen, bestätigte ein SWT-Sprecher einen Bericht des Trierischen Volksfreunds. Damit solle „ein Teil der Verluste ausgeglichen werden, die den Stadtwerken durch die Verzögerung und Verteuerung beim Bau des Kraftwerks in Hamm entstehen“. Bei Jensens Treffen mit Hornfeck und Sommer wurde über diesen Vergleich gesprochen, aber Stillschweigen vereinbart. Nur soviel: „In den nächsten Tagen“ sollen die zuständigen Aufsichtsgremien darüber befinden, ob die SWT das Angebot der Essener annehmen.

Doch schon an diesem Donnerstag wird sich auch der Stadtrat mit dem Thema befassen. Die Grünen haben einen Antrag eingebracht, der einen schnellstmöglichen Verkauf der Anteile fordert (wir berichteten). CDU-Ratsmitglied Karl Biegel, einst ein Befürworter des SWT-Engagements in Hamm, spricht von einem verfrühten Vorstoß. Wären bald Wahlen, hätte er für den Zeitpunkt des Antrags mehr Verständnis, kritisierte Biegel am Dienstag im Gespräch mit 16vor. Dabei findet er auch der Unionsmann deutliche Worte gegenüber RWE: Das Gebaren des Konzerns zeuge von „Gutsherrenart“, von partnerschaftlicher Zusammenarbeit sei da nicht mehr viel. „Der Ober sticht den Unter“, beschreibt der Eurener den Umgang der Essener mit den beteiligten Stadtwerken. Was die Forderung der Grünen nach einem Verkauf der Beteiligung anbelangt, müsse sich aber erst einmal ein Käufer finden. Darauf weist auch SPD-Fraktionschef Sven Teuber hin. Man stecke in einem gewissen Dilemma, erklärt er. Seine Partei stimmte im Dezember 2007 gegen die Beteiligung an „Gekko“, doch um jeden Preis nun auszusteigen, sei schlicht unverantwortlich.

BEET schaltet sich in Diskussion ein

Gerd Dahm hält den Zeitpunkt für seinen Antrag hingegen für optimal. Durch das Vergleichsangebot der Stadtwerke steige der Ertragswert der Kraftwerksscheibe und ein Verkauf sei ohne Verlustrealisierung möglich, heißt es in einem Argumentationspapier, das 16vor vorliegt. Tatsächlich machen auch die Grünen zur Bedingung, dass bei einem Verkauf der Beteiligung Verluste zu vermeiden seien. Die Nachbesserung erhöhe nun die Verkaufschancen, glaubt Dahm. Am Dienstag schaltete sich auch das „Bündnis für Erneuerbare Energien Trier“ (BEET) in die neu entflammte Debatte ein. Mit zwei Einwohneranträgen hatte das Bündnis vor vier Jahren das Thema „Gekko“ auf die kommunalpolitische Tagesordnung gesetzt und mit zahlreichen Aktionen und Demonstrationen gegen das Projekt mobilisiert.

Nun sieht man sich bestätigt, spricht erneut von einer „Fehlinvestition“, die zum „Millionengrab“ werde.  Statt sich nun auf den Vergleich einzulassen, müssten die Stadtwerke RWE „umgehend zum Rückkauf der Anteile“ auffordern. Auch das Bündnis sieht nun den günstigsten Zeitpunkt für einen Ausstieg der SWT aus dem Projekt gekommen: „Die SWT können ein Zeichen setzen für eine klimafreundliche Unternehmenspolitik, wenn sie ihren Gekko-Anteil zügig, komplett und ohne Wenn und Aber verkaufen und den Erlös in Erneuerbare Energien in der Region investieren“, verlangt Tatjana Schneckenburger. Wenn sich die Stadtwerke zu diesem Schritt entschlössen, sei „ein weiterer Schritt in Richtung glaubwürdiger Ökostromanbieter“ getan.

Unabhängig davon, wie sich Rat und SWT-Gremien entscheiden – vor Mitte 2013 wird „Gekko“ nicht ans Netz gehen. Das bestätigte auf Anfrage ein RWE-Sprecher. Der zweite Block könnte nach derzeitigem Stand sogar erst gegen Ende übernächsten Jahres Strom liefern. Ursprünglich sollte das Kraftwerk in diesem Jahr in Betrieb gehen. Zugleich räumte das Unternehmen ein, dass die Kosten von den einst geplanten zwei Milliarden auf mindestens 2,3 Milliarden Euro steigen werden. „Der Grund hierfür liegt im Wesentlichen in herstellerbedingten Problemen im Zusammenhang mit dem Kesselgerüst beziehungsweise Dampferzeuger“, erläuterte der Unternehmenssprecher.

Im Februar 2008 vereinbarte der RWE-Konzern gemeinsam mit 23 Stadtwerken aus Nordrhein-Westfalen, Hessen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz den Bau des Steinkohlekraftwerks. Die Anlage soll eine Leistung von 1.600 Megawatt haben, von denen sich die kommunalen Partner einen Anteil von insgesamt 350 Megawatt sicherten. In Dortmund und Münster gibt es schon seit längerem Forderungen, aus dem Projekt auszusteigen. SWT-Vorstand Olaf Hornfeck dürfte derweil noch ein weiterer Satz Kopfzerbrechen bereiten. In einem Schreiben an die Ratsmitglieder erklärte er im Dezember 2007, dass die Stadtwerke seinerzeit ein längeres Engagement in Hamm wünschten, dies von RWE aber abgelehnt wurde. Aus Sicht der SWT sei es aber „besser, an einem guten Projekt für 20 Jahre, anstatt gar nicht beteiligt zu sein“, warf Hornfeck damals für „Gekko“.

Dass sich die Fertigstellung des Kraftwerks um zwei Jahre verzögern und rund 300 Millionen Euro teurer werden würde, war damals nicht abzusehen. Doch indem die Essener den Wunsch mehrerer kommunaler Versorger ablehnten, sich länger an dem Projekt zu beteiligen, machten sie zugleich von Beginn an deutlich, wie sie die Rollenverteilung zwischen den „Partnern“ verstanden.

Weitere Informationen zum Projekt „Gekko“ und der Diskussion im Dezember 2007 in Trier:

Kohlekraft: Jensen kontra Stadtwerke, „Besser 20 Jahre beteiligt als gar nicht“, Meinung: BEET sei Dank und Drei Ja, zwei Jein, ein Nein

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